Allgemeine Merkmale des Drogenkonsums reichen für Strafbarkeit einer Fahrt unter Cannabis nicht aus

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Nach einer Drogenfahrt darf nicht allein aus der im Blut gemessenen Wirkstoffkonzentration des Rauschmittels auf die Fahruntüchtigkeit geschlossen werden. Es müssen zudem Drogenenthemmungsmerkmale den sicheren Schluss auf konkrete Fahruntüchtigkeit zulassen.

Sind über den Nachweis des Cannabiswirkstoffs THC im Blut hinaus keine aussagekräftigen Beweisanzeichen vorhanden, die den sicheren Schluss auf die Fahrunsicherheit des Fahrers in der konkreten Verkehrssituation zulassen, ist eine Strafbarkeit nach § 316 StGB ausgeschlossen.

Es genügt auch nicht, wenn festgestellte Beweisanzeichen nur allgemeine Auswirkungen des Konsums von Cannabis darstellen. Darauf weist das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) in einer Revisionsentscheidung vom 28.10.2010 hin. Das OLG hob das Urteil des Amtsgerichts Saarlouis auf, das einen Autofahrer nach dem Genuss von Cannabis wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen verurteilt und ihm zugleich die Fahrerlaubnis entzogen hatte. Er war mittags bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle der Polizei durch einem starken Marihuana-Geruch, wässrig glänzende Augen, gerötete Bindehäute, einen schleppenden Gang, ein Schwanken im Stand sowie eine verwaschene Aussprache aufgefallen. Zudem hatte der Mann verzögert reagiert, einen schläfrigen Eindruck hinterlassen und Konzentrationsstörungen aufgewiesen. Bei den von den Beamten durchgeführten Tests hatten sich eine fehlende Lichtreaktion der Augen und ein Fingerkuppenzittern bei ausgestreckten Armen gezeigt. Eine im Anschluss an die Kontrolle von einem Arzt mit Einverständnis des Angeklagten durchgeführte Pupillenlichtreaktionsüberprüfung hatte ergeben, dass die Pupillen träge reagierten. Die gerichtsmedizinische Auswertung der entnommenen Blutprobe hatte eine Wirkstoffkonzentration von 0,001 mg/l Tetrahydrocannabinol ergeben.

Diese vom Amtsgericht festgestellten Beweisanzeichen haben den OLG-Richtern nicht genügt, um die das Vorliegen relativer Fahruntüchtigkeit des Angeklagten infolge des Cannabiskonsums zu belegen. Das OLG bemängelte, dass die von dem Amtsgericht festgestellten Beweisanzeichen und auch die Ausführungen eines gerichtlichen Sachverständigen weder für sich allein noch in der Gesamtschau genügt haben, um die Annahme (relativer) Fahruntüchtigkeit des Angeklagten zu rechtfertigen. Insbesondere fehlten im amtsrichterlichen Urteil Feststellung dazu, wie sich die beschriebenen Beweisanzeichen konkret auf die fahrerische Leistungsfähigkeit des Angeklagten ausgewirkt hatten.

So lassen sich aus der festgestellten Verlangsamung der Pupillenreaktion bei Lichteinfall, ohne darüber hinausgehende Feststellung zu einer konkreten Beeinträchtigung der Sehfähigkeit - keine hinreichenden Schlüsse auf die Fahrtüchtigkeit ziehen. Auch sei das leichte Schwanken im Stand noch nicht als eine derart deutliche motorische Ausfallerscheinung zu werten, dass sie allein oder in der Gesamtschau mit den übrigen Auffälligkeiten einen hinreichend sicheren Schluss auf die fahrerische Leistungsfähigkeit des Angeklagten zuließe. Auch die Konzentrationsstörungen", die „verzögerten Reaktionen", die „verwaschene Aussprache" und der „schleppende Gang" sind ebenfalls nicht genügend aussagekräftig. Zwar können auch diese Auffälligkeiten auf den festgestellten Drogenkonsum zurückführbar sein. Hinreichend zwingend ist dies aber nicht. So könnte die Schläfrigkeit des Angeklagten auch auf einem Schlafentzug beruhen. Auch müssten diese Auffälligkeiten zunächst mit dem Zustand des Angeklagten im unberauschten Zustand verglichen werden. Zudem könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte auch ansonsten und insbesondere in ihn belastenden Situationen - wie der gegenständlichen Polizeikontrolle - entsprechende Verhaltensweisen zeigt.

Verhaltenstipp: Die Beteiligung an ärztlichen Untersuchungen wie Finger-Nase-Prüfung, Gehproben etc. ist nicht verbindlich und sollte daher verweigert werden. Die Justiz versucht oftmals die Ergebnisse zum Beweis der Fahruntüchtigkeit heranzuziehen. Außerdem gilt im Hinblick auf sämtliche Fragen der Polizei oder des Arztes zum Vorfall oder zum Konsumverhalten der goldene Grundsatz: Schweigen, Schweigen, Schweigen. Alles andere kann schnell das Aus für die Fahrerlaubnis bedeuten.

Der Beitrag bezieht sich auf OLG Saarland, Beschl. v. 28.10.2010 - Ss 104/10 (141/10)

Der Verfasser, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Christian Demuth, ist bundesweit auf die Vertretung von Menschen in Verkehrsstraf- und Bußgeldverfahren spezialisiert.


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