Cannabis Legalisierung § 13a FeV – Erstverstoß THC – Führerschein behalten, ohne MPU und ohne ärztliches Gutachten

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Der neue § 13a Fahrerlaubnisverordnung (FeV) kann die Rettung für viele Cannabiskonsumenten sein, die erstmalig mit THC am Steuer erwischt wurden und zur Abgabe eines ärztlichen Gutachtens oder MPU aufgefordert wurden. Gleiches gilt für Betroffene, denen aufgrund des THC-Konsums im Straßenverkehr die Fahrerlaubnis entzogen wurde, weil sie der Aufforderung der Führerscheinstelle ein ärztliches Gutachten vorzulegen oder eine MPU zu absolvieren nicht nachgekommen sind oder diese nicht bestanden haben.

1. Wichtig: Es handelt sich um einen Erstverstoß mit THC im Straßenverkehr.

Damit der betroffene Cannabiskonsument von § 13a FeV profitiert, ist es wichtig, dass es sich um einen einmaligen Verstoß handelt, d.h. er wurde nur ein einziges Mal im Straßenverkehr aufgehalten, kontrolliert und war positiv auf THC (1ng/ml THC oder mehr). Wiederholungstäter profitieren von der Gesetzesänderung nicht .
 
Wichtig ist zudem, dass der Führerscheinstelle sonst keine Hinweise über den Cannabiskonsum des Betroffenen vorliegen, der auf einen Missbrauch oder eine Abhängigkeit hindeuten könnte.
 
Die Blutwerte, die bei diesem Erstverstoß festgestellt wurden, sind ebenfalls maßgeblich. Hier werden die Führerscheinstellen vor allem auf den Abbauwert, den sog. THC-COOH Wert schauen. Bei welchen Werten die Führerscheinstellen von einem Missbrauch von Cannabis ausgehen werden, ist noch nicht bekannt. Lag der THC-COOH-Wert unter 150ng/ml, wird wahrscheinlich kein Missbrauch angenommen werden können, denn nach der bisherigen Rechtslage wurde von den Führerscheinstellen gemäß der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte ab einem THC-COOH Wert von 100ng/ml gelegentlicher Konsum angenommen und ab einen Wert von 150ng/ml regelmäßiger Konsum. Bei einem gelegentlichen Konsum wird man noch nicht von Missbrauch sprechen können. Ab welchen Werten allerdings die Führerscheinstellen tatsächlich von einem Missbrauch ausgehen werden, ist derzeit noch nicht abzusehen und wird von den jeweiligen Führerscheinstellen auch zumindest derzeit noch unterschiedlich gehandhabt. Hier wird man abwarten müssen, wie sich die Praxis der Führerscheinstellen entwickelt.
 
Ob und inwieweit die Führerscheinstellen auf den aktiven THC-Wert schauen werden, wird sich zeigen.
 
Liegt kein Missbrauch vor, dürfen die Führerscheinstellen keine MPU oder ärztliche Gutachten anordnen und die Fahrerlaubnis nicht entziehen. Sollte die Fahrerlaubnis bereits entzogen sein, ist diese den Betroffenen auch ohne MPU oder ärztlichem Gutachten wieder zu erteilen.

2. Welche Möglichkeiten haben Betroffene nach einem Erstverstoß mit THC im Straßenverkehr?

Dies hängt davon ab, in welchem Verfahrensstadium sich der Betroffene befindet, insbesondere ob er noch im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist oder diese bereits entzogen wurde.

a) Der Betroffene ist noch im Besitz seiner Fahrerlaubnis bzw. seines Führerscheins, wurde aber aufgefordert, eine MPU oder ein ärztliches Gutachten vorzulegen.

Aktuell haben tausende Betroffene bereits Termine bei den Begutachtungsstellen für das ärztliche Gutachten oder die MPU vereinbart und wissen aktuell nicht, ob sie die Termine bei den Begutachtungsstellen wahrnehmen sollen. Die Führerscheinstellen sind aktuell meist auch überfordert und wissen nicht, wie der neue § 13a FeV anzuwenden ist. Da aufgrund der Gesetzesänderung für die Anordnung eines ärztlichen Gutachtens oder einer MPU, ein Missbrauch oder eine Abhängigkeit erforderlich ist, werden Betroffene bei einem Erstverstoß gute Chancen haben, dass die Anordnungen von der Führerscheinstelle aufgehoben werden, d.h. der Betroffene behält seinen Führerschein, ohne eine MPU oder ein ärztliches Gutachten vorzulegen.
 
Dies wird wahrscheinlich auch dann der Fall sein, wenn die Führerscheinstelle die Entziehung der Fahrerlaubnis bereits angedroht hat, weil der Betroffene das Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt hat. Hier sollte der Betroffene aber zügig reagieren, um die Entziehung zu verhindern.
 
Wichtig ist aber immer, dass es sich um einen Erstverstoß handelt, die Blutwerte nicht auf einen Missbrauch von THC hinweisen und die Führerscheinstelle sonst keine Anhaltspunkte für Missbrauch oder Abhängigkeit hat.


b) Der Betroffene hat die MPU oder das ärztliche Gutachten nicht vorgelegt, die Fahrerlaubnis wurde entzogen, Widerspruch wurde eingelegt oder Klage erhoben. Das Verfahren läuft noch.
Wenn der Betroffene der Anordnung der Führerscheinstelle nicht nachgekommen ist und das angeforderte Gutachten nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt hat, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis entzogen. Gegen diese ist der Betroffene mittels Widerspruch oder Klage vorgegangen. Die Fristen laufen noch. Über das Verfahren ist nicht rechtskräftig entschieden.
 
Hat der Betroffene Widerspruch eingelegt, muss die Fahrerlaubnisbehörde die neue Rechtslage, also § 13a FeV, berücksichtigen und wird dem Widerspruch abhelfen, sofern es sich um einen einmaligen Verstoß handelt und die weiteren Voraussetzungen vorliegen, siehe oben. D. h., dass die Fahrerlaubnisentziehung rückgängig gemacht wird. Der Betroffene bekommt also seinen Führerschein zurück.
 
Sollte sich das Verfahren vor einem Verwaltungsgericht befinden, weil der Betroffene Klage erhoben hat, wird das Gericht voraussichtlich im Sinne des Betroffenen entscheiden, da auch das Gericht die Gesetzesänderung berücksichtigen muss.

c) Dem Betroffenen wurde die Fahrerlaubnis bereits entzogen, weil er die angeforderten Gutachten nicht vorgelegt hat. Widerspruch oder Klage wurden nicht erhoben.

Der Betroffene ist ohne Führerschein und Fahrerlaubnis, weil ihm die Fahrerlaubnis von der Fahrerlaubnisbehörde/Führerscheinstelle in der Vergangenheit entzogen wurde. Dagegen hat er keinen Widerspruch eingelegt und auch keine Klage erhoben bzw. war beides nicht erfolgreich, d.h. es existiert kein laufendes Verfahren. Der Betroffene möchte aber eine neue Fahrerlaubnis beantragen. Bisher scheiterte dies daran, dass die Führerscheinstelle eine MPU oder ein ärztliches Gutachten forderte. Der Betroffene wollte bzw. konnte das geforderte Gutachten nicht vorlegen, weil das Gutachten negativ ausfiel, er die Abstinenz nicht nachweisen konnte oder kein Geld hatte.
 
Wenn nun nach der Gesetzesänderung im Rahmen der Cannabislegalisierung eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis beantragt wird, wird die Führerscheinstelle wahrscheinlich bei einem Erstverstoß keine MPU und kein ärztliches Gutachten mehr fordern dürfen. Der Betroffene bekommt dann folglich seine Fahrerlaubnis und seinen Führerschein ohne diese Gutachten zurück.
 
Aktuell stellen die Fahrerlaubnisbehörden häufig die Anträge auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurück, weil sie unsicher sind, wie sich die Gesetzesänderung auswirkt und wie diese umzusetzen ist.
 
Voraussetzung ist aber immer, dass der Betroffene einmalig mit THC am Steuer erwischt wurde und die Führerscheinstelle keinerlei Nachweise dafür hat, dass ein Cannabismissbrauch oder eine Cannabisabhängigkeit vorliegt. Die Blutwerte, die im Rahmen der Verkehrskontrolle abgenommen wurden, dürfen ebenfalls nicht darauf hindeuten. Hier wird der THC-COOH Wert maßgeblich sein.


Prognose

Aktuell ist noch nicht sicher abzusehen, wie die Führerscheinstellen den neuen § 13a FeV umsetzen werden. Maßgeblich wird es darauf ankommen, ab wann ein Missbrauch anzunehmen ist. Meines Erachtens bestehen für Betroffene aufgrund der Gesetzesänderung im Rahmen der Legalisierung sehr gute Chancen, die Fahrerlaubnis zu behalten, auch ohne MPU oder ärztlichem Gutachten oder eine entzogene Fahrerlaubnis zurück zu erhalten.
 
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