Arzthaftungsrecht in der Praxis: Regulierungsverweigerungen von Versicherern führen zu Verfahren

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Landgericht Bonn

Verspätete Diagnose eines locoregionären Tumorrezidivs der HWS-Region, LG Bonn, Az. 9 O 74/07

Chronologie:

Der Kläger befand sich im Rahmen der ambulanten Nachversorgung einer Krebsoperation seit 2001 in der Praxis des Beklagten zur regelmäßigen Kontrolle. In den Jahren 2005/2006 hat der Beklagte MRT-Aufnahmen überprüft und o.B. befundet. Erst im September 2006 diagnostizierte ein Nachbehandler ein Rezidiv an der zu beobachtenden Stelle, das schon in 2005 gut erkennbar war.

Verfahren:

Das Landgericht Bonn hat nach umfangreicher Beweisaufnahme den Parteien zu einer vergleichsweisen Klärung angeraten, wonach dem Kläger eine Pauschale zur Gesamtabgeltung von 70.000,- Euro zu zahlen sei. Nachdem die Beklagtenseite diesen Vergleichsvorschlag im Termin zunächst kategorisch und vehement abgelehnt hatte, akzeptierte sie ihn kurze Zeit später schriftsätzlich dann doch noch.

Anmerkungen:

Die vorgeworfene Fehldiagnose war unzweifelhaft und wurde als grob fehlerhaft konstatiert. In derartigen Fällen sollte eigentlich eine zügige und angemessene Regulierung durch einen Haftpflichtversicherer erfolgen, was oftmals leider nicht der Fall ist.

Landgericht Bayreuth

Ischämischer Hirninfarkt nach intermittierenden Vorhofflimmern aufgrund fehlender Marcumarisierung, LG Bayreuth, Az. 34 O 347/08

Chronologie:

Die betagte Klägerin erlitt im Jahre 2007 in ihrer Wohnung einen Kollaps. In einer Klinik wurde ein ischämischer Hirninfarkt festgestellt. Nach Entlassung begab sie sich in die ambulante Nachbehandlung bei der Beklagten. Hier verzichtete man trotz bestehenden intermittierenden Vorhofflimmerns auf eine Antikoagulation. In der Folge erlitt die Patientin eine weitere ischämische Attacke. Seither ist sie zu 60% schwerbehindert.

Verfahren:

Das Landgericht Bayreuth hat den Vorfall umfangreich mittels fachmedizinischer Hilfe überprüfen lassen. In der Urteilsbegründung stellt das Gericht klar heraus, dass spätestens schon im Jahre 2007 eine Indikation für eine orale Antikoagulation mit Marcumar bestand. Das Gericht verurteilte daraufhin die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes und stellte darüber hinaus fest, dass sie verpflichtet sei, alle weiteren materiellen Schäden für Vergangenheit und Zukunft zu zahlen. Die Gesamtschadenposition liegt im deutlich fünfstelligen Eurobereich.

Anmerkungen:

Trotz der Eindeutigkeit der gutachterlichen Konstatierungen war die Beklagtenseite nicht bereit, sich vergleichsweise zu einigen. Gegen das klare Urteil des Landgerichtes ist sie dann nicht in Berufung gegangen.

Oberlandesgericht Düsseldorf – News aus Juni 2011

Fehlerhaft vorgenommene Teilresektion des Darmes nach Verdacht auf akute Appendizitis, OLG Düsseldorf, Az. I 8 U 120/10

Chronologie:

Die zum Zeitpunkt der Schädigung 10jährige Klägerin kam mit dem Verdacht auf eine Appendizitis in das Krankenhaus der Beklagten. Hier wurde ohne Rücksprache mit den Eltern der Klägerin ein Darmteil resektiert. Die Klägerin behielt eine 8 cm lange Narbe zurück und leidet unter den Folgen und den Verwachsungsproblemen.

Verfahren:

Nachdem das Landgericht Wuppertal in der Vorinstanz (Az. 5 O 164/08) die Klage abgewiesen hatte, hielt das OLG Düsseldorf die Klage für dem Grunde nach erfolgreich und riet den Parteien zu einer vergleichsweisen Einigung an, worauf sie sich einließen. Die Gesamtschadenposition liegt im deutlich fünfstelligen Eurobereich.

Anmerkungen:

Gerade bei Verletzungen im Unterbauchbereich besteht für die Betroffenen ein nicht unerhebliches Risiko von Spätschäden. So können sich im Laufe der Zeit Verwachsungen einstellen, die bis zu einem lebensgefährlichen Darmverschluss führen können. Es ist aus rechtlicher Hinsicht daher immer darauf zu achten, dass sich dieses mögliche Risiko auch in der Höhe des Vergleichsabschlusses entsprechend niederschlägt.

Oberlandesgericht Hamburg – News aus Juni 2011

Verletzung der Herzkranzgefäße nach Mitralklappenrekonstruktion, OLG Hamburg, Az. 1 U 25/10

Chronologie:

Der 1957 geborene Kläger stellte sich im Jahre 2006 in der Klinik der Beklagten aufgrund einer Herzklappeninsuffizienz vor. Die Ärzte nahmen dort eine minimal-invasive Mitralklappen-Rekonstruktion vor, anlässlich derer es zu einer Schädigung des Herzmuskels kam. Seit dem Vorfall ist die körperliche Belastbarkeit des Patienten deutlich herabgesetzt.

Verfahren:

Das Landgericht Hamburg (Az. 303 O 82/08) hatte die Klage Ende 2009 abgewiesen. Nach Übernahme des Mandats in der Berufungsinstanz durch Ciper & Coll. und weiterer Beweisaufnahme schlug das Hanseatische Oberlandesgericht den Parteien eine vergleichsweise Erledigung des Rechtsstreits vor, wonach dem Kläger eine pauschale Entschädigung von 25.000,- Euro zu zahlen sei. Auf diesen Vergleich ließen sich beide Parteien ein.

Anmerkungen:

Der vorliegende Fall zeigt zum wiederholten Male, dass es sich Untergerichte, hier das Landgericht Hamburg, mit klageabweisenden Entscheidungen oftmals zu leicht tun. Erst in der Berufungsinstanz werden dann komplexe medizinische Sachverhalte hinreichend hinterfragt und aufgeklärt. Ein klageabweisendes Urteil sollte daher in der Regel nochmals in einer weiteren Instanz hinterfragt werden, zumindest in den Fällen, in denen berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung bestehen.



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