Arbeitsrecht leicht erklärt – die Ausschlussklausel
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Was ist eigentlich … eine Ausschlussklausel?
[update: BAG ändert Rechtsprechung! Vertragsmuster müssen angepasst werden]
Was müssten Arbeitgeber und was müssen Arbeitnehmer beachten?
Ein Klassiker des Arbeitslebens: Ein Mitarbeiter erwirbt Ansprüche auf Zahlung (z. B. auf Zahlung von Überstundenvergütung, Provisionen, Boni, Sonderzahlungen, etc.), der Arbeitgeber zahlt aber nicht. Arbeitnehmer haben erfahrungsgemäß oft Scheu davor, ihre Ansprüche tatsächlich geltend zu machen, da sie den Konflikt meiden möchten. Diese Entscheidung kann aber sehr teuer werden, da nach Ablauf von drei Monaten der Verlust des Anspruchs droht.
Die Ausschluss- oder Verfallklausel
Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen grundsätzlich der sog. Regelverjährung von 3 Jahren. Gerade im Arbeitsrecht soll aber schneller Rechtssicherheit und Ruhe einkehren können. Daher ist es zulässig, in Arbeitsverträgen sog. Ausschluss- oder Verfallklauseln zu verwenden. Regelmäßig sind diese Klauseln zweistufig ausgestaltet, sodass die Ansprüche binnen 3 Monaten nach Fälligkeit geltend gemacht werden müssen (1. Stufe). Versäumt der Anspruchsinhaber (also im Regelfall der Arbeitnehmer) diese Frist, ist der Anspruch verfallen.
Macht er den Anspruch aber rechtzeitig geltend, hat die Gegenseite 2 Wochen Zeit, sich dazu zu erklären. Nach Zurückweisung des Anspruchs oder nach Ablauf der zweiwöchigen Frist beginnt dann eine weitere Frist von erneut 3 Monaten, binnen derer der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden muss (2. Stufe). Wird die Frist nicht gewahrt, verfällt der Anspruch endgültig.
Es ist also immens wichtig, dass Arbeitnehmer ihre Ansprüche rechtzeitig geltend machen. Andernfalls droht der Verlust des Anspruchs.
Wirksamkeit der Klausel – die häufigsten Fehler
Das gilt aber natürlich nur, wenn die Ausschlussklausel auch wirksam ist. Da Arbeitsverträge der sog. AGB-Kontrolle unterliegen, ist auch eine solche Ausschlussklausel auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. Benachteiligt eine Klausel den Arbeitnehmer unangemessen oder ist die Klausel intransparent, ist sie unwirksam (§ 307 BGB). Die Klausel kann aber auch unwirksam sein, wenn sie an die Form der Geltendmachung übertrieben Anforderungen stellt. Hier die häufigsten Fehler, die i. d. R. zur Unwirksamkeit der Ausschlussklausel führen:
- Der Anspruch muss schriftlich geltend gemacht werden (§ 309 Nr. 13 BGB erlaubt seit einigen Jahren nur noch strengstens die Textform).
- Die Fristen sind kürzer als 3 Monate (§ 307 BGB).
- Die Klausel nimmt nicht Ansprüche auf den Mindestlohn oder andere unverzichtbare Ansprüche aus (§ 307 BGB, § 3 MiLoG).
- [NEU] Haftung für Vorsatz etc. wird nicht ausdrücklich ausgenommen
[update - das BAG ändert seine Rechtsprechung, hier die Leitsätze:
"1. Eine Ausschlussklausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder vorformulierten Vertragsbedingungen iSv. § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB, nach der ausnahmslos alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, verfallen, wenn sie nicht binnen bestimmter Fristen geltend gemacht und eingeklagt werden, erfasst grundsätzlich alle wechselseitigen gesetzlichen und vertraglichen Ansprüche, die die Arbeitsvertragsparteien aufgrund ihrer durch den Arbeitsvertrag begründeten Rechtsstellung gegeneinander haben und damit auch Schadensersatzansprüche aus vorsätzlicher Vertragsverletzung und aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung.
2. Eine solche Verfallklausel ist wegen Verstoßes gegen § 202 Abs. 1 BGB nach § 134 BGB nichtig.
3. Der Arbeitgeber als Verwender muss die Klausel unabhängig davon, ob in dem Verstoß gegen § 202 Abs. 1 BGB zudem eine unangemessene Benachteiligung iSv. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt und ob die Klausel darüber hinaus ggf. aus anderen Gründen nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam ist, nicht nach den Grundsätzen über die personale Teilunwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen sich gelten lassen."
BAG Urteil v. 26.11.2020 - 8 AZR 58/20
Arbeitgebern sei daher dringend geraten, die Vertragsmuster zu prüfen und diese ggf. anzupassen.
Natürlich gibt es auch hier einige Ausnahmen zu beachten. So sind z. B. sog. Altverträge, die vor dem Inkrafttreten des MiLoG am 16.08.2014 geschlossen wurden, eine Ausschlussklausel, die den Anspruch auf den Mindestlohn nicht ausnimmt nur „insoweit“ unwirksam. Zudem unterliegen solche Klauseln in einem Tarifvertrag keiner AGB-Kontrolle, sodass z. B. eine Transparenzkontrolle nicht stattfindet. [update: der "neue Unwirksamkeitsgrund" kann indes auch hier greifen.]
Ist die Klausel unwirksam, gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.
Richtige Geltendmachung
Was aber muss ein Arbeitnehmer tun, um seine Ansprüche wirksam geltend zu machen? Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 17.04.2019 – AZ 5 AZR 331/18) führt dazu folgendes aus:
„Zur Geltendmachung im Sinne von Ausschlussfristen gehört, die andere Seite zur Erfüllung des Anspruchs aufzufordern. Der Anspruchsinhaber muss unmissverständlich zum Ausdruck bringen, dass er Inhaber einer bestimmten Forderung ist und auf deren Erfüllung besteht. Die Geltendmachung setzt voraus, dass der Anspruch seinem Grunde nach hinreichend deutlich bezeichnet und die Höhe des Anspruchs sowie der Zeitraum, für den er verfolgt wird, mit der für den Schuldner notwendigen Deutlichkeit ersichtlich gemacht wird; die Art des Anspruchs sowie die Tatsachen, auf die der Anspruch gestützt wird, müssen erkennbar sein.“
Macht der Arbeitnehmer seine Ansprüche daher nicht mit der gebotenen Sorgfalt geltend, droht auch deswegen der Verfall der Ansprüche. Arbeitgeber sollten hier sorgsam prüfen.
Droht mir Ärger, wenn ich meine Ansprüche geltend mache?
Arbeitnehmer haben oftmals die Sorge, dass das Klima am Arbeitsplatz durch die Geltendmachung negativ belastet wird. Im Arbeitsrecht gilt indes das sog. Maßregelungsverbot, § 612a BGB. Der Arbeitgeber darf einen Arbeitnehmer danach nicht benachteiligen, nur, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. So wären z. B. eine Strafversetzung oder eine Kündigung deswegen unwirksam. Erfahrungsgemäß lassen sich alle Ansprüche in einer Form geltend machen, bei der kein Flurschaden angerichtet wird, sondern die unterschiedlichen Interessen sachlich in Einklang gebracht werden können.
Fazit
Arbeitnehmer sollten ihre Ansprüche stets zügig und mit der gebotenen Klarheit geltend machen. Die Alternative wäre, den Anspruch aus falsch verstandener Zurückhaltung nicht (oder erst zu spät) geltend zu machen. Denn sobald eine Frist in einer wirksam vereinbarten Ausschlussklausel verstreicht, droht der endgültige Verlust des Anspruchs. Eine Bestrafung des Arbeitgebers ist in gesunden Betrieben nicht zu erwarten; sie wäre auch verboten. Hier gilt ansonsten, wie überall im Leben: Der Ton macht die Musik.
Arbeitgeber hingegen sollten ihre derzeit verwendeten Muster dringend prüfen, ob sie noch der geänderten Rechtsprechung entsprechen und diese ggf. anpassen. Außerdem sollte stets sorgsam geprüft werden, ob ein Arbeitnehmer seine etwaigen Ansprüche auch ordnungsgemäß geltend gemacht hat. Wenn Sie Fragen haben – wir helfen Ihnen.
Daniel B. Jutzi
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Kanzlei Haverkamp und Partner Osnabrück
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