Arbeitsgericht bestätigt fristlose Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei Amazon

  • 3 Minuten Lesezeit

fristlose Kündigung von Betriebsratsmitgliedern bei Amazon laut Arbeitsgericht zulässig

In letzter Zeit gab es mehrere Fälle, in denen bei Amazon einem Mitglied des Betriebsrats wegen schweren Pflichtverletzungen (z.B. Arbeitszeitbetrug, Spesenbetrug) fristlos vom Arbeitgeber gekündigt wurde. Teilweise hat der Betriebsrat der Kündigung zugestimmt, teilweise hat der Arbeitgeber beim zuständigen Arbeitsgericht die Ersetzung der verweigerten Zustimmung beantragt. Das jeweils zuständige Arbeitsgericht hat dem Arbeitgeber in den zwei nachfolgend beschriebenen Fällen Recht gegeben und die Kündigung als zulässig angesehen.


Freistellung u. Kündigung von Betriebsratsmitgliedern nach dem Betriebsverfassungsgesetz:

Grundsätzlich werden Betriebsratsmitglieder jeweils nur für eine bestimmte Betriebsratstätigkeit von der Arbeit freigestellt, etwa für eine Betriebsratssitzung oder für Sprechstunden. Ab einer bestimmten Größe des Betriebes wird jedoch eine im Gesetz festgelegte Zahl von Betriebsratsmitgliedern generell von der Arbeit freigestellt. Diese freigestellten Mitglieder erledigen während ihrer Arbeitszeit nur noch Betriebsratsarbeit.


Betriebsratsmitglieder können nicht ordentlich (also fristgerecht) gekündigt werden. Eine außerordentliche, fristlose Kündigung ist mit Zustimmung des Betriebsratsgremiums dagegen zulässig. Voraussetzung dafür ist aber das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die fristlose Kündigung. Stimmt das Betriebsratsgremium der beabsichtigten Kündigung nicht zu, kann der Arbeitgeber beim zuständigen Arbeitsgericht die Ersetzung der Zustimmung durch das Gericht beantragen.


Urteil Arbeitsgericht Verden v. 19.09.2023:

Ein freigestelltes Mitglied des Betriebsrates eines Amazon-Standortes hatte mit Einverständnis des Arbeitgebers an einer mehrtägigen Schulung teilgenommen. Der Arbeitgeber übernahm die Seminargebühr und die Hotelkosten für die Übernachtung. Außerdem mietete das Betriebsratsmitglied für die Anreise zum Seminar und die Rückreise mit Einverständnis des Arbeitgebers einen Mietwagen an. Während des Seminars nahm das Betriebsratsmitglied jedoch an zwei Tagen zumindest zeitweise nicht an der Schulung teil sondern stattdessen an einem von einer Gewerkschaft organisierten Treffen mit führenden SPD-Politikern. Dies geschah, ohne dass das Betriebsratsmitglied den Arbeitgeber darüber informierte. Für beide Treffen nutzte er den vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Mietwagen und ließ sich die Fahrkosten unter Einreichung der Tankbelege vom Arbeitgeber erstatten.

Als der Arbeitgeber davon erfuhr, kündigte er dem Betriebsratsmitglied fristlos. Der Arbeitgeber sah in dem Verhalten des Betriebsrats eine schwere Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten. Nach Ansicht des Arbeitgebers hatte das Betriebsratsmitglied falsche Angaben zur Arbeitszeit gemacht und Reisekosten für Fahrten abgerechnet, die nicht im Zusammenhang mit der Seminarteilnahme standen.

Das Arbeitsgericht Verden wies die Kündigungsschutzklage des Betriebsratsmitglieds ab. Als besonders schwerwiegend sah das Arbeitsgericht die Verletzung des Vertrauensverhältnisses zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber, indem das Betriebsratsmitglied falsche Angaben in Bezug auf die Arbeitszeit (Seminarteilnahme) und die Spesen (Reisekosten) machte. Auch als freigestelltes Betriebsratsmitglied hätte es den Arbeitgeber über die Teilnahmen an den Terminen mit den Politikern informieren müssen.  Nach Ansicht des Arbeitsgerichts war maßgeblich der fehlerhafte Umgang mit der Angabe von Arbeitszeit und Reisekosten.


Urteil Arbeitsgericht Lüneburg:

Der Vorsitzende des Betriebsrats eines Amazon-Standorts hatte zusammen mit weiteren Betriebsratsmitgliedern auf Kosten des Arbeitgebers an einem Betriebsrätetag teilgenommen. An einem Tagungstag hatte er die Veranstaltung aber nicht besucht, die Zeit aber dennoch als Arbeitszeit abgerechnet. Nach seinen Angaben hatte er während dieser Zeit mehrere Stunden lang in einen Café Betriebsratsarbeit gemacht und danach bei seiner Ex-Frau übernachtet. Als der Arbeitgeber dies erfuhr, kündigte er das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Vorsitzende des Betriebsrats hat nach Ansicht des Arbeitgebers private Tätigkeiten als Arbeitszeit abgerechnet. Das Betriebsratsmitglied verteidigte sich damit, dass er als freigestellter Vorsitzender des Betriebsrats auch mobil arbeiten dürfe. Das Arbeitsgericht gab dem Arbeitgeber Recht und bestätigte die fristlose Kündigung als wirksam.


Empfehlung:

Bei Fragen zu einem Arbeitsverhältnis, einem Arbeitsvertrag oder Betriebsratstätigkeit – egal ob als Arbeitnehmer, Betriebsratsmitglied oder Arbeitgeber und unabhängig davon, ob es um eine Kündigung, eine Abmahnung, ein Zeugnis, Gehalt, Urlaub, Überstunden Freistellung, Mitbestimmungsrechte oder die Übernahme von Kosten für Betriebsratsarbeit geht –, rufen Sie einfach an oder schreiben eine E-Mail und vereinbaren einen Termin für eine individuelle Beratung – egal ob in unserer Kanzlei in Stuttgart, telefonisch, per Zoom bzw. MS Teams oder per E-Mail.


0711 / 7 22 34 39 0

tanja.fuss@anwaltskanzlei-fuss.de
https://anwaltskanzlei-fuss.de

Anwaltskanzlei Fuß – Die Servicekanzlei –

Stuttgart (Stadtmitte)


Weitere Informationen zu mir und meiner Kanzlei sowie weitere Ratgeber bzw. Rechtstipps/Blogartikel finden Sie auf unserer Kanzleihomepage.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Tanja Fuß MPA

Beiträge zum Thema