Arbeitsrechtliche Folgen bei Insolvenz des Arbeitgebers

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Das Beispiel des Marktführers für Festnetztelefone „Gigaset“ zeigt, dass auch große Unternehmen von unerwarteten Geschäftseinbrüchen betroffen sein können.  Wenn in der Folge die Zahlungsverpflichtungen nicht mehr erfüllt werden können, kommt es nicht selten zur Insolvenz des Arbeitgebers. So auch im Fall „Gigaset“.  Das Unternehmen aus Bocholt beschäftigt 850 Mitarbeiter und kündigte am 19. September 2023 einen Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit an.


Doch was bedeutet die Insolvenz des Arbeitgebers für die betroffenen Arbeitnehmer?


1. Zunächst ist zwischen der Insolvenz in Eigenverantwortung und dem Insolvenzverfahren durch Insolvenzverwalter abzugrenzen.

Bei der Insolvenz in Eigenverantwortung bleibt der bisherige Arbeitgeber Adressat etwaiger Forderungen des Arbeitnehmers und kann weiterhin Kündigungen aussprechen.

Bei einem Insolvenzverfahren durch Insolvenzverwalter ist dieser der neue Adressat der Arbeitnehmer. Dies betrifft auch Forderungen gegen den bisherigen Arbeitgeber.

Bei dem Beispiel „Gigaset“ wurde die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens hinsichtlich der Gigaset AG und eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung betreffend die Gigaset Communications GmbH beschlossen. In diesem Beispiel finden also innerhalb des Konzerns beide Arten der Insolvenz Anwendung.


2. Folgen der Insolvenz für das Arbeitsverhältnis

Hinsichtlich der Folgen der Insolvenz im Rahmen des Arbeitsverhältnisses ist zwischen einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses und einer Beendigung abzugrenzen.


a) Fortbestand des Arbeitsverhältnisses

Sofern das Arbeitsverhältnis trotz Insolvenz fortbesteht, bemühen sich Insolvenzverwalter bzw. Arbeitgeber darum, die künftigen Ansprüche des Arbeitnehmers weiterhin zu erfüllen. Denkbar ist dabei auch ein Betriebsübergang gemäß § 613a BGB.

Denn sofern das Arbeitsverhältnis weiterhin fortbesteht, bleibt auch der Anspruch auf den Lohn weiterhin bestehen. Grundsätzlich bleibt damit auch die Pflicht zur Arbeitsleistung bestehen. Sollte der Arbeitgeber dieser Verpflichtung nicht oder nicht vollständig nachkommen können, besteht die Möglichkeit, bei der Agentur für Arbeit „Insolvenzgeld“ zu beantragen.

Auch etwaige Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers bestehen fort. Bereits genehmigter Urlaub kann genommen werden. Gleichwohl sollte der Urlaub entweder mit dem Insolvenzverwalter oder mit dem Arbeitgeber abgesprochen werden.

Auch die Sozialversicherungsbeiträge (gesetzliche Renten- und Krankenversicherung, Unfall-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) sind weiterhin direkt vom Arbeitgeber abzuführen.


b) Beendigung des Arbeitsverhältnisses

Regelmäßig erhalten Arbeitnehmer aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers eine Kündigung.

Arbeitsrechtlich besteht insofern kein Unterschied zu einer „normalen“ Kündigung. Übertragen auf das Beispiel „Gigaset“ bedeutet dies, dass ein personenbedingter-, verhaltensbedingter- oder betriebsbedingter Kündigungsgrund vorliegen muss, damit die Kündigung des Arbeitsverhältnisses wirksam ist. Die Insolvenz führt nicht automatisch zu einem betriebsbedingten Kündigungsgrund. Erforderlich wäre beispielsweise der Wegfall eines gesamten Geschäftszweiges.

Bestehen Zweifel an dem Vorliegen eines Kündigungsgrundes, empfiehlt sich in vielen Fällen die Einlegung einer Kündigungsschutzklage. In der Folge wird die Wirksamkeit der Kündigung durch die Arbeitsgerichte überprüft oder zumindest über eine Abfindung verhandelt.

Wichtig ist, dass für eine Kündigungsschutzklage gemäß § 4 KSchG starre und knapp bemessene Fristen gelten. Nach § 4 KSchG muss eine Kündigungsschutzklage innerhalb von drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung erhoben werden. Hierbei empfiehlt es sich, anwaltlichen Rat und Unterstützung einzuholen.

Bei einer durch den Insolvenzverwalter verwalteten Insolvenz gilt außerdem gemäß § 113 InsO eine von den gesetzlichen Kündigungsfristen des § 622 BGB abweichende Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Nicht selten bekommen Arbeitnehmer statt einer Kündigung einen Aufhebungsvertrag vorgelegt. Bevor dieser vorschnell unterschrieben wird, sollte zunächst anwaltlicher Rat eingeholt werden. Unter Umständen droht bei Unterzeichnung eines Aufhebungsvertrages eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld oder ein Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. In seltenen Fällen kann ein Anspruch auf eine Abfindung gemäß § 1a Abs. 1 KSchG bestehen.

Sofern ein besonderer Kündigungsschutz besteht (z.B. Schwerbehinderung oder Schwangerschaft) bleibt dieser trotz der Insolvenz des Arbeitgebers bestehen. Dies bedeutet, dass im Rahmen der Sozialauswahl, dass grundsätzlich „normale“ Arbeitnehmer vorrangig vor Arbeitnehmern mit besonderem Kündigungsschutz zu kündigen sind.



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