Anwälte wittern großes Geschäft mit VW-Klagen

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Staatsanwälte ermitteln wegen Betrugsverdachts, Aktionäre wollen vor Gericht Kursverluste ersetzt bekommen, manche Autofahrer hoffen auf Schadensersatz: Die Abgas-Affäre bei VW hat eine juristische Dimension, die nicht nur die Rechtsabteilung des Autobauers auf Jahre hinaus beschäftigen wird. Anwälte wittern längst das große Geschäft. Einige Kanzleien geben zehntausende von Euro allein für Internet-Werbung aus oder sichern sich Web-Adressen rund um die Begriffe VW und Schadensersatz. VW hatte eingeräumt, Dieselabgaswerte millionenfach manipuliert zu haben.

Kanzleien gehen neue Bündnisse ein

Um möglichst viele Mandanten unter Vertrag zu nehmen, gehen sogar ansonsten getrennt agierende Kanzleien neue Bündnisse ein. So wollen etwa Juristen aus Düsseldorf und Berlin mit einer niederländischen Stiftung mögliche Ansprüche von Aktionären und Fahrzeugbesitzern aus ganz Europa bündeln. Die Stiftung hofft, mit Volkswagen für ihre Mitglieder eine außergerichtliche Einigung zu erzielen – und das Geld aufzuteilen. Ob VW zu solchen Gesprächen bereit sein wird, ist offen. „Der Autokonzern sollte Interesse an einer gütlichen Einigung haben“, sagt ein Anwalt. Er müsste sonst befürchten, dass es zu einer Flut von Prozessen in Deutschland kommt.

Immer mehr VW-Kunden wollen Wertverlust ihres Kfz geltend machen

Vor Gericht dürfte es für VW-Kunden aber schwer werden. Sammelklagen, wie in den USA, kennt das deutsche Recht nicht. Jeder Autofahrer, der glaubt, einen Schaden erlitten zu haben, muss diesen dokumentieren, beweisen und dann geltend machen – der Schaden könnte der Wertverlust des Autos sein. Das allerdings zu beweisen, ist kompliziert. „Das ist sehr schwierig, deswegen hoffen wir auf eine Einigung mit VW“, sagt ein weiterer Anwalt. Bei den Mandanten handelt es sich vor allem um Autobesitzer, die um den Wert ihres Autos fürchteten – gerade im Hinblick auf einen baldigen Verkauf. Alle Anwälte hoffen, VW zu Gesprächen und am Ende zu einer pauschalen Lösung zu bringen, ohne dass jeder VW-Kunde selbst aktiv werden muss.

VW hat zunächst Recht auf Mängelbeseitigung

Für Autobesitzer ist der Gang zu Gericht zunächst überflüssig, sagen Verbraucherschützer und Rechtsschutzversicherer. „Für Klagen ist es definitiv noch zu früh“, meint auch die Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltsvereins. Zunächst hat laut Gesetz VW die Möglichkeit, die Mängel zu beheben. „Erst wenn diese Mängelbeseitigung scheitert, kommen weitere rechtliche Möglichkeiten in Betracht“, erklärt ein Sprecher einer Rechtsschutzversicherung. Da unterscheidet sich der Mangel an einem VW Golf nicht von einem kaputten Wasserkocher oder Fernseher.

Im Moment nur Klärung möglicher Verjährungsfristen

Verbraucherschützer sehen die Aktivitäten der Rechtsanwaltskanzleien – bei aller Sorge um die Rechte der Autobesitzer – nicht unkritisch. Auch bei den Rechtsschutzversicherern betrachtet man die Werbung mit Unbehagen. „Ob und inwieweit die Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Verkäufer tatsächlich bestehen, kann jedoch noch nicht abschließend beurteilt werden“, sagt die Verbraucherzentrale NRW. Im Moment gehe es daher nur um die Klärung möglicher Verjährungsfristen. In der Regel verjährten die Mängelgewährleistungsrechte der betroffenen Verbraucher zwei Jahre nach dem Autokauf. Es sei aber auch möglich, dass die Verkäufer die Frist auf ein Jahr herabgesetzt haben. Um Risiken auszuschließen, sollten Käufer den Verkäufer bitten, auf die so genannte Einrede der Verjährung zu verzichten. Während Kanzleien dafür oft Honorar verlangen, stellen Verbraucherzentralen den Musterbrief auch längst kostenlos zur Verfügung. Zumindest hier ist die Erfolgschance höher: VW sagte zu, bis Ende 2016 nicht auf die Einhaltung von Verjährungsfristen zu bestehen. „Deshalb entstehen VW-Kunden durch Zuwarten keine Nachteile“, sagte ein Sprecher.

Neue Mängel nach Nachbesserung nicht ausgeschlossen

Auch der wissenschaftliche Dienst des Bundestages geht davon aus, dass – zumindest bezogen auf den konkreten Mangel – VW das Thema mit einer Nachbesserung aus der Welt schaffen kann. Funktioniere das Auto nach der Rückrufaktion wie vorgeschrieben, „dürfte bezogen auf den konkreten Mangel eine wirksame Nachbesserung vorliegen“.

Spannender dürfte es werden, falls das Auto nach der Aktion etwa weniger Leistung hat oder mehr Sprit verbraucht. Dann könnte sich die Frage stellen, ob das neue Mängel sind. „Dies kann nur im Einzelfall beurteilt werden“, heißt es in einem Gutachten des Dienstes für die Grünen im Bundestag. „In Bezug auf die technischen Maßnahmen im Rahmen der Nachbesserung hinsichtlich der NOx-Thematik ist es unter Ziel, dass sich die CO/2- und Verbrauchsangaben sowie die Performance der Fahrzeuge nicht ändern werden“, sagte dazu ein VW-Sprecher. Bisher ist unklar, was VW wann bei welchen Fahrzeugen machen wird.

Aktionäre müssen sich auf lange Verfahren einstellen

Anders ist es bei Aktionären, die sich von VW schlecht informiert fühlen – den Konzern wegen herber Kursverluste in Regress nehmen wollen. Hier liegen etliche Klagen beim Landgericht Braunschweig vor. Zwar gibt es über das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz die Möglichkeit, Klagen zu bündeln. Doch bis zum Ende eines solchen Verfahrens dürfte es viele Jahre dauern – denn am Ende muss jede einzelne Klage vor dem Landgericht zu Ende verhandelt werden.

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