Arbeitsrecht leicht erklärt – Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall

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Was muss ich eigentlich… bei Krankheit machen? Und was darf mein Chef (alles wissen)?

Ein eigentlich normaler Vorfall: Ein Arbeitnehmer wird krank und kann deswegen nicht zur Arbeit gehen. In Betrieben mit einem „gesunden“ Arbeitsklima ist das kein Problem. Ist aber einmal der sprichwörtliche Wurm drin, kann die Sache kompliziert werden. Hier werden die wichtigsten Fragen geklärt:

Wann bekomme ich eigentlich Geld, obwohl ich wegen meiner Krankheit nicht gearbeitet habe?

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird im Wesentlichen in § 3 EntFZG geregelt. Danach erhält ein Arbeitnehmer für die Dauer von bis zu sechs Wochen auch dann (weiterhin) seine Bezahlung, wenn er infolge unverschuldeter Krankheit arbeitsunfähig wird und deswegen die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen kann.

Entscheidend sind also der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers und die Frage, ob er in diesem Zustand die konkret geschuldete Leistung erbringen kann. Verletzt sich z. B. ein Dachdecker am Fuß, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht arbeiten können; bei einer Bürokraft könnte die Lage hingegen anders zu bewerten sein.

Sodann darf dieser Zustand nicht verschuldet gewesen sein. Hier ist man großzügig; wer sich beim Fußball in seiner Freizeit verletzt, hat keine Probleme. Anders könnte es sein, wenn man freiwillig bei einer Schlägerei mitmacht und dabei in Kauf nimmt, sich zu verletzen. Hier sind die verschiedenen Rechte und Interessen gegeneinander abzuwägen: einerseits der Angestellte, der in seiner Freizeit im Grunde tun und lassen kann, was er möchte. Andererseits der Arbeitgeber, der ein Interesse an leistungsfähigen Mitarbeitern hat (und ggf. für diese auch im Krankheitsfall zahlen muss).

Das Bundesarbeitsgericht (Urt. v. 26.10.2016 – 5 AZR 167/16) hat hierzu z. B. Folgendes formuliert: „Schuldhaft i. S. v. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt […].“

Bejaht man den Anspruch auf Entgeltfortzahlung, ergibt sich die Höhe aus § 4 EntFZG. Danach erhält er das Entgelt, was ihm zugestanden hätte, wenn nicht krank gewesen wäre, sondern gearbeitet hätte. Ist ein Festgehalt vereinbart, wird dieses i. d. R. einfach weitergezahlt. Kommt es jedoch auf die zu arbeitenden Stunden an, muss das Entgelt fiktiv berechnet werden. Dazu ist zunächst die regelmäßige Arbeitszeit zu ermitteln und auf dieser Grundlage das Entgelt zu berechnen. Allerdings müssten dabei auch die Ausnahmen in § 4 Abs. 1a EntFZG beachtet werden.

Wird der Arbeitnehmer infolge derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig, so verliert er wegen der erneuten Arbeitsunfähigkeit den soeben benannten Anspruch für einen weiteren Zeitraum von höchstens sechs Wochen nicht, wenn er (1.) vor der erneuten Arbeitsunfähigkeit mindestens sechs Monate nicht infolge derselben Krankheit arbeitsunfähig war oder wenn (2.) seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit infolge derselben Krankheit eine Frist von zwölf Monaten abgelaufen ist.

Im Übrigen gilt der Grundsatz des „einheitlichen Verhinderungsfalls“. Ergibt sich noch während des Bestehens einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit ein weiterer Grund für eine Arbeitsunfähigkeit, so werden diese beiden Krankheitsfälle als eine Einheit betrachtet – mit der Folge, dass die sechs Wochen einheitlich berechnet werden.

Muss ich immer Bescheid sagen und auch immer ein Attest vorlegen?

Der Arbeitnehmer ist nach § 5 EntFZG zunächst nur verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies ist dem Interesse des Arbeitgebers geschuldet, die Arbeitsabläufe im Betrieb ggf. umstellen zu können, sich um Ersatz zu kümmern etc. Gründe für die AU müssen jetzt noch nicht genannt werden. Verletzt der Arbeitnehmer in zu vertretender Weise diese Mitteilungspflichten, kann er sich ggf. schadensersatzpflichtig machen. Zudem drohen dann, wie so oft, Abmahnungen und ggf. auch die Kündigung.

Dauert die Arbeitsunfähigkeit allerdings länger als drei Kalendertage, muss eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag – also am vierten Tag – vorgelegt werden. Der Arbeitgeber hat allerdings auch das Recht, die Vorlage der ärztlichen Bescheinigung früher zu verlangen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als in der Bescheinigung angegeben, muss eine neue Bescheinigung vorgelegt werden.

Was passiert, wenn ich es nicht oder zu spät vorlege?

Solange der Arbeitnehmer das nach § 5 EntFZG vorzulegende Attest (siehe oben) nicht vorlegt, ist der Arbeitgeber gem. § 7 EntFZG berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern. Sobald das Attest vorgelegt wird, entfällt das Verweigerungsrecht des Arbeitgebers rückwirkend und der dann ausstehende Lohn muss nachträglich gezahlt werden.

Was tun, wenn mein Arbeitgeber nicht zahlt?

Verweigert der Arbeitgeber die Fortzahlung, etwa weil er glaubt, der Arbeitnehmer sei gar nicht krank, muss der Arbeitnehmer in letzter Konsequenz seinen Anspruch klageweise geltend machen. Im Gerichtsverfahren müsste er dann die entsprechenden Voraussetzungen für den Anspruch darlegen und ggf. beweisen. Im Regelfall reicht hierzu die Vorlage des Attests aus. Kann der Arbeitgeber den sog. Beweiswert eines ärztlichen Attests aber mit (guten) Gründen in Zweifel ziehen, müsste der Arbeitnehmer ggf. den ihn behandelnden Arzt als Zeugen benennen. Im Extremfall müsste auch ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. In diesem Fällen kommt der Arbeitnehmer auch nicht umhin, zu offenbaren, an welcher Krankheit er eigentlich leidet bzw. gelitten hat.

Was ist eigentlich der „MDK“ und was macht er?

Hat der Arbeitgeber Zweifel an der angeblich krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Angestellten, kann er den medizinischen Dienst der Krankenkasse (MDK) gem. § 275 SGB V einschalten. Danach sind die Krankenkassen u. a. verpflichtet, ein Gutachten durch den medizinischen Dienst erstellen zu lassen, wenn dies nach Art, Schwere, Dauer oder Häufigkeit der Erkrankung oder nach dem Krankheitsverlauf erforderlich ist, um Zweifel an der (angeblichen) Arbeitsunfähigkeit zu beseitigen. Derartige Zweifel liegen gem. § 275 Abs. 1a SGB V insbesondere dann vor, wenn der Arbeitnehmer auffällig häufig oder auffällig häufig nur für kurze Dauer arbeitsunfähig ist oder wenn der Beginn der Arbeitsunfähigkeit häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche fällt oder wenn die Arbeitsunfähigkeit von einem Arzt festgestellt worden ist, der durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Bescheinigungen über Arbeitsunfähigkeit auffällig geworden ist.

Mit anderen Worten: In Fällen des geradezu typischen Blaumachens und bei Attesten von Doc Holiday kann der MDK eingeschaltet werden.

Fazit

Wird das Attest zügig vorgelegt, dürfte es keine Probleme geben. Andernfalls muss der Arbeitnehmer das Arbeitsgericht anrufen, dann aber ggf. auch die sprichwörtlichen Karten auf den Tisch legen.

Wenn Sie Fragen haben – wir helfen Ihnen gerne.

Daniel B. Jutzi

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsinformer Rechtsanwälte Osnabrück


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