Amazon-Verkäuferkonto gesperrt – Was können Sie als Händler tun?

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Amazon-Verkäuferkonto gesperrt – Was können Sie als Händler tun?


Onlinemarktplätze haben gerade in Zeiten der COVID-19-Pandemie für Verkäufer an Bedeutung gewonnen. Es häufen sich jedoch Meldungen, Amazon sperre vorschnell und ohne Angabe von Gründen Verkäuferkonten. Ausweislich des Fallberichts des Bundeskartellamtes vom 17. Juli 2019 B2 – 88/18 wurden allein im Jahr 2018 über 250.000 Verkäuferkonten dauerhaft und über 30.000 Verkäuferkonten zumindest vorübergehend gesperrt. Umso weniger verwundert es, dass diese Vorfälle bereits in jüngster Zeit Gegenstände gerichtlicher Entscheidungen waren (so u.a. LG München I, Beschluss vom 15.01.2021 - 37 O 32/21; LG Hildesheim, Beschluss vom 26.06.2019 – 3 O 179/19). Doch was passiert, wenn Ihr Konto gesperrt wird? Ob und was Sie gegen eine solche Sperrung unternehmen können, erfahren Sie hier.


1. Vertragliche Aspekte

Die Gründe für eine Kontensperrung bzw. Kontenkündigung können vielfältig sein. Dabei ergeben sich die Gründe, aus denen Amazon ihr Händlerkonto kündigen bzw. sperren kann, bereits zu einem großen Teil aus dem zwischen Ihnen und Amazon geschlossenen Vertrag („AMAZON SERVICES EUROPE BUSINESS SOLUTIONS VERTRAG“, nachfolgend Händler-Vertrag genannt) sowie aus den Verkaufsrichtlinien und dem Verhaltenskodex für Verkäufer.

Maßgeblich ist dabei zunächst der zwischen Ihnen und Amazon geschlossene Händlervertrag und die damit verbundenen allgemeinen Geschäftsbedigungen und Richtlinien für die Betätigung als Verkäufer. Während Amazon aufgrund der verwendeten Geschäftsbedingungen ursprünglich vertraglich dazu berechtigt war, Händler ohne Begründung mit sofortiger Wirkung zu sperren oder diesen zu kündigen (vgl. Fallbericht des Bundeskartellamtes vom 17. Juli 2019 B2 – 88/18, S. 4), sieht der Händler-Vertrag in Ziffer 3 nach Änderung der Geschäftsbedingungen eine ordentliche Kündigung mit einer 30-Tages-Frist sowie eine außerordentliche, fristlose Kündigung unter den Voraussetzungen von Ziffer 3 lit. a) – c) des Händlervertrages mit grundsätzlicher Informationspflicht vor. Eine fristlose Kündigung kommt nach den maßgebenden Vorschriften des Händlervertrages demnach dann in Betracht,

  1. bei einem wesentlichen Verstoß gegen die Vereinbarungen, wenn der Verstoß nicht in einer Frist von 7 Tagen nach entsprechender Mitteilung behoben wird, wobei die Frist zur Behebung nach dem billigen Ermessen von Amazon reduziert werden oder keine Frist eingeräumt werden kann, wenn der Verstoß Amazon einer Haftung Dritter aussetzt oder
  2. das Konto für täuschende, betrügerische oder unrechtmäßige Aktivitäten verwendet wurde oder die Überprüfung von Amazon Anhaltspunkte ergibt, dass das Konto für solche Aktivitäten verwendet werden könnte oder
  3. die Nutzung von Programmen durch den Händler andere Verkäufer, Kunden oder Amazons berechtigte Interesse geschädigt hat oder die Überprüfungen von Amazon aufzeigen, dass die Nutzung von Programmen zu einer solchen Schädigung führen könnte.

Dabei sehen die vertraglichen Bestimmungen in Ziffer 3 des Händlervertrages vor, dass Amazon Sie als Händler grundsätzlich umgehend über die Kündigung bzw. Sperrung Ihres Kontos sowie Ihre Reaktionsmöglichkeiten informiert. Die Kündigung bzw. Sperrung bleibt jedoch so lange bestehen, bis Sie als Händler ausreichenden Beweis dafür erbracht haben, dass die zu Grunde liegenden Ursachen behoben sind.

Außerdem ist zu beachten, dass es im Falle der im Händlervertrag ausdrücklich vorgesehenen ordentlichen Kündigung überhaupt keines Kündigungsgrundes bedarf, sondern diese lediglich innerhalb der 30-Tages-Frist erfolgen muss. Sprich: Grundsätzlich ist auch eine grundlose Kündigung Ihres Verkäuferkontos möglich, soweit Amazon Sie früh genug darüber unterrichtet. 

Bedeutsam für die Frage, ob Amazon Ihr Händlerkonto kündigt oder sperrt ist zudem Ihre Verkäuferleistung („Performance“). Entspricht Ihre Verkäuferleistung bzw. Performance nicht den vertraglichen Voraussetzungen, die Sie im Rahmen des Händlervertrages mit Amazon vereinbart haben, kann dies u.U. - je nachdem, welche Kriterien im Einzelnen betroffen sind – in einer Sperrung oder Kündigung Ihres Verkäuferkontos enden. Vermöge des Händlervertrages sind Sie in der Regel dazu verpflichtet, gewisse Leistungsziele einzuhalten. Die für Sie wichtigsten Leistungsziele umfassen dabei die Rate an Bestellmängeln, die Stornorate und die Rate verspäteter Abfertigungen. Erfolgt eine Sperrung oder eine Kündigung Ihres Verkäuferkontos, weil die genannten Parameter nicht den vertraglichen Vereinbarungen entsprechen, sieht Amazon selbst die Erstellung eines Maßnahmenplans zur Wiederherstellung der Verkaufsberechtigung sowie die Möglichkeit der Einlegung eines Widerspruchs vor. Ausweislich der Hinweise auf der Amazon Seller Central Europe sollte der von Ihnen zu erstellende Maßnahmeplan drei Fragen beantworten:

  1. Was ist Ursache, die zum Problem geführt hat?
  2. Welche Maßnahmen werden durch Sie als Händler ergriffen, um das Problem zu beheben?
  3. Welche Maßnahmen werden Sie als Händler ergreifen, um zukünftige Probleme zu vermeiden?

Zu beachten ist zudem, dass gemäß Ziffer 17 des Händlervertrages auf den Händlervertrag einschließlich all seiner Bedingungen das Recht des Herzogtums Luxemburg Anwendung findet und jede Streitigkeit, die sich auf irgendeine Art und Weise auf die Nutzung der Programme oder des Händlervertrages bezieht, vor den Gerichten von Luxemburg Stadt als nicht ausschließlichem Gerichtsstand verhandelt werden. Zwar ist – im Bezug auf den Händlervertrag – eine Klage bzw. ein gerichtliches Vorgehen gegenüber Amazon unter Umständen auch vor nationalen Gerichten zulässig, allerdings bleibt es bei der verbindlichen Anwendung luxemburgischen Rechts auf den Händlervertrag. Dies hat zur Folge, dass eine inhaltliche Kontrolle nach den Maßstäben des deutschen Rechts der für die Sperrung bzw. Kündigung maßgeblichen Geschäftsbedingungen des Händlervertrages – welche in der Vergangenheit ebenfalls häufig Gegenstand zahlreicher Bedenken waren – nicht in Betracht kommen wird.


2. Wettbewerbsrechtliche Aspekte

Ein Vorgehen gegen Amazon ist allerdings auf wettbewerbsrechtlicher Grundlage möglich.

Durch die Sperrung eines Verkäuferkontos kann Amazon u.U. seine marktbeherrschende Stellung missbrauchen, so das Landgericht München (LG München I, Beschluss vom 15.01.2021 - 37 O 32/21). Dabei ergebe sich ein Anspruch des Verkäufers auf Unterlassung der Deaktivierung ohne vorherige ausreichende Information und Anhörung zu den Gründen aus §§ 33 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB. Unter Rückgriff auf Ermittlungen des Bundeskartellamtes aus den Jahren 2018 und 2020 sowie der EU-Kommission aus dem Jahr 2020 sei davon auszugehen, dass Amazon eine marktbeherrschende Stellung auf dem sachlich und räumlich relevantem Markt, der Erbringung von Dienstleistungen auf Onlinemärkten gegenüber Onlinehändlern, zukomme. Wegen dieser marktbeherrschenden Stellung sei Amazon in der Entscheidung über Aufnahme und Beendigung von Geschäftsbeziehungen auf ein diskriminierungsfreies und von sachlichen Erwägungen getragenes Verhalten beschränkt. Eine Kontensperrung erfordere somit eine ordnungsgemäße Anhörung, welche neben der angemessenen Information über die Vorwürfe auch die Erwägung der Stellungnahme vor einer Entscheidung und ggf. die Mitteilung der wesentlichen Gründen voraussetze.

Soweit diese Voraussetzungen im Rahmen einer Sperrung bzw. Kündigung Ihres Verkäuferkontos nicht erfüllt sein sollten, steht Ihnen der oben genannte Anspruch zur Seite, den sie außergerichtlich und notfalls auch gerichtlich gegenüber Amazon geltend machen können.


3. Was können Sie tun?

Versuchen Sie, sich zunächst mit Amazon in Verbindung zu setzen und Widerspruch gegen die Sperrung oder Kündigung Ihres Händlerkontos einzulegen. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Sie Amazon einen entsprechenden Maßnahmenplan unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien vorschlagen können, um die mit Ihrem Konto in Verbindung gebrachten Probleme zu beheben. Wegen der schieren Masse an Kontensperrungen und der Funktionsweise des Händlersupports kann es jedoch passieren, dass – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – Amazon nicht auf Ihre Kontaktaufnahme reagiert. Versprechen diese Maßnahmen keinen Erfolg, ist es angezeigt, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und prüfen zu lassen, ob ein weiteres außergerichtliches oder sogar gerichtliches Vorgehen gegen Amazon opportun ist.

Foto(s): Rechtsanwalt Patrick Baumfalk

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