Arbeitsrecht leicht erklärt – die Abmahnung

  • 6 Minuten Lesezeit

Was ist eigentlich…eine Abmahnung?

Und wo ist der Unterscheid zur Ermahnung? Was kann ich gegen eine unberechtigte Abmahnung tun? Sollte ich dagegen überhaupt vorgehen?

Ein Klassiker des Arbeitslebens: Der Arbeitgeber hat etwas am Verhalten eines Angestellten zu bemängeln und weist diesen mit z. T. deutlichen Worten zurecht. Arbeitsrechtlich stellt sich die Frage: War das eine Abmahnung? Oder vielleicht nur eine Ermahnung? Und wo ist eigentlich der Unterschied? Muss ich die Abmahnung hinnehmen oder kann ich mich dagegen wehren? Ist es überhaupt sinnvoll, dagegen vorzugehen?

Die Abmahnung

Was ist eigentlich eine Abmahnung? Das Bundesarbeitsgericht formuliert es so (Urt. v. 23.06.2009 – 2 AZR 606/08): „Bei der Abmahnung, die nunmehr in § 314 Abs. 2 BGB gesetzlich verankert wurde, handelt es sich um die Ausübung eines arbeitsvertraglichen Gläubigerrechts durch den Arbeitgeber. Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist er den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf dessen vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf die Verletzung dieser Pflichten aufmerksam (Rügefunktion). Zugleich fordert er ihn für die Zukunft zu einem vertragstreuen Verhalten auf und kündigt, wenn ihm dies angebracht erscheint, individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an (Warnfunktion).

Damit aus einer bloßen, vielleicht auch deutlichen Anweisung, eine arbeitsrechtlich wirksame Abmahnung wird, müssen also drei Merkmale gegeben sein:

(1.) Das Fehlverhalten muss so konkret und so bestimmt beschrieben und gerügt werden, dass eindeutig ist, worum es geht und keine Zweifel verbleiben, welches Verhalten des Arbeitnehmers in Rede steht. Bloße Umschreiben und Allerweltsformulierungen sind dafür nicht hinreichend. Wird z. B. die (vermeintlich) nicht ordentliche Dienstkleidung bemängelt, muss der Arbeitgeber schon mitteilen, um welchen Tag es geht, welches Kleidungsstück betroffen ist und was genau ihm daran nicht gefallen hat bzw. worin genau ein Verstoß gegen die Kleiderordnung gelegen haben soll. Pauschale Aussagen wie „nicht ordentlich angezogen“ wären vor diesem Hintergrund nicht ausreichend. Hier muss der Arbeitgeber so präzise sein, dass der Vorwurf eingrenzbar und überprüfbar ist. Daran scheitern viele Abmahnungen.

(2.) Damit muss ein ebenso konkreter Hinweis einher gehen, wie der Arbeitnehmer sich stattdessen zu verhalten hat; wie also ein solches Fehlverhalten künftig vermieden werden soll. Auch hier ist Präzision des Arbeitgebers gefragt. Formulierungen an einen Service-Mitarbeiter, demnächst „freundlicher“ zu sein, wäre z. B. zu unbestimmt. Denn es ist vollkommen unklar, was genau damit gemeint ist. Soll der Mitarbeiter nun jedem Gast die Hand geben? Oder jeden Gast namentlich ansprechen?

(3.) Letztlich muss die Abmahnung auch die hinreichend deutliche Warnung enthalten, dass der Arbeitnehmer bei wiederholten gleichgelagerten Verstößen mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen bis hin zur Kündigung zu rechnen hat. Die Abmahnung muss dem Mitarbeiter also den Ernst der Lage unmissverständlich vor Augen führen.

Die Abmahnung muss indes nicht schriftlich erfolgen; aus Beweiszwecken wird dies in der Regel aber geschehen.

Die Abmahnung bereitet die Kündigung vor

Die Abmahnung hat in der Regel den recht offensichtlichen Grund, den Arbeitnehmer zu vertragsgerechtem Verhalten aufzufordern. Er soll darüber informiert werden, dass ein bestimmtes Verhalten nicht hinnehmbar ist und welches Verhalten von ihm verlangt wird. Dieser Zweck könnte auch mit einem „normalen“ Dienstgespräch oder einer entsprechenden Anweisung erreicht werden. Die Abmahnung hat daher noch eine weitere Funktion: Sie bereitet die Kündigung vor.

Regelmäßig ist bei Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes bei einer verhaltensbedingten Kündigung eine vorherige Abmahnung erforderlich. Denn wenn die Vertragspflichtverletzung auf einem steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers beruht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann. Die ordentliche wie die außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus. Die Kündigung darf stets nur das sog. letzte Mittel sein (Prinzip der Ultima Ratio), eine Abmahnung wäre im Vergleich ein milderes Mittel (BAG, Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09).

Selten: Abmahnung ist entbehrlich

In seltenen Fällen kann eine verhaltensbedingte Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung ausgesprochen werden. Dazu müsste der Arbeitgeber dann aber auch nachweisen, dass die Abmahnung im konkreten Fall entbehrlich war. Dies kann dann der Fall sein, wenn der Verstoß besonders gravierend war und der Arbeitnehmer daher nicht mit einer Abmahnung rechnen durfte. Die Anforderungen sind aber recht hoch. Das BAG formuliert es so: „Einer Abmahnung bedarf es in Ansehung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes deshalb nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist (BAG, Urt. v. 10.06.2010 – 2 AZR 541/09).

Abmahnung können sich abnutzen

Die Abmahnung hat also eine Warnfunktion. Diese kann sich aber abnutzen, z. B. weil die Abmahnung schon lange zurückliegt. Es wäre kaum vertretbar, eine Kündigung mit einer vorherigen Abmahnung zu begründen, wenn diese schon viele Jahre zurückliegt. Ähnlich nutzt sich eine Abmahnung ab, wenn der Arbeitgeber diese häufig ausspricht, ohne allerdings die jeweils in Aussicht gestellte Kündigung auszusprechen. Auch dann verliert die Abmahnung ihren Schrecken und damit die ihre zugedachte Warnfunktion.

Alternative: bloße Ermahnung

Möchte der Arbeitgeber nicht von dem mit Bedacht einzusetzenden Mittel der Abmahnung Gebrauch machen, kann er eine sog. Ermahnung aussprechen und den Hinweis auf die möglichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen unterlassen. So kann der Arbeitnehmer sich eine weitere Eskalationsstufe vorbehalten.

Lohnt es sich, gegen eine Abmahnung vorzugehen?

Was aber tun, wenn ein Arbeitnehmer eine Abmahnung erhalten hat? Kann er sich dagegen wehren und lohnt sich das? Besteht ein Interesse des Arbeitnehmers daran, eine saubere Personalakte zu haben, etwa, weil er befördert werden möchte, der Vorgesetzte demnächst wechselt, etc. pp., kann es durchaus sinnvoll sein, gegen eine unberechtigte Abmahnung vorzugehen.

Zunächst kann der Arbeitnehmer eine sog. Gegendarstellung zur Personalakte reichen und darin seine Sicht der Dinge schildern. Damit kann er eine ihm günstigere Papierlage schaffen.

Denkbar ist auch, die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte zu verlangen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann der Arbeitnehmer in entsprechender Anwendung der §§ 242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus der Personalakte verlangen. Denn eine Abmahnung ist eine missbilligende Äußerung des Arbeitgebers, welche geeignet ist, den Arbeitnehmer in seinem beruflichen Fortkommen und seinem Persönlichkeitsrecht zu beeinträchtigen. Deshalb kann der Arbeitnehmer die Beseitigung dieser Beeinträchtigung verlangen, wenn (siehe hierzu nur: BAG, Urt. v. 23.06.2009 – 2 AZR 606/08):

  • die Abmahnung formell nicht ordnungsgemäß zustande gekommen ist,
  • sie unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält,
  • sie auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht,
  • sie den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder
  • kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht.

Kommt der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nach, kann der Angestellte diesen Anspruch auch gerichtlich geltend machen.

Besteht kein gesteigertes Interesse an einer so bereinigten Personalakte, kann die Abmahnung auch in der Akte belassen werden; die Lage des Arbeitnehmers verschlechtert sich dadurch jedenfalls nicht zwingend. Denn sollte der Arbeitgeber sich ggf. später im Rahmen der Begründung einer Kündigung auf diese Abmahnung beziehen, würde in einem Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht auch die Wirksamkeit dieser konkreten Abmahnung überprüft. Insofern ist es für den Arbeitnehmer nicht von Nachteil, wenn er nicht gegen eine unberechtigte Abmahnung vorgeht.

Es kann sogar nachteilig sein, gegen eine Abmahnung vorzugehen. Denn dadurch weist man den Arbeitgeber ja sogar darauf hin, dass die Abmahnung arbeitsrechtlich nicht wirksam ist. Ob es sinnvoll ist, den Arbeitgeber so früh auf seine Fehler hinzuweisen, muss im Einzelfall geprüft werden.

Fazit

Damit aus einer bloßen Ermahnung eine Abmahnung wird, müssen mehrere Merkmale vorliegen (konkrete Rüge, konkreter Hinweis, Warnung). Fehlt ein Merkmal bzw. ist die Abmahnung nicht präzise und konkret genug formuliert, liegt keine wirksame Abmahnung vor. Ob ein Arbeitnehmer dagegen vorgeht, sollte im konkreten Einzelfall geprüft werden; es kann auch sinnvoll sein, den Arbeitgeber in dem irrigen Glauben zu lassen, er habe eine wirksame Abmahnung ausgebracht. Es wäre i. d. R. auch hinreichend, ihm das in einem etwaigen späteren Kündigungsschutzverfahren mitzuteilen; die Überraschung wäre dann jedenfalls größer.

Möchte ein Arbeitnehmer allerdings gegen eine Abmahnung vorgehen, kann er eine Gegendarstellung abgeben und auch die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

Wenn Sie Fragen haben – wir helfen Ihnen gerne.

Daniel B. Jutzi

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsinformer Rechtsanwälte Osnabrück


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Daniel B. Jutzi

Beiträge zum Thema