Anzeige wegen sexueller Belästigung erhalten – was tun?

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Besonders problematisch an Sexual- und Beziehungsdelikten, wie z.B. der sexuellen Belästigung, ist, dass es hierbei meistens keine Zeugen gibt. Das Geschehen spielt sich in der Regel nur zwischen 2 Personen ab, sei es dass der Betroffene seiner Arbeitskollegin an den Hintern fast oder eine Frau vergewaltigt. 

Bei diesen klassischen Aussage-gegen-Aussage-Delikten ist der Beschuldigte dringend gehalten, keine Angaben gegenüber der Polizei zu machen, unabhängig davon, ob der Tatvorwurf zutrifft oder nicht. Die Gerichte zeigen immer mehr die erschreckende Tendenz, den Frauen häufig Glauben zu schenken und die Angaben des Mannes als Schutzbehauptung abzutun. 

Wie sich der Beschuldigte einer sexuellen Belästigung am besten verhält, nachdem er von der Strafanzeige gegen sich erfahren hat, zeigt der nachfolgende Beitrag auf.  


Reformen im Sexualstrafrecht verschärfen die Strafen 

Das Gesetz zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom November 2016 hat einige Neuerungen im Sexualstrafrecht gebracht. Neben einer Verschärfung der Regelungen zur Vergewaltigung nach § 177 StGB wurde der § 184i StGB – sexuelle Belästigung – neu ins Gesetz aufgenommen. Anders als der sexuelle Missbrauch und die sexuelle Nötigung war die sexuelle Belästigung in Deutschland bis dahin nicht ausdrücklich strafbar. Diese Lücke wurde nun über den Straftatbestand der sexuellen Belästigung in § 184i StGB geschlossen.


Vorladung als Beschuldigter wegen sexueller Belästigung erhalten.

Wenn der Betroffene eine Vorladung von der Polizei als Beschuldigter wegen einer sexuellen Belästigung erhält, sollte er keine Angaben zum Tatvorwurf machen. Als Beschuldigter muss er der Vorladung der Polizei keine Folge leisten und damit auch nicht zum Vernehmungstermin erscheinen. Er darf von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen und zum Tatvorwurf schweigen.

Das Recht zu Schweigen besteht im gesamten Strafverfahren. Beginnend von der Vernehmung bei der Polizei, der Staatsanwaltschaft bis zu der Aussage vor den Gerichten. Denn gerade bei sog. Aussage gegen Aussage Delikten ist die Beweiswürdigung oft besonders schwierig. Daher ist es umso wichtiger, dass man seine Position im Strafverfahren nicht durch vorschnelle Angaben schwächt oder gar verschlechtert.

Bei einem klassischen Aussage gegen Aussage Delikte ist das einzige Beweismittel die Person, die sexuell belästigt worden sein soll. Eine Verurteilung kann nur auf deren Aussage gestützt werden. Anders ist dies dann, wenn die sexuelle Belästigung in der Öffentlichkeit stattfand, weil z.B. ein Mann einer Frau in der Discothek an den Hintern oder Busen gefasst hat. Hier wird es in der Regel Zeugen geben, die ebenfalls als Beweismittel in Betracht kommen. Dann liegt aber keine klassische Aussage gegen Aussage Situation vor.

Gehen wir zunächst von einer klassischen Aussage gegen Aussage Situation aus. Das Gericht kann eine Verurteilung lediglich auf die Aussage der Frau stützen. Wenn die Frau dem vermeintlichen Täter bis zur Tat unbekannt war und diese auch widerspruchsfrei bei der Polizei und vor Gericht aussagt, ist das Risiko, dass der Beschuldigte verurteilt wird, extrem hoch. Dies liegt daran, dass sich das Gericht die Frage stellt, weshalb eine fremde Person ohne jeden Grund einen ihr bisher unbekannten Mann anzeigen sollte. Anders ist dies bei Beziehungsdelikten gelagert. Hier kann es Streitigkeiten, Eifersucht oder andere Motive für eine Strafanzeige geben.

Äußert sich der Beschuldigte nun bei der Polizei, ohne zu wissen, was die Frau ausgesagt hat, wird seine Aussage mit hoher Wahrscheinlichkeit im Widerspruch zur Aussage der Frau stehen. In der Regel wird man ihm weniger Glauben schenken, da er als Beschuldigter die Unwahrheit sagen darf und ein Zeuge zur Wahrheit verpflichtet ist.

Gibt es hingegen keine Aussage des Mannes, muss die Aussage der Frau auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Dies ist für das Gericht häufig schwieriger, als wenn es auch eine Aussage des Mannes vorliegen hat. Äußert sich der Mann hingegen mehrfach, z.B. bei der Polizei und auch vor Gericht, und finden sich Widersprüche in seinen Aussagen, wird man ihn nicht glauben.

Bei Sexualdelikten kann eine Verteidigungsstrategie auch so aussehen, dass ein Mann die Schilderungen der Frau bestätigt und sagt, dass das gesamte Geschehen im Einvernehmen mit der Frau stattgefunden hat. Dann wird es auch für einen Sachverständigen ganz schwierig, zu beurteilen, ob die Aussagen der Frau erlebnisbasierend sind oder nicht, da sich die Aussagen des Mannes und der Frau komplett gleichen und nur in einem Punkt voneinander abweichen. Sie sagt, dass sich das Geschehen gegen ihren Willen abgespielt hat. Er sagt, dass sie damit einverstanden war.

Damit ein Strafverteidiger die richtige Verteidigungsstrategie auswählen kann, ist es von äußerster Wichtigkeit, dass sich der Betroffene bei einem Sexualdelikt nicht gegenüber der Polizei zum Tatvorwurf äußert und sich noch im Ermittlungsverfahren an einen Strafverteidiger wendet, der in Sexualdelikten erfahren ist.

Dieser wird Akteneinsicht beantragen, um einen Überblick über die Einzelheiten des angezeigten Sachverhaltes zu erlangen. Danach erarbeitet er mit dem Beschuldigten die passende Strategie.


Der Straftatbestand des § 184i StGB

Der Straftatbestand der sexuellen Belästigung ist in § 184i StGB geregelt: Der Täter berührt eine andere Person in sexuell bestimmter Weise und belästigt sie dadurch. Hierunter fallen also auch solche Handlungen, die umgangssprachlich als “Grapschen” bezeichnet werden.

Die sexuelle Belästigung nach § 184i StGB setzt immer eine Berührung voraus. Tatsächlich ist der Wortlaut der Vorschrift eindeutig nur auf Handlungen mit Körperkontakt bezogen. Voraussetzung für eine Strafbarkeit wegen sexueller Belästigung ist also, dass eine körperliche Berührung stattgefunden hat, wobei auch ein Gegenstand verwendet werden kann. Rein verbale Belästigungen oder Äußerungen fallen hingegen nicht unter den Tatbestand der sexuellen Belästigung.

Verbale Belästigungen sind deswegen aber nicht automatisch straffrei. Vielmehr können mündliche Übergriffe mit sexuellem Inhalt durchaus strafrechtlich relevant sein. Allerdings ist auch nach der Strafrechtsreform eine solch sexuelle Belästigung ohne körperliche Berührung nur strafbar, wenn sie eine Beleidigung (§ 185 StGB) darstellt, also die andere Person durch eine ehrverletzende Erklärung – wörtlich oder durch schlüssiges Handeln – herabgewürdigt wird.

Die körperliche Berührung muss laut Straftatbestand in „sexuell bestimmter Weise“ erfolgen. Eine Berührung kann sowohl objektiv als auch subjektiv sexuell bestimmt sein.

Der objektive Charakter bemisst sich nach dem äußeren Erscheinungsbild, etwa das Berühren der Intimregion.

Eine subjektiv sexuelle Handlung meint eine solche, die im Gesamtkontext nach den Umständen des Einzelfalls sexuell geprägt ist. Nach der Gesetzesbegründung ist der Körperkontakt sexuell bestimmt, wenn der Täter hierbei sexuell motiviert handelt. Dies liegt nahe bei solchen Handlungen, die typischerweise eine Intimität zwischen den Beteiligten voraussetzen und die außerhalb bestehender intimer Beziehungen sozial offensichtlich unüblich sind.

Beispiele hierfür sind:

  • aufgedrängte Küsse auf den Mund oder den Hals,
  • aufgedrängte Umarmungen,
  • Fassen in den Schritt oder an die Brust
  • oder auch ein Klaps auf den Po.

Klapse auf den Po oder Berührungen in dieser Region finden gerade im Bereich des Sports häufig statt. Skilehrer fassen teilweise den Schülern an den Hintern, um diese nach vorne zu schieben und zum Losfahren zu animieren oder um eine Technik vorzuführen. Aufgrund der Einführung des § 184i StGB wird hier Vorsicht geboten sein.

Sexuell“ ist die Belästigung dabei immer dann, wenn die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers berührt wird. Grundsätzlich ist es Ausdruck der sexuellen Selbstbestimmung, derartige Handlungen zuzulassen oder abzulehnen. In diese greift der Täter durch die belästigende Handlung ein.

Keine sexuelle Belästigung liegt dagegen vor, wenn der Handelnde beispielsweise durch ein Hindernis ins Stolpern gerät und dabei unabsichtlich dem vermeintlichen Opfer in die Arme fällt. So werden vom Tatbestand Fälle, in denen es lediglich zu einer versehentlichen Berührung kommt, nicht erfasst.

Nicht immer aber ist die Abgrenzung so einfach. Wie die obige Aufzählung schon erahnen lässt, wird es Grenzfälle geben, bei denen von außen betrachtet kaum zwischen einem unbeholfenen Annäherungsversuch und einem absichtlichen „Zunahetreten“ unterschieden werden kann. Nicht jeder Flirtversuch oder körperliche Annäherung mit dem Ziel, bei der anderen Person landen zu können, stellt eine Belästigung dar.

Ob die andere Person durch die Berührung belästigt wird, bestimmt sich nicht nach objektiven Kriterien. Entscheidend ist hierbei das Empfinden des Opfers, welches sich durch die Handlung tatsächlich belästigt fühlen muss. Dieses muss sich unmittelbar durch die Handlung in seinem Wohlbefinden und seinem Unabhängigkeitsgefühl gestört fühlen. Die Berührung muss also unerwünscht sein. An einer Belästigung fehlt es jedenfalls, wenn die betroffene Person einwilligt oder der Vorgang bei ihr nur Interesse, Verwunderung oder Vergnügen auslöst.

Strafbar ist die sexuelle Belästigung nur, wenn der Handelnde Vorsatz hat. Er muss zumindest billigend in Kauf nehmen, die andere Person in sexueller Weise zu berühren und sie dadurch zu belästigen.

Geht der Handelnde irrig davon aus, sein Gegenüber würde die Berührung wollen, handelt er zunächst nicht vorsätzlich. Eine Strafbarkeit scheidet auch dann aus, wenn eine wirksame Einwilligung oder keine Belästigung des Opfers vorliegt.


Die zu erwartende Strafe

Ist der Straftatbestand nach Auffassung des Gerichts tatsächlich erfüllt, reicht der Strafrahmen der sexuellen Belästigung je nach Einzelfall von einer Geldstrafe bis hin zu einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. In besonders schweren Fällen ist eine Freiheitsstrafe sogar bis zu fünf Jahren möglich.

Eine Straftat nach 184i StGB verjährt nach fünf Jahren. Innerhalb dieses Zeitraumes können entsprechende Vergehen zur Anzeige gebracht und strafrechtlich verfolgt werden.

Wichtig:

Die sexuelle Belästigung wird nach § 184i StGB nur auf Antrag verfolgt, außer die Strafverfolgungsbehörde hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten. Denn die Vorschrift berührt in erster Linie die Intimsphäre und den Privatbereich des Opfers. Die Frage der Verfolgung der Straftat hängt daher vorrangig von der Entscheidung des Opfers ab.

Es bestehen im Ermittlungsverfahren gute Chancen, das Strafverfahren zur Einstellung zu bringen, wenn sich der Betroffene rechtzeitig an einen Strafverteidiger wendet und keine Angaben bei der Polizei macht.

Auch in ganz eindeutigen Fällen, bei denen der Beschuldigte die Tathandlung eingesteht oder es mehrere Zeugen gibt, lässt sich über einen Täter-Opfer-Ausgleich häufig eine Verurteilung vermeiden. Dies ist auch dann noch möglich, wenn bereits ein Strafbefehl ergangen ist. Gegen diesen muss aber rechtzeitig Einspruch eingelegt werden.


Zusammenfassung

Beim Straftatbestand der sexuellen Belästigung ist maßgeblich, ob der Beschuldigte die andere Person tatsächlich sexuell motiviert körperlich berühren wollte und ihm die sexuelle Bedeutung seines Handelns bewusst war.

Dies ist umso mehr relevant, wenn der Täter irrig annehmen durfte, dass das Opfer den Körperkontakt beispielsweise als Kompliment auffassen würde. Denn dann liegt kein Vorsatz vor.

Ähnliches gilt für die Frage der Belästigung, da es auch hier in erster Linie um das jeweilige Empfinden der betroffenen Person geht. Auch hier ergeben sich viele Fragen für den Einzelfall, da Menschen sich durch jedes beliebige Verhalten belästigt fühlen können.

Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Die Einzelheiten müssen detailliert herausgearbeitet werden und der Einzelfall kritisch beleuchtet werden. Denn gerade im Sexualstrafverfahren, welches oft begleitet wird von Beweisproblemen und zahlreichen Rechtsfragen, ist es äußerst wichtig, sich frühzeitig von einem erfahrenen Anwalt für Sexualstrafrecht beraten und vertreten zu lassen, um nicht durch voreilige Aussagen oder gar vorschnelles Handeln seine Position zu verschlechtern. Denn ein Schuldspruch kann weitreichende Konsequenzen auch im beruflichen oder privaten Bereich nach sich ziehen.

Rechtliche Hinweise

Sämtliche Informationen in unseren Rechtstipps dienen ausschließlich allgemeinen Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine Beratung durch einen Anwalt nicht ersetzen. Es kommt stets auf die Umstände des Einzelfalls an. Bereits durch kleine Änderungen beim Sachverhalt kann sich die rechtliche Einschätzung vollständig ändern. Außerdem ändert sich ggf. die Rechtslage, so dass die Inhalte u.U. veraltet sein können.

Wenn Sie konkreten Beratungsbedarf haben, kontaktieren Sie uns gerne. 

Rechtsanwaltskanzlei Dipl. Jur. Stefanie Lindner, Passau

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