Die Erbschaft in der Ukraine. Wie können Kosten minimiert und Erben vor Streitigkeiten geschützt werden?

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Die Fälle, in denen der Erblasser, der seinen ständigen Wohnsitz in Deutschland hatte, Erbschaften in Deutschland und/oder in der Ukraine hinterlassen hat, sind beileibe keine Einzelfälle. Eine Erbschaft im Ausland geht sehr oft mit unvorhergesehenen Komplikationen beim Erwerb des Eigentums an der geerbten Immobilie einher, was für die Erben mehr Zeit und zusätzliche Kosten erfordert.


Um sich vor unvorhergesehenen Kosten zu schützen, empfehlen wir Ihnen, die folgenden rechtlichen und praktischen Momente mit einem Fachanwalt für Erbrecht zu besprechen und zu planen.


Von Anfang an muss man sich darüber im Klaren sein, dass der Tod des Erblassers den Zugriff auf Erbschaft in der Ukraine für mindestens 6 Monate, in den meisten Fällen sogar für einen längeren Zeitraum, einschränkt. Dies gilt ausnahmslos für sämtliches Vermögen. Die Erteilung einer Vollmacht kann hier nicht weiterhelfen, da das Recht der Ukraine im Gegensatz zur Gesetzgebung Deutschlands nicht die Möglichkeit der Erteilung einer Vollmacht für die Handlungen des Erben in Bezug auf das ererbte Vermögen im Falle des Todes des Erblassers voraussieht (postmortale oder transmortale Vollmacht).

Die Begründung der Gültigkeit einer zwar in Deutschland erteilten Vollmacht in der Ukraine ist auf der Grundlage von Art. 24 des Gesetzes der Ukraine „Über das IPR“ möglich, es wird jedoch ohne ein Gerichtsverfahren recht schwierig sein, die Bank und andere Institutionen zu überzeugen. Die Unmöglichkeit, über die Erbschaft, einschließlich der Guthaben auf Bankkonten, zu verfügen, bleibt bis zum Zeitpunkt des Erhalts des Erbscheins bestehen.

Daher muss sich der Erbe bei der Annahme, der Beurkundung und der Vornahme von weiteren Handlungen zur Verfügung über die Erbschaft nur auf seine Möglichkeiten verlassen.

Liegt eine Erbschaft mit ausländischem Anteil vor, ist es notwendig, die gebotene Möglichkeit zu nutzen und im Testament das einheitliche Recht festzulegen, das auf die Erbschaft des ganzen Vermögens sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine angewendet werden soll. Das Recht beider Länder bietet dem Erblasser eine solche Möglichkeit.

Durch die Festlegung des einheitlichen Erbrechts im Testament wird die Unveränderlichkeit der Anteile aller Erben an der Erbschaft sowie das gleiche Verteilungsverfahren sichergestellt und dadurch die Wahrscheinlichkeit eines Streits zwischen den Erben erheblich verringert.

Bei zwei oder mehreren Erben entsteht deren Erbengemeinschaft. Je weniger Erben sind in der Erbengemeinschaft, desto weniger Streitfragen entstehen zwischen ihnen. Es wäre jedoch besser, die Entstehung einer Erbengemeinschaft zu vermeiden. Hierzu wäre es sinnvoll, auf die bisherige Vermögensübertragung aufgrund eines Schenkungsvertrags, Erbvertrags, Testaments oder eines Vermächtnisses  zurückzugreifen.

Konnte die Erbengemeinschaft nicht vermieden werden, so ist durch das Testament die Aufteilung des geerbten Vermögens zwischen den Erben in Bruchteilen (1/2, 2/3 usw.) zu verhindern. Durch die Aufteilung des Erbes zwischen den Erben in Bruchteile wird nicht nur das gesamte Erbe zwischen den künftigen Miteigentümern, sondern auch die in der Erbschaft enthaltenen einzelnen Vermögensteile (Haus, Grundstück) in Anteile aufgeteilt.

Dies verringert den Wert solchen Vermögens, erschwert die künftige Ausübung der Rechte durch die Erben (ein Anteil an der Immobilie ist in der Regel schwieriger zu verkaufen oder zu vermieten) und die Kosten für die Registrierung werden wesentlich erhöht.


Sollte es auch nicht möglich sein, die Bruchteilung der Erbschaft zu verhindern, ist es ratsam, die Möglichkeit in Betracht zu ziehen, dass die Erben ihre Anteile an der Erbschaft in der Ukraine an einen von ihnen verkaufen, bevor die Erklärung der Erben auf Annahme der Erbschaft an einen ukrainischen Notar gerichtet wird.


Ein solcher Verzicht auf Erbschaft gegen Abfindungszahlung durch einen Erben zugunsten eines anderen ist nach dem deutschen Recht möglich. Es geht um Verkauf der gesamten Erbschaft bzw. des gesamten Erbanteils, wenn es mehr als einen Erben gibt. Dies wird sowohl die Gesamtkosten der Erben reduzieren als auch den Prozess der Erbschaftsregistrierung in der Ukraine erheblich beschleunigen.

Wie man in der Ukraine eine Erbschaft annehmen kann und welche Unterlagen dafür erforderlich sind, s. Rechtstipps «Wie es richtig ist, eine Erbschaft in der Ukraine anzunehmen oder abzulehnen»: https://www.anwalt.de/rechtstipps/wie-es-richtig-ist-eine-erbschaft-in-der-ukraine-anzunehmen-oder-abzulehnen_183042.html


Die Möglichkeit, einen Anteil vor der Annahme einer Erbschaft in der Ukraine zu verkaufen, ist besonders aktuell, wenn der Erblasser bereits ein Testament verfasst hat. Denn in diesem Fall ist eine Umverteilung der Erbschaft nach deren Annahme durch die Erben in der Ukraine nicht möglich.


Wenn kein Testament errichtet wurde, haben die Erben nach der gesetzlichen Annahme der Erbschaft das Recht, in der Ukraine einen notariellen Vertrag über die Umverteilung der Erbschaft zwischen ihnen durch Änderung ihrer Anteile abzuschließen. Dies ermöglicht, die Kosten zu minimieren und die Aufteilung einzelner Vermögensgegenstände in Anteile zu vermeiden (dies ist vor allem für Immobilien aktuell).


Es ist auch zu berücksichtigen, dass der Status des von Ehegatten in der Ehe erworbenen Vermögens im Recht der Bundesrepublik Deutschland und im Recht der Ukraine unterschiedlich geregelt ist.


Allerdings beziehen sich die Kollisionsnormen beider Staaten, die festlegen, welches Recht zur Bestimmung des Güterstands  der Ehegatten anzuwenden ist und daher bei der Verteilung der Erbschaft zu berücksichtigen ist, auf das Recht des Landes, dessen Staatsangehörigkeit die Ehegatten besitzen, oder deren letzter Wohnsitz (Art. 14, 15 EG BGB, Art. 60 des Gesetzes der Ukraine „Über das IPR“). Diese Besonderheit wird häufig nicht nur von den Erben selbst, sondern auch von ihren Anwälten übersehen, was sich auf die ordnungsgemäße Verteilung des Eigentums zwischen den Erben auswirken kann.


Bei der Erbschaftsplanung in der Ukraine sind auch steuerrechtliche Regelungen zu berücksichtigen, insbesondere die Tatsache, dass das internationale Abkommen zwischen Deutschland und der Ukraine zur Vermeidung der Doppelbesteuerung beim Erwerb von Immobilien durch Erbschaft nicht abgeschlossen wurde. Daher ist die Gefahr einer Doppelbesteuerung der Erbschaft wahrscheinlicher. Wie man dies rechtlich vermeiden kann, sollte ebenfalls mit einem Anwalt besprochen werden.


Ein in Deutschland errichtetes öffentliches Testament oder ein Erbvertrag ist hinsichtlich seiner notariellen Form und den allgemeinen rechtlichen Regelungen identisch mit einem Testament und einem Erbvertrag in der Ukraine. Da sie auch in der Ukraine gültig sind, müssen sie gesamt mit dem Antrag auf Annahme der Erbschaft an den ukrainischen Notar gerichtet werden.


Abschließend rate ich Ihnen, darauf zu achten, dass es sehr schwierig ist, die versäumte 6-monatige Frist für die Annahme einer Erbschaft in der Ukraine zu erneuern, da die Liste der wichtigen Gründe für deren Erneuerung gesetzlich beschränkt ist. Zu diesen Grundlagen gehören keine Gründe wie fehlende Informationen über die Eröffnung der Erbschaft oder fehlende Zeit des Erben für die Vorbereitung der Dokumente.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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