Ausgleich von Schulden bei Trennung und Scheidung - Grundsätze und Rechtsprechung
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"Ausgleich von Schulden bei Trennung und Scheidung - Grundsätze und Rechtsprechung"
Prüfungsschema:
Vertragliche Regelungen – Darlehen, Arbeitsvertrag, Auftrag
Rollenverteilung und Aufgabenverteilung in der Lebensgemeinschaft – Auftrag
Gesamtschuldnerregress – Befreiungsanspruch
Anderweitige Bestimmung in Konkurrenz zum Vorrang des Zugewinnausgleichs
Gesellschaftsrecht – Ehegatteninnengesellschaft, Kooperationsvertrag u.ä.
Fallkonstellationen:
1.
Während der Ehe:
Nach den Grundbestimmungen des Familienrechts gilt ein Abrechnungs- und Aufrechnungsverbot für die Zeit des Zusammenlebens.
Dies bedeutet, dass wechselseitige Zahlungen oder Leistungen während der Ehe bis zum Zeitpunkt der Trennung nicht gegeneinander aufgerechnet werden bzw. keine Ausgleichsansprüche auslösen. (vgl. z.B. Frank: „Ausgleich gemeinsamer Schulden bei Trennung und Scheidung; Außen- und Innenverhältnis, Mithaftung, Innenausgleich, Befreiungsanspruch etc.“ in NZFam 2018, 783)
„a) Andere Bestimmung während intakter Ehe
Für Leistungen, die ein Ehegatte während des Zusammenlebens auf gemeinsame Schulden erbringt, ergibt sich eine andere Bestimmung idR aus dem Wesen der Ehe bzw. aus §§ 1353, 1360 BGB. Das gilt sowohl für „Hausfrauenehen“ als auch für Doppelverdienerehen.18 Die tatsächliche Handhabung der Schuldentilgung während intakter Ehe lässt regelmäßig auf eine stillschweigende Vereinbarung des Inhalts schließen, dass die Schuldentilgung ein Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft sein und ein späterer Ausgleich nicht stattfinden soll. Man spricht auch davon, dass das Schuldverhältnis durch die eheliche Lebensgemeinschaft „überlagert“ ist.19 Maßgeblich für diese Überlagerung ist allerdings nicht der Zeitpunkt der Leistung, sondern der Zeitpunkt, für den die Schuld entstanden ist. Deshalb scheidet nach der Rechtsprechung des BGH auch der Ausgleich für eine Leistung aus, die ein Partner nach der Trennung für in der Zeit des Zusammenlebens aufgelaufene gemeinsame Mietschulden erbringt.20 Ausnahmsweise kann ein Ausgleich für vor der Trennung erbrachte Leistungen verlangt werden, wenn der Leistende sich das Ausgleichsverlangen vorbehalten hat oder die Ehegatten den späteren Ausgleich vereinbart haben.21
b) Andere Bestimmung nach dem Ende der ehelichen Lebensgemeinschaft
aa) Grundsatz: Wegfall der anderen Bestimmung mit der Trennung
Mit der Trennung entfällt idR die familienrechtliche Überlagerung und damit auch die anderweitige Bestimmung. Dann kann zwischen den Eheleuten ein Anspruch aus § 426 I BGB entstehen, und zwar ohne dass dieser gesondert geltend gemacht werden muss. Der Ausgleich kann daher auch rückwirkend ab der endgültigen Trennung verlangt werden, ohne dass es einer Mahnung oä bedarf.
In Rechtsprechung und Literatur wird teilweise vertreten, die Ausgleichspflicht komme im gesetzlichen Güterstand idR erst ab Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags in Betracht.22 Das überzeugt aus mehreren Gründen nicht: zum einen ergäbe sich eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber nicht verheirateten Paaren. Zum anderen, und das ist entscheidend, entfällt die eheliche Lebensgemeinschaft schon mit der Trennung, und diese ist Grundlage des Abrechnungsverbots: (nur) während ihres Bestehens ist davon auszugehen, dass die Beiträge der Ehegatten zur gemeinsamen Lebensführung gleichwertig sind.23 Die sachliche Grundlage dieser Vermutung entfällt, wenn die Ehegatten sich trennen, denn es erscheint wenig lebensnah anzunehmen, dass getrennt lebende Ehegatten voneinander erwarten und stillschweigend vereinbaren, für nach dem Innenverhältnis überobligatorisch erbrachte Leistungen an Dritte keinen Ersatz voneinander verlangen zu wollen.24 Daher kommt mit der endgültigen Trennung idR wieder die grundsätzlich hälftige Haftung im Innenverhältnis gem. § 426 I 1 BGB zum Tragen.“
Bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft:
Danach handelt es sich bei der Zahlung der insgesamt 60 915 Euro (durch 93 monatliche Raten in Höhe von 655 Euro) um eine so genannte gemeinschaftsbezogene Zuwendung (BGHZ 183, 242 = NJW 2010, 998 = FamRZ 2010, 277 [279]). Diese liegt immer dann vor, wenn der zuwendende Partner mit der Zuwendung das erkennbare Ziel verfolgt, selbst, ungeachtet der dinglichen Zuordnung zum Vermögen, wirtschaftlich an der Zuwendung teilzuhaben. Nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft findet der Ausgleich solcher Zuwendungen vorrangig nach gesellschaftsrechtlichen Vorschriften statt (ausführlich: Weinreich, Aktuelle Probleme zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft, FuR 2011, 493 [494]). Dies setzt aber voraus, dass die Partner gemeinsam die Absicht verfolgt haben, mit dem Erwerb des Vermögensgegenstands einen, wenn auch nur wirtschaftlich, gemeinsamen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Partnerschaft nicht nur gemeinsam genutzt, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören sollte. Dies war nach dem Vortrag des Ast. erkennbar nicht der Fall.
2.
Nach Beendigung der Lebensgemeinschaft, also der Trennung, verbleibt im Wesentlichen die Vermögensauseinandersetzung bzw. Zuweisung und Regulierung der während der Ehezeit aufgenommen Schulden.
Grundsätzlich ist es so, dass ein Ehegatte nicht für die Schulden des anderen Ehegatten haftet.
Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn er ebenfalls formal Darlehensnehmer geworden ist im Sinne einer Gesamtschuldnerschaft.
Formal ist es somit so, dass für das Darlehen bei der Bank lediglich der Kreditnehmer haftet.
Die abweichende Rechtsprechung in Sonderfällen, nämlich dann, wenn z.B. die Kreditverbindlichkeit ausschließlich zur Finanzierung eines Vermögenswertes des anderen Ehegatten aufgenommen wird, kommt hier nicht zum Tragen, da der Ehemann mit der Darlehensvaluta keine Vermögenswerte erworben hat.
Grundsätzlich bleibt es bei der formalen Betrachtungsweise hinsichtlich der Haftung.
Haftung und Ausgleich:
Gesamtschuld
Im Außenverhältnis:
Vertrag: § 426 BGB
- Ausdrücklich
- Zweiter Vertragsnehmer oder
- Mithaftender (event. Problem der Sittenwidrigkeit)
Gesetz:
- Schlüsselgewalt
Im Innenverhältnis:
- grundsätzlich hälftige Haftung § 421 BGB
- sonst Freistellungs-/Befreiungsanspruch
Gesetz
Vertrag
Anderweitige Bestimmung
- Natur der Sache: § 1353 BGB familienrechtliche Überlagerung, Abrechnung – und Verrechnungsverbot, Gleichwertigkeit der innerfamiliären Leistungen,
besondere Gestaltung des tatsächlichen Geschehens (BGH NJW 1983, 1845)
- Stillschweigend: Gestaltung der Schuldentilgung
- Ehegatteninnengesellschaft, familienrechtlicher Kooperationsvertrag § 313 BGB
Wegfall der anderweitigen Bestimmung:
Trennung/Scheidung:
Zeitpunkt des Entstehens: nicht Leistung/Zahlung sondern Änderung der Verhältnisse: Trennung
oder Scheidung – Kündigung nach Auftragsrecht
Unterhalt: Schuldenabzug, Wohnwert, Interessenslage -> Berücksichtigung
andernfalls Vorbehalt notwendig
Güterrecht: Zugewinnausgleich
->Berücksichtigung in Vermögensaufstellung über Freistellungsanspruch, allerdings Werthaltigkeit/Leistungsfähigkeit erforderlich
andernfalls Vorbehalt notwendig
Miteigentum: Grundsätze des Gemeinschaftsrechts §§ 745 ff. BGB
Nutzungsentschädigung (Regelung/ Beschluss, § 1561b BGB aber vorgehaltener
Anspruch)
Gesellschaft
Eingehung:
Allein - Zusammen
Ehegatten – Lebensgefährten
Zeitpunkt: vor der Ehe – nach der Eheschließung – nach Trennung
Zweck/Art:
Immobilienfinanzierung: Darlehen, Sicherheit, Grundschuld/Zweckerklärung
Betrieb
Pkw
Ausbildung
Schuldumschaffung
Miete
Steuer
Zugewinnausgleich
Unterhalt
Wohnwert
Nachlass/PT-Ergänzungsansprüche
Literatur:
Frank: Ausgleich gemeinsamer Schulden bei Trennung und Scheidung…, NZFam 2018,783
Hachenberg: Gesamtschuld und Zugewinnausgleich, NZFam 2014,731
Wellenhofer, Ausgleich von Zuwendungen unter Ehegatten nach § 313 BGB NZFam 2014,314
Strube, Die Rechtsprechung zu Nebengüterrecht und sonstiger Vermögensauseinandersetzung, NZFam 2024, 52
Grziwotz, Auseinandersetzung einer faktischen Lebensgemeinschaft, NZFam 2015, 543
Weinreich, Aktuelle Probleme zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft, FuR 2011, 493
Kohlenberg: Die Auseinandersetzung von Bankkonten und Wertpapierdepots bei Trennung und Scheidung, NZFam 2018, 773
BGH Beschl. v. 06.11.2019, Zugewinn bei gesamtschuldnerischen Darlehen für Immobilie im Eigentum eines Ehegatten NJW 2020, 1300
BGH vom 30.06.1999, XII ZR 230 96 - Ehegatteninnengesellschaft - unbenannte Zuwendungen
BGH vom 04.03.2015 Befreiungsanspruch eines Ehegatten bei dinglichen Sicherheiten, NJW-Spezial 2015, 293
BGH vom 20.05.2015 Gesamtschuld betreffend Familienheim im Zugewinnausgleich und Übergabevertrag mit Freistellungsverpflichtung NJW-RR 2015, 897
OLG Hamm, NJW-RR 2016, 901, alleiniger Darlehenstilgung nach Trennung
OLG FFM NJOZ 2014, 2014 Gesamtschuld im Zugewinnausgleich
OLG Dresden, Beschl. v. 29.11.2013 BeckRS 2013, 22579
AG Hamburg, Beschl. v. 10.11.2022, FamRZ 2023, 673
BGH Urt. v. 01.10.1991 NJW 1992, 427
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