Arzt muss Patient trotz Selbstdiagnose uneingeschränkt untersuchen

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Ärzte tragen eine enorme Verantwortung für ihre Patienten. Ein erheblicher Teil davon entfällt bereits auf die richtige Diagnose. Dabei dürfen sich Ärzte aber nie allein auf die eigene Diagnose eines Patienten verlassen – selbst wenn dieser sie noch so selbstbewusst vertritt.

Patientenirrtum mit tödlichen Folgen

Über die juristischen Folgen eines tragisch endenden Falls hatte jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz entschieden (Urteil v. 30.01.2012, Az.: 5 U 857/11). Der Vater einer vierköpfigen Familie – von Beruf Rettungssanitäter – wurde gegen Nachmittag von seinen Kollegen mit dem Rettungswagen in die Klinik eingeliefert.

Dem dort tätigen Arzt – einem Orthopäden – erzählte er, dass er enorme Schmerzen in der linken Körperseite habe. Grund sei wohl laut Eigendiagnose, so der selbstbewusst und sachkundig auftretende Patient, ein eingeklemmter Nerv im Halswirbelbereich. Eine internistische Untersuchung habe deshalb bereits stattgefunden.

Der Arzt stellte tatsächlich ein Problem mit den Wirbeln sowie einen verspannten Muskel fest. Irrtümlicherweise ging er aber davon aus, der schmerzklagende Patient sei am selben Tag bereits beim Internisten gewesen. Tatsächlich lag diese Untersuchung bereits mehrere Monate zurück.

Nachdem der Mann wenig später wieder zu Hause war, brach er bewusstlos zusammen und verstarb am frühen Abend desselben Tages. Todesursache war ein unerkannter Herzinfarkt. Die Hinterbliebenen verklagten den Arzt auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen eines groben Behandlungsfehlers.

Laienhafte „Diagnosen“ äußerst kritisch zu betrachten

Nach Ansicht der Richter muss ein Arzt alles tun, damit eine Erkrankung erkannt und behandelt werden kann. Laienhafte Äußerungen hat er dabei – unabhängig davon, wie der Patient dabei auftritt – äußerst kritisch zu betrachten. Sie mindern in keiner Weise seine ärztlichen Pflichten.

Ebenso darf der Arzt sich bei der Ursachensuche nicht auf sein Fachgebiet beschränken. Gegebenenfalls hat er die Hilfe anderer spezialisierter Kollegen in Anspruch zu nehmen.

Darüber hinaus hätte der Orthopäde hier beim Patienten konkret nachhaken müssen – etwa zur Frage, seit wann die Schmerzen bestehen. So wäre ihm aufgefallen, dass diese erst seit Kurzem bestanden, was gegen eine internistische Untersuchung am selben Tag gesprochen hätte.

Das OLG ging zwar anders als die Vorinstanz von keinem groben Behandlungsfehler aus. Es handele sich lediglich um einen Befunderhebungsmangel, der aber genauso zu einer Beweislastumkehr führe.

Das heißt, der Arzt muss beim schlüssigen Vorwurf eines Behandlungsfehlers beweisen, dass dieser nicht Auslöser der negativen Folgen war. Das gelang dem Mediziner hier nicht. Aufgrund seiner Beschwerde zum Bundesgerichtshof (Az.: VI ZR 99/12) gegen das ihn belastende Urteil ist dieses jedoch noch nicht rechtskräftig.



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