ANOM und kein Ende in Sicht, aber ein Lichtblick

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Wir verteidigen tagtäglich bundesweit in umfangreichen Betäubungsmittelverfahren. Sehr häufig ergibt sich inzwischen ein Bezug zu verschlüsselten Kommunikationsformen. Zu nennen sind hier insbesondere Encro-Chat, SkyECC, ANOM und Co.

In den letzten Jahren war häufiges Streitthema die Verwertung von Erkenntnissen aus dem Bereich des EncroChats. 

Zur Erinnerung:

Das Unternehmen EncroChat hatte seinen Nutzern eigene Mobiltelefone mit einer besonderen Softwareausstattung auf Androidbasis angeboten, welche angeblich nicht zu überwachende Chat und andere Funktionen  ermöglichte. 

Auf der Grundlage von richterlichen Beschlüssen in Frankreich wurden die EncroChat-Server Anfang 2020 von den französischen Behörden zunächst infiltriert und dann gehackt.

Dieses Informationen wurden an die deutschen Ermittlungsbehörden weitergeleitet und auf dieser Grundlage mehrere tauend Ermittlungsverfahren gegen die Nutzer in Deutschland eingeleitet.

Die Rechtssprechung war erst uneinheitlich, jedoch kristallisierte sich eine Verwendbarkeit der so gewonnenen Daten auch in deutschen Ermittlungsverfahren heraus.

Zuletzt hat das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde nicht angenommen, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen. Es steht damit eine Entscheidung dieses Gerichts noch aus, aber es ist zu befürchten, dass die Verwertbarkeit bestätigt wird, da es sich um richterliche Beschlüsse eines EU-Staats handelt, welche dort rechtmäßig ergangen sind. 

Eine vergleichbare Lage entwickelte sich bei dem Kommunikationsdienst SkyECC im Februar 2021. Auch dort gelang es europäischen Behörden das System zu unterwandern und für sich nutzbar zu machen. Hierbei soll die erlangte Datenmenge jedoch deutlich größer sein.

Verwertbarkeit von Daten aus ANOM

Völlig anders verhält es sich mit den Verfahren im Zusammenhang mit ANOM, was die Verteidigung in diesen Verfahren deutlich interessanter gestaltet. 

Hierbei handelt es sich um eine durch das FBI und der australischen Bundespolizei entwickelten Verschlüsselungs-App. Alleine dieses Vorgehen löst bei deutschen Strafverteidigern größtes Unwohlsein und damit erhebliche Bedenken an der Verwertbarkeit solcher Daten aus. Über eine Hintertür wurden durch die App Informationen an die Ermittlungsbehörden live weitergegeben.

Die Rechtsprechung zu diesen Verfahren ist in der Bundesrepublik aktuell völlig uneinheitlich. Wir sehen und erleben unterschiedliche Rechtsansichten der Gerichte zur Frage der Verwertbarkeit dieser Daten.

Es haben sich nunmehr jedoch einige Obergerichte der Auffassung angeschlossen, dass diese Daten aus den abgegriffenen ANOM-Chats nicht verwertbar sind. 

Zur Begründung wird die mangelnde Überprüfbarkeit der Daten in den Vordergrund gestellt. Zuletzt hat das OLG München im Beschluss vom 19.10.2023 – 1 Ws 525/23 die Unverwertbarkeit festgestellt. 

In dem ursprünglichen Verfahren des Landgerichts Memmingen ging es um größere Mengen Kokain und Marihuana im Kilobereich. Teile der Vorwürfe lassen sich lediglich aus dem angeblichen ANOM-Chat belegen. Das OLG moniert, dass das FBI keine weiteren Informationen für die Aufarbeitung des Rechtsweg zur Verfügung stellt. Eine Aufklärung sei damit nicht weiter möglich und die Daten aus dem ANOM-Chat nicht verwertbar. 

Diese Entscheidung ist ein Lichtblick für die Verteidigung in den ANOM-Verfahren, aber sicherlich auch bei weiteren kryptographischen Dienstanbietern. Auch ist das OLG München nicht allein mit der Rechtsansicht, was bei einer durchdachten Verteidigung zu erheblichen Erfolgen führen kann.


Sollte Ihnen ein Delikt im Zusammenhang mit ANOM oder einem anderen Dienst vorgeworfen werden, so wenden Sie sich unmittelbar an uns.

Sie erreichen uns unter 0201/310 460 0 oder schreiben Sie mir direkt eine Email an mail@rechtsanwalt-scharrmann.de.




Foto(s): mail@rechtsanwalt-scharrmann.de

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