Anerkennung und Zwangsvollstreckung der Urteile der Bundesrepublik Deutschland in der Ukraine

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(1. Teil)

Die in Kraft getretenen ausländischen Entscheidungen in Sachen, die in zivil-, arbeits-, familien- und wirtschaftsrechtlichen Verhältnissen auftreten, Urteile in Straffällen im Teil, wo es sich um Schadenersatz und verursachte Schäden handelt, sowie Urteile ausländischer Schiedsgerichte und anderer ausländischer Behörde, zu deren Zuständigkeit die Verhandlung von Zivil- und Wirtschaftssachen gehört, können in der Ukraine gemäß Artikel 81 Absatz 1 des Gesetzes der Ukraine „Über internationales Privatrecht“ anerkannt und vollstreckt werden.

Die Verpflichtung aus der Anerkennung von ausländischen Gerichtsentscheidungen auf dem Territorium der Mitgliedstaaten einschließlich der Ukraine folgt auch aus Artikel 6 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und ist in der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) gesichert: „Die Vollstreckung einer Entscheidung, die von einem Gericht getroffen wurde, soll als Teil der „Gerichtsverhandlung“ verhandelt werden im Sinne von Artikel 6 der Konvention“ (s. das Urteil „Hornsby gegen Griechenland“ des Europäischen Gerichtshofes (Hornsby v. Greece) vom 19. März 1997).

Die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der Europäischen Union im Jahr 2015 und die Verpflichtung der Ukraine zur Anpassung und Angleichung der ukrainischen Rechtsvorschriften den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (Artikel 474 des Abkommens) sollen sich zweifellos auch in einem Rechtsinstitut wie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Gerichtsentscheidungen widerspiegeln.

Positive Tendenzen in dieser Frage werden sowohl mit Novellen in der Gesetzgebung als auch mit der bestehenden Gerichtspraxis bereits bestätigt.

Die in der vorherigen Fassung festgestellten Bestimmungen wurden durch die neue Fassung der ab 15.12.2017 geltenden Zivilprozessordnung der Ukraine (weiter – die ZPO der Ukraine) dubliert und einige neue Bestimmungen wurden ausgelegt, die meistens den geltenden Rechtsnormen europäischer Staaten, vor allem Deutschlands, analog sind.

Die ZPO der Ukraine trennt das Anerkennungsverfahren ausländischer Gerichtsentscheidungen zwischen denen, die der Zwangsvollstreckung unterliegen, und denen, die keiner Zwangsvollstreckung unterliegen.

Die Anerkennung der ersten Entscheidung kommt zustande gleichzeitig mit der Erteilung der Genehmigung für ihre Zwangsvollstreckung in einem Prozess, wonach der Gläubiger befugt ist, einen Vollstreckungstitel zu erhalten.

Die Anerkennung einer Entscheidung, die keine Zwangsvollstreckung erfordert, bezieht sich inhaltlich auf die Feststellung der Rechtstatsachen (der Rechtslage) und Personenrechte, ohne dass die bestimmten Zwangsmaßnahmen von staatlichen Exekutivorganen vor dritten Personen notwendig sind.

Das sind am meisten die Gerichtsentscheidungen in Familiensachen (Scheidungssachen, die Feststellung bestimmter Tatsachen, elterlicher Pflichten und Rechte in Bezug auf Kinder).

Die Entscheidungen ausländischer Gerichte (ausländischer Staatsgerichte, anderer zuständiger Staatsbehörden, die für Verhandlung von Zivilsachen zuständig sind) gemäß Artikeln 462 und 471 der ZPO werden in der Ukraine anerkannt und vollstreckt, wenn ihre Anerkennung und Vollstreckung durch ein internationales Abkommen festgelegt sind, deren Verbindlichkeit für die Ukraine von dem ukrainischen Parlament gebilligt ist, oder das auf dem Gegenseitigkeitsprinzip beruht.

Da das internationale Abkommen über Rechtshilfe und Rechtsbeziehungen in Zivil- und Familiensachen sowie Vereinbarungen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen ausländischer Gerichte zwischen der Ukraine und Bundesrepublik Deutschland nicht geschlossen wurden, sollte das Gegenseitigkeitsprinzip angewandt werden.

Es ist in Artikel 362 Absatz 2 der ZPO vorgesehen, wenn die Anerkennung und Vollstreckung einer ausländischen Entscheidung vom Gegenseitigkeitsprinzip abhängt, dann wird es angenommen, dass dieses Prinzip besteht, soweit nichts anderes nachgewiesen wurde.

So hat der Gesetzgeber die Präsumtion des Bestehens des Gegenseitigkeitsprinzips festgestellt, und es veranlasst die betroffene Partei (in der Regel einen Schuldner, der die Anerkennung der ausländischer Entscheidung bestreitet) zu beweisen, dass sich das Gegenseitigkeitsprinzip im Urteilsstaat in identischen Fällen nicht erfüllt.

So hat es in der Entscheidung des Berufungsgerichtes der Stadt Kyiv 22-ц/796/11211/2015 vom 24.12.2015 vermerkt, dass der Staat, der diesem Prinzip folgt, auf seinem Territorium die analogen Rechte gewährleistet und die analogen Verpflichtungen übernimmt, die für seine Bürger und juristische Personen im Urteilsstaat gelten.

Es wurde bei der Verhandlung einer Sache von diesem Gericht festgestellt, dass das Nichtbestehen des Gegenseitigkeitsprinzips zwischen der Ukraine und Bundesrepublik Deutschland von dem Schuldner mit angemessenen und zulässigen Beweisen vor dem Gericht nicht bewiesen wurde. Es wurden auch keine Beweise vorgelegt, die die Begründungen gäben, den Antrag für die Erteilung der Genehmigung für Zwangsvollstreckung ausländischer Entscheidung abzulehnen.

Das Gegenseitigkeitsprinzip ist auch in § 328 Absatz 1, Nr. 5 ZPO der BRD auf ähnliche Weise festgelegt.

Die Präsumtion des Gegenseitigkeitsprinzips bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen wurde zwar in der ZPO der BRD deklariert, wird es aber durch die Rechtsprechung bestätigt, dass die Sicherung dieses Prinzips von der Partei bewiesen werden soll, die die Anerkennung ausländischer Entscheidung beantragt. (s. BGH, Urteil vom 29.04.1999 – IX ZR 263/97)).

Im Angesicht der verfügbaren Informationsquellen haben die Gerichte der Ukraine und BRD keine Urteile gefällt, mit denen es bestätigt wurde, dass das Gegenseitigkeitsprinzip bei der Anerkennung der Entscheidungen der Ukraine und BRD nicht befolgt wird, wie es im Urteil des Oberlandesgerichtes Hamburg Nr. 6 U 152/11 vom 13.07.2016 in Bezug auf Russland vorgelegt wurde.

Die Befolgung des Gegenseitigkeitsprinzips in der Ukraine und Deutschland wurde durch ein Schreiben des Außenministeriums der Ukraine Nr. 72 / 17-680-1762 vom 8. Juni 2011 bestätigt.

Die meisten in der Ukraine anerkannten Entscheidungen der deutschen Gerichte und die von Deutschland anerkannten Entscheidungen sind Entscheidungen, die keine Zwangsvollstreckung bedürfen.

In den letzten fünf Jahren haben aber ukrainische Gerichte, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, eine Reihe von Entscheidungen über die Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen von Landesgerichte der BRD in Zivil- und Handelssachen gerade über die Beitreibung der Geldschulden getroffen.

Eine der letzten Entscheidungen soll berücksichtigt werden, und zwar das Urteil des Obersten Gerichtshofs vom 19. September 2018 in Sache Nr. 461/10613/15. Damit wurde das Urteil des Landesgerichts Frankfurt am Main vom 25. November 2014 in Zivilsache Nr. 2-18 О 351/12 über die Beitreibung vom Schuldner der Schuldbeträge laut dem Darlehensvertrag anerkannt und die Zwangsvollstreckung auf dem Territorium der Ukraine genehmigt.

Mit dieser Entscheidung hat das Kassationsgericht die Urteile der Gerichte erster und zweiter Instanz (des Berufungsgerichtes) aufgehoben, die die Anerkennung und Erteilung der Genehmigung für Zwangsvollstreckung ablehnten, weil der Schuldner keine Unterlagen vom deutschen Gericht, das den Streit verhandelte, erhalten hatte.

Während der Verhandlung der Sache in ukrainischen Gerichten wurde die Frage der Befolgung des Gegenseitigkeitsprinzips sogar nicht in Frage gestellt. Im Gegenteil, hat das Gericht das Gegenseitigkeitsprinzip berücksichtigt. Dabei ist dies so offensichtlich, dass die Frage seines Vorhandenseins sogar nicht angeregt wurde. Und die Argumente des Beklagten, der die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils bestritt, stützten sich nur darauf, dass er keine Benachrichtigung vom Landesgericht Frankfurt am Main erhalten hatte, und darum auf das Beweisen der Verletzung seines Mitwirkungsrechts, an einem Gerichtsverfahren in der BRD teilzunehmen.

Es wurde durch die oben genannte Entscheidung des Berufungsgerichtes der Stadt Kyiv in der Rechtssache vom 24.12.2015 anerkannt und die Zwangsvollstreckung des endlichen Versäumnisurteils des Gerichtes zweiter Instanz Aschaffenburg BRD Nr. 11 О 188/10 vom 15.02.2012 genehmigt, nach der die Beklagten – die Bürger der Ukraine – zur Bezahlung des Schuldbetrages in Höhe von 9578,56 Euro verurteilt wurden. Der Betrag wurde zum Zeitpunkt des Entscheidungstreffen in die Währung der Ukraine umgerechnet.

Bezirksgericht Krasnogvardeysky der Stadt Dnipropetrovsk hat mit Beschluss vom 29. Juli 2011 anerkannt und genehmigt die Zwangsvollstreckung des Urteils der dritten Kammer für Handelssachen des Landesgerichtes Köln BRD vom 5. November 2008 über die Beitreibung des Schadenersatzes im Geldwert 122118 Euro und der Gerichtskosten 6037.00 Euro von einem ukrainischen Unternehmen der Allianz Global Corporate & Speciality AG zugunsten.

In Artikel 463 der ZPO der Ukraine ist der Zeitraum für die Vorlegung einer ausländischen Gerichtsentscheidung zur Zwangsvollstreckung festgelegt.

Eine solche Entscheidung zur Zwangsvollstreckung kann innerhalb von drei Jahren ab dem Datum ihrer Rechtskraft in der Ukraine vorgelegt werden. Ausgenommen davon bleiben Entscheidungen über die Beitreibung von periodischen Zahlungen. Solche Entscheidungen können zur Zwangsvollstreckung innerhalb des ganzen Zeitraums des Vollstreckungsverfahrens zur Begleichung der Schulden für die letzten drei Jahre vorgelegt werden.

Nach der Regelung in Artikel 464 der ZPO wird die Frage über die Genehmigung für Zwangsvollstreckung der ausländischen Gerichtsentscheidung am Wohnsitz bzw. Sitz des Schuldners verhandelt. Verfügt der Schuldner über keinen Wohnsitz (Sitz) in der Ukraine oder ist sein Wohnsitz (Sitz) unbekannt, wird die Frage über die Genehmigung zur Zwangsvollstreckung der ausländischen Gerichtsentscheidung von einem Gericht am Ort des Vermögens des Schuldners in der Ukraine verhandelt.

Fortsetzung folgt (s. 2. Teil)



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