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Arbeitsrecht: die krankheitsbedingte Kündigung

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I. Allgemeines/Einordnung

Grundsätzlich werden im Arbeitsrecht drei Gruppen von Kündigungen danach unterschieden, welcher Grund die Kündigung rechtfertigt: betriebsbedingte, personenbedingte und verhaltensbedingte Kündigungen. Die krankheitsbedingte Kündigung stellt dabei den in der arbeitsrechtlichen Praxis mit am häufigsten vorkommenden Fall einer personenbedingten Kündigung dar.

Dabei ist klarstellend vorab darauf hinzuweisen, dass entgegen eines weitverbreiteten Irrtums die arbeitsunfähige Erkrankung allein dem Ausspruch einer Kündigung noch nicht entgegensteht und diese mithin auch nicht automatisch unwirksam macht.

II. Soziale Rechtfertigung

Wenn der Arbeitgeber also eine solche krankheitsbedingte Kündigung ausspricht und der Betroffene Arbeitnehmer im Wege der Kündigungsschutzklage dagegen vorgeht, ist  durch das Gericht die soziale Rechtfertigung der Kündigung  in drei Stufen zu prüfen:

 1.Stufe - Negative Gesundheitsprognose

Eine negative Gesundheitsprognose liegt immer dann vor, wenn zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung objektiv überprüfbare Fakten vorliegen, die zu der Annahme berechtigen, dass die vorliegende Erkrankung auch weiterhin im selben Umfang fortbestehen wird. Entscheidend ist dabei die Situation zum Zeitpunkt der Aussprache der Kündigung. Sollten sich im Anschluss an die Kündigung nachträglich Entwicklungen ergeben, die einer negativen Gesundheitsprognose entgegenstehen, hat dies auf die Wirksamkeit der Kündigung zunächst keinen Einfluss. Der Arbeitnehmer hat dann aber u.U. einen Wiedereinstellungsanspruch.

Da der Arbeitgeber hinsichtlich der Erkrankung regelmäßig nur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhält, die auf Art und Ausmaß  der Erkrankung wenig oder keine Rückschlüsse zulassen, kann es nach der Rechtsprechung für die Annahme einer solchen Prognose auch genügen, dass Faktoren aus der Vergangenheit wie etwa lange krankheitsbedingte Fehlzeiten vorliegen. Eine genauere zeitliche Eingrenzung lässt sich hierfür nicht pauschal treffen, da es insoweit immer auch auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

 2. Stufe - Beeinträchtigung betrieblicher Interessen

Hier muss der Arbeitgeber darlegen, dass es aufgrund der Erkrankung zu nicht unerheblichen Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen gekommen ist. Dabei kann es sich etwa um Produktionsrückstände, Überlastung der anderen Mitarbeiter aufgrund des Ausfalls eines Kollegen, Umsatzeinbußen u. ä. handeln. Voraussetzung ist jedoch, dass solche Störungen nicht auch durch Überbrückungsmaßnahmen wie etwa die befristete Einstellung von Krankheitsvertretungen oder die Ausnutzung von Personalreserven beseitigt werden können.

3. Stufe - Interessenabwägung

Im Rahmen der Interessenabwägung ist schließlich das Interesse des Arbeitnehmers an der Weiterbeschäftigung umfassend gegen das Interesse des Arbeitgebers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses abzuwägen. Hierbei sind u.a. Umstände wie die Dauer des Arbeitsverhältnisses, die Zumutbarkeit der Hinnahme betrieblicher Beeinträchtigungen sowie Alter, Familienstand und Unterhaltsverpflichtungen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

Im Übrigen ist - wie bei jeder Kündigung - im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Kündigung als ultima ratio noch zu prüfen, ob die Kündigung durch mildere Mittel vermieden werden konnte. Dabei ist insbesondere die Zumutbarkeit  weiterer Überbrückungsmaßnahmen bzw. der Durchführung sonstiger arbeitsplatzerhaltender Maßnahmen wie etwa der Finanzierung einer Umschulung o.ä. zu prüfen.

III. Betriebliches Wiedereingliederungsmanagement

Eine weitere Besonderheit im Rahmen einer krankheitsbedingten Kündigung stellt dabei das Erfordernis der Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements gemäß § 84 Abs. 2 SGB IX dar. Danach hat der Arbeitgeber, gegebenenfalls  im Zusammenwirken mit dem Betriebsrat und einer Schwerbehindertenvertretung, Möglichkeiten zur Überwindung der Arbeitsunfähigkeit sowie zur Erhaltung des Arbeitsplatzes auszuloten. Die Durchführung eines derartigen betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements ist dabei zwar keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Kündigung, die Nichtdurchführung hat aber Auswirkungen auf die Darlegungs- und Beweislast im Kündigungsschutzprozess.

IV. Fallgruppen

Den obigen Prüfungsschritten kommt unterschiedliche Bedeutung je nach Art der Erkrankung zu. Man unterscheidet diesbezüglich zwischen Dauererkrankungen, lang anhaltenden Erkrankungen, häufigen Kurzerkrankungen und krankheitsbedingter Leistungsminderung.    

Eine Dauererkrankung liegt immer dann vor, wenn aufgrund der Erkrankung die geschuldete Arbeitsleistung dauerhaft nicht mehr erbracht werden kann oder ein Ende der Erkrankung nicht absehbar ist. Eine negative Gesundheitsprognose ist in diesen Fällen immer gegeben und auch eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen ist in diesen Fällen in aller Regel gegeben. Eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wird dem Arbeitgeber in diesen Fällen im Rahmen der Interessenabwägung nur ausnahmsweise bei besonderer Schutzwürdigkeit des Arbeitnehmers zumutbar sein.

In Abgrenzung hierzu liegt eine lang anhaltende Erkrankung dann vor, wenn zwar bereits über einen längeren Zeitraum keine Arbeitsfähigkeit vorliegt, jedoch der Grad der Ungewissheit der Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht so hoch ist wie bei der Dauererkrankung. Dabei wird jedoch die langanhaltende Erkrankung nach höchstrichterlicher Rechtsprechung einer  Dauer-erkrankung dann gleichgestellt, wenn die Prognose für die nächsten 24 Monate keine Besserung erwarten lässt.

Im Falle häufiger Kurzerkrankungen müssen für die Bejahung einer negativen Gesundheitsprognose Tatsachen vorliegen, die die Befürchtung rechtfertigen, dass auch in der Zukunft weitere Erkrankungen im gleichen Ausmaß auftreten werden, wobei es insoweit sehr auf das jeweilige Krankheitsbild  ankommt. Für verlässliche Prognosen im Rahmen dieser in die Vergangenheit gerichteten Betrachtung ist dabei nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts eine Mindestzeitspanne von zwei bis drei Jahren erforderlich.  Eine Beeinträchtigung betrieblicher Interessen wird in diesen Fällen dann anzunehmen sein, wenn Entgeltfortzahlungskosten für mehr als sechs Wochen pro Jahr anfallen.

Die krankheitsbedingte Leistungsminderung stellt schließlich einen Unterfall dar, bei der zwar keine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegt, aber auch keine volle Leistungsfähigkeit gegeben ist. Wenn insoweit eine erhebliche Minderleistung verursacht wird, kann auch dies eine Kündigung rechtfertigen, wobei dafür die Normalleistung fortdauernd um mindestens ein Drittel unterschritten werden muss. Auch insoweit muss dann aber im Rahmen der negativen Gesundheitsprognose di e Erwartung gerechtfertigt sein, dass diese Leistungsminderung dauerhaft besteht. Aufgrund der Tatsache, dass insoweit kein angemessenes Lohn-Leistungs-Verhältnis mehr gegeben ist, wird dann in diesen Fällen auch regelmäßig eine Störung betrieblicher Interessen vorliegen.

Fazit:

Wie bereits dieser knappe Überblick  zeigt, ist die rechtliche Bewertung der Rechtfertigung einer krankheitsbedingten Kündigung von außerordentlicher Komplexität, so dass jedem Betroffenen eine anwaltliche Beratung dringend anzuraten ist. Hierfür steht die arbeitsrechtlich spezialisierte Fachanwaltskanzlei Kühne jederzeit gern zur Verfügung. 

Kühne Rechtsanwälte


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