Arbeitsverweigerung führt zu fristloser Kündigung

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Arbeitsverweigerung führt zu fristloser Kündigung


Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass eine Arbeitsverweigerung zu einer fristlosen Kündigung führen kann.


Das richtet sich nach § 626 BGB. Danach kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht. Einen in diesem Sinne die fristlose Kündigung „an sich“ rechtfertigenden Grund stellt ua. die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers dar, seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen.


In dem Fall, in dem das Bundesarbeitsgericht entscheiden musste, war eine Arbeitnehmerin vertraglich zur Erbringung einer Arbeitsleistung im Umfang von 38 Wochenstunden am vereinbarten Dienstort verpflichtet. Sie hat ihre arbeitsvertraglichen Pflichten in erheblicher Weise verletzt, indem sie sich beharrlich geweigert hat, ihre Arbeitsleistung in diesem vertraglich geschuldeten zeitlichen Umfang zu erbringen. Sie hat tatsächlich keine entsprechenden Arbeitsleistungen erbracht, obwohl sie dazu ausdrücklich angehalten worden war. So war sie trotz entgegenstehender Weisung des Arbeitgebers, eine Arbeitszeit von 38 Stunden wöchentlich einzuhalten, über mehrere Wochen hinweg lediglich zwischen zwei und 23 Stunden im Betrieb anwesend.


Ihrem Verhalten kann nicht entnommen werden, dass sie lediglich von einem ihr vermeintlich zustehenden Recht, die Lage ihrer Arbeitszeit flexibel zu gestalten, hätte Gebrauch machen wollen und dementsprechend zur Nachleistung bereit gewesen wäre. Dies ergibt sich ohne Weiteres daraus, dass sie ihre Arbeitsleistung sowohl über einen langen Zeitraum hinweg als auch in einem erheblichen Umfang nicht erbracht hat. Angesichts der zeitlichen Ausmaße ist nicht erkennbar, wie eine Nachleistung – unter Beachtung der Vorgaben des ArbZG – möglich gewesen wäre. Sie hat ihrem mangelnden Willen zur Nachleistung auch dadurch Ausdruck verliehen, dass sie auf die Nachfrage der Beklagten, wie sie die aufgelaufenen Minusstunden auszugleichen gedenke, nicht reagiert hat.


Für die kündigungsrechtliche Beurteilung kommt es nicht darauf an, ob die Weisung des Arbeitgeber, die Arbeitnehmerin möge eine wöchentliche Arbeitszeit von 38 Stunden einhalten, so zu verstehen war, dass diese nicht (mehr) von einer ihr bisher eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen dürfe, ihre Arbeitszeit flexibel zu gestalten. Ebenso kann offen bleiben, ob eine solche Weisung individualrechtlich und kollektivrechtlich wirksam gewesen wäre. Die Arbeitnehmerin war unabhängig von der Lage der Arbeitszeit nicht bereit, ihre Arbeitskraft dem Umfang nach in vertragskonformer Weise anzubieten. Bereits darin liegt eine schwerwiegende Verletzung ihrer vertraglichen Pflichten.


Die Weigerung war auch beharrlich.



Ein Arbeitnehmer verweigert die angewiesene Arbeit beharrlich, wenn er sie bewusst und nachhaltig nicht leisten will. Die Arbeitnehmerin hat willentlich gegen ihre vertragliche Verpflichtung verstoßen. Selbst wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit die Ableistung einer 38-Stunden-Woche nicht eingefordert haben sollte, hat sie jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt durch entsprechende Weisungen und die in der Folge ausgesprochenen Abmahnungen deutlich zum Ausdruck gebracht, wie sie die vertraglichen Vereinbarungen versteht und was sie von der Arbeitnehmerin erwartete. Statt ihr Verhalten darauf einzustellen, hat die Arbeitnehmerin – nachhaltig – darauf bestanden, jeglichen Zeitmaßes enthoben zu sein.


Der Umstand, dass zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerin – bezogen auf den zeitlichen Umfang der geschuldeten Arbeitsleistung – Streit über die Auslegung des Arbeitsvertrags bestand, steht der Annahme einer erheblichen Pflichtverletzung nicht entgegen.

Maßgebend für die Frage, ob das Verhalten des Arbeitnehmers eine beharrliche Arbeitsverweigerung und damit eine erhebliche Vertragspflichtverletzung darstellt, ist die objektive Rechtslage. Der Arbeitnehmer kann sich einem vertragsgemäßen Verlangen des Arbeitgebers nicht dadurch – vorläufig – entziehen, dass er ein gerichtliches Verfahren zur Klärung der umstrittenen Frage einleitet. Andernfalls würde das Weisungsrecht des Arbeitgebers – ggf. über Jahre – in nicht gerechtfertigter Weise eingeschränkt. Verweigert der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung in der Annahme, er handele rechtmäßig, hat grundsätzlich er selbst das Risiko zu tragen, dass sich seine Rechtsauffassung als fehlerhaft erweist.

Kein unverschuldeter Rechtsirrtum

Auf einen unverschuldeten Rechtsirrtum kann sich die Arbeitnehmerin nicht berufen. Sie musste bei Beachtung der gebotenen Sorgfalt in Rechnung stellen, dass für sie die betriebsübliche Arbeitszeit – von 38 Stunden wöchentlich – galt.

An die zu beachtenden Sorgfaltspflichten sind strenge Maßstäbe anzulegen. Es reicht nicht aus, dass sich die betreffende Partei ihre eigene Rechtsauffassung nach sorgfältiger Prüfung und sachgemäßer Beratung gebildet hat. Unverschuldet ist ein Rechtsirrtum nur, wenn sie mit einem Unterliegen im Rechtsstreit nicht zu rechnen brauchte.

Vertrauensarbeitszeit bedeutet Verzicht auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit. 

Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die Arbeitnehmerin musste schon mit Blick auf die im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen damit rechnen, dass eine Arbeitsverpflichtung in einem bestimmten zeitlichen Umfang bestand. Sie war nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, im Rahmen ihrer Aufgabenstellung auch außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit tätig zu werden. Dies setzt bei verständiger Würdigung eine Bindung an die betriebsübliche Arbeitszeit voraus. Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin überdies klar vor Augen geführt, wie sie die vertraglichen Abreden verstehe. Sie konnte sich mit ihrem Verlangen nach Einhaltung einer betriebsüblichen Arbeitszeit von 38 Wochenstunden sowohl auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts als auch auf eine verbreitete Auffassung in der Literatur stützen. Auch „Vertrauensarbeitszeit“ und getroffene Zielvereinbarungen konnten die Arbeitnehmerin nicht ernsthaft in der Annahme bestärken, sie sei einer Bindung an ein bestimmtes Zeitmaß enthoben. „Vertrauensarbeitszeit“ bedeutet grundsätzlich nur, dass der Arbeitgeber auf die Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit verzichtet und darauf vertraut, der betreffende Arbeitnehmer werde seine Arbeitsverpflichtung in zeitlicher Hinsicht auch ohne Kontrolle. Dies war für die Arbeitnehmerin ebenso erkennbar wie der Umstand, dass die Erreichung von Zielen nach dem Arbeitsvertrag lediglich für die Höhe ihrer variablen Vergütung relevant war. Indem sie bei einer derartigen Sach- und Rechtslage sämtliche gegen die Richtigkeit ihrer Rechtsauffassung sprechenden Gesichtspunkte sehenden Auges hintanstellte, handelte sie bewusst auf eigenes Risiko. Es kann deshalb dahinstehen, wie sich ein mangelndes Verschulden der Arbeitnehmerin auf den Kündigungsgrund ausgewirkt hätte.

Die vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Interessen geht zu Lasten der Arbeitnehmerin aus. Das gilt selbst dann, wenn zu ihren Gunsten unterstellt wird, dass der Arbeitgeber aufgrund des vertraglichen Weisungsrechts (§ 106 Satz 1 GewO) nicht berechtigt war, ihr bei der Arbeitszeitgestaltung jegliche Flexibilität abzusprechen und die Ableistung von mindestens 7,6 Stunden arbeitstäglich zu verlangen. Denn es stehen sämtliche relevanten Tatsachen fest.

Bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist, ist in einer Gesamtwürdigung das Interesse des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen. Es hat eine Bewertung des Einzelfalls unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen. Die Umstände, anhand derer zu beurteilen ist, ob dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung zumutbar ist oder nicht, lassen sich nicht abschließend festlegen. Zu berücksichtigen sind aber regelmäßig das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlusts und ihre wirtschaftlichen Folgen -, der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers, eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht, wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind.

Daran gemessen war der Arbeitgeber zur sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt.

Das vertragswidrige Verhalten ist von erheblichem Gewicht. Die Arbeitnehmerin hat trotz nachdrücklichen Verlangens des Arbeitgebers, die betriebsübliche Arbeitszeit einzuhalten, kontinuierlich Arbeitsleistungen lediglich im Umfang von weit unter 38 Stunden wöchentlich erbracht. Im Kündigungszeitpunkt bestand die berechtigte Besorgnis, dass sie ihr Verhalten auch in der Zukunft fortsetzen und deshalb das Arbeitszeitdefizit, das sich bereits auf 700 Stunden belief, weiter anwachsen werde. Eine solche Zurückhaltung der Arbeitskraft brauchte der Arbeitgeber nicht weiter hinzunehmen.

Der mögliche Rechtsirrtum der Arbeitnehmerin wirkt sich nicht entscheidend zu ihren Gunsten aus. Zwar kann im Rahmen der Interessenabwägung – abhängig vom Grad des Verschuldens – auch ein vermeidbarer Irrtum des Arbeitnehmers Bedeutung gewinnen. Die Arbeitnehmerin hat jedoch hinsichtlich eines ihr unterlaufenen Rechtsirrtums mit Blick auf die arbeitsvertraglichen Regelungen sowie die wiederholte, nachdrückliche Aufforderung seitens des Arbeitgebers zur Einhaltung der betriebsüblichen Arbeitszeit ein nicht nur geringes Verschulden. Allein der Umstand, dass der von ihr beauftragte Rechtsanwalt sie in ihrem gegenteiligen Standpunkt bestärkt haben mag, ändert daran nichts.

Ein milderes Mittel stand dem Arbeitgeber nicht zur Verfügung.

Die Arbeitnehmerin war im Kündigungszeitpunkt offensichtlich unter keinen Umständen bereit, eine Verpflichtung zur Einhaltung einer 38-Stunden-Woche anzuerkennen und ihre Arbeitskraft im vertraglich geschuldeten Umfang zur Verfügung zu stellen. Dies belegt der Umstand, dass sie weder auf die Weisung des Arbeitgebers noch auf die ihr erteilten Abmahnungen reagiert hat – ohne dass es auf deren Berechtigung in jedem Einzelfall ankäme. Die Kündigung erweist sich auch nicht mit Blick auf die Anzahl der Abmahnungen als unverhältnismäßig. Daraus konnte die Arbeitnehmerin– zumal die Schreiben ihr allesamt am gleichen Tag überreicht wurden – nicht entnehmen, die Arbeitgeberin halte die beharrliche Nichteinhaltung der betriebsüblichen Arbeitszeit für nicht so schwerwiegend.

Die Arbeitgeberin war auch nicht gehalten, auf den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung zu verzichten und stattdessen weiterhin nur Teile der Arbeitsvergütung einzubehalten. Die Unzumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst für die Dauer der Kündigungsfrist ergibt sich bereits daraus, dass die Arbeitnehmerin die vertragsgemäße Erbringung ihrer Hauptleistungspflicht verweigert und es dem Arbeitgeber damit unmöglich gemacht hat, mit ihrer Arbeitskraft zu planen. Abgesehen davon hätte der Einbehalt von Entgelt die Nachteile eines stetig anwachsenden Arbeitszeitdefizits allenfalls teilweise ausgeglichen. Darauf, ob und ggf. welche Arbeit aufgrund der Abwesenheit der Arbeitnehmerin nicht erledigt worden ist, kommt es nicht an.

Dem Alter der Arbeitnehmerin von im Kündigungszeitpunkt 42 Jahren und ihrer Betriebszugehörigkeit von etwa fünf Jahren kommt angesichts der Beharrlichkeit sowie des Umfangs der Pflichtverletzung keine ausschlaggebende Bedeutung zu.

Der Arbeitgeber hat die Erklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt. Er hat ihre Kündigung damit begründet, die Arbeitnehmerin sei nachhaltig nicht bereit, ihre Arbeitsleistung in dem vertraglich geschuldeten – nach Zeitabschnitten bemessenen – zeitlichen Umfang zu erbringen. Damit hat sie einen Dauertatbestand geltend gemacht, der sich fortlaufend neu verwirklichte.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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