Aussetzung und Einbehalt der Zahlung der Kassenärztlichen Vereinigung an Teststellenbetreiber für Coronatests

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Im Rahmen einer (stichprobenartigen oder vertieften) Plausibilitätsprüfung kann die Kassenärztliche Vereinigung die Auszahlung aussetzen, wenn der Verdacht von Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung besteht. Dieses Vorgehen bestätigte erst kürzlich wieder das Verwaltungsgericht Trier (VG Trier, Urteil vom 31.01.2024 – 8 K 3831/23).

Zusammenfassung:

  • Werden Auffälligkeiten bei der Plausibilitätsprüfung festgestellt, kann die Kassenärztliche Vereinigung die Zahlung aussetzen.
  • Auffälligkeit bedeutet nicht, dass die Abrechnung auch tatsächlich fehlerhaft erfolgt ist oder ein strafrechtlich relevantes Verhalten tatsächlich vorliegt. Eine Auffälligkeit kann allein aufgrund einer Vermutung der Kassenärztlichen Vereinigung bestehen.
  • Beispiele für Auffälligkeiten: Doppelabrechnung, mangelhafte Dokumentation der Testung, statistische Abweichungen, laufende staatsanwaltliche Ermittlungsverfahren, etc.


  • Vorgehensweise: Der Teststellebetreiber ist dazu angehalten jede Auffälligkeit plausibel zu erklären. Dabei bestehen strenge Anforderungen. Ein unendliches Nachreichen von Erklärungen, Dokumentationen o.ä. ist nicht möglich. Aus diesem Grund ist ein strukturierter und professioneller Vortrag empfehlenswert.
  • Risiken: Verbleiben Zweifel, kann die Prüfung fortgesetzt und die Zahlung weiter ausgesetzt werden. Am Ende steht die (endgültige) Versagung der Auszahlung.


Beispielfall:

Ein Teststellenbetreiber betrieb unter einer Betriebsstellennummer/Akkreditierungs-ID drei zugelassene Teststellen und führte Bürgertestungen durch.

Für Mai 2022 meldete er 7.756 Tests bei der KV zur Abrechnung an. Hierbei fiel der KV folgendes auf, weshalb sie eine anlassbezogene Plausibilitätsprüfung der Abrechnung einleitete:

  • Obwohl der Betreiber 7.756 Tests bei der KV abrechnete, meldete er nur die Ergebnisse von 2.572 Testungen an das zuständige Gesundheitsamt.
  • Im Vergleich zu anderen Teststellen in der Region seien auffällig viele Tests abgerechnet worden.

Dies ließ die KV an der ordnungsgemäßen Testdurchführung „zweifeln“ und forderte die Klägerin deshalb auf, die Auftrags- und Leistungsdokumentation bezüglich der Testungen für den Monat Mai vorzulegen. Zudem setzte die Kassenärztliche Vereinigung noch im Rahmen des Prüfverfahrens die Zahlungen an die Klägerin zur Vergütung der erbrachten Leistungen nach der Corona-Testverordnung aus.

Die Kassenärztliche Vereinigung stellte in einer vertieften Prüfung weitere Auffälligkeiten, wie Doppeltestungen und fehlende „Einverständniserklärungen“ (gemeint sind im Urteil wahrscheinlich Durchführungsbestätigungen), fest. Zudem leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges ein.

Anmerkung: Der Teststellenbetreiber sah sich somit parallel einem Verwaltungs- und Strafverfahren ausgesetzt. Dies ist das „Worst-Case-Szenario“, welches häufig vermieden werden kann, wenn die Kommunikation mit der KV von Anfang professionell begleitet bzw. geführt wird. Wenn die Einleitung des Strafverfahrens jedoch nicht zu vermeiden war, sollte spätestens jetzt der Rat eines Spezialisten eingeholt werden. Beide Verfahren sind nämlich eng miteinander verzahnt und setzen medizin- sowie strafrechtliches Fachwissen voraus.


Zum Klageverfahren

Letztlich klagte der Betreiber vor dem Verwaltungsgericht (zu den Zuständigkeiten siehe vertiefend meinen Artikel Streit mit der Kassenärztlichen Vereinigung über die Vergütung von Corona-Tests, Rechtsschutzmöglichkeiten (anwalt.de)) erfolglos auf Zahlung. Die Kassenärztliche Vereinigung ist nämlich befugt, die Auszahlung während einer Prüfung auszusetzen, § 7 a Abs. 5 S. 1 TestV (siehe hierzu und auch zum Fall des Zurückhaltens im Eilrechtschutzverfahren meine Veröffentlichung UPDATE: Abrechnung Corona-Tests, Plausibilitätsprüfung, vertieftes Prüfverfahren, Abrechnungsbetrug, Testzentrum (anwalt.de)). Hintergrund der Regelung ist, dass etwaige Rückerstattungsverfahren vermieden werden sollen.


I. 
Zur Aussetzung bei Auffälligkeiten

Wann geht die Kassenärztliche Vereinigung von Auffälligkeiten aus und wie kann der Teststellebetreiber solche entkräften?

Zunächst ist wichtig zu wissen, dass Auffälligkeit nicht bedeutet, dass die Abrechnung auch fehlerhaft erfolgt ist oder ein strafrechtlich relevantes Verhalten tatsächlich vorliegt. Eine Auffälligkeit kann allein aufgrund einer Vermutung der Kassenärztlichen Vereinigung bestehen. Eine vertiefte Prüfung kann von der KV so lange aufrechterhalten werden, bis sie alle diese Vermutungen aufklären konnte. Dies kann unter Umständen lange dauern (es gibt jedoch Beschleunigungsmöglichkeiten). Die vertiefe Prüfung hat den Zweck alle möglicherweise bestehenden Unregelmäßigkeiten aufzuklären. Die Abrechnung ist so lange zu prüfen, bis die Kassenärztliche Vereinigung mit Gewissheit von einer ordnungsgemäßen Abrechnung ausgehen kann. Hintergrund dessen ist, dass öffentliche Mittel wirtschaftlich und sparsam verwendet werden sollen. Die Vergütung für Bürgertests sind öffentliche Mittel, für die dieser Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit gilt.

Stellt die KV Auffälligkeiten fest, trägt der Teststellenbetreiber die Beweislast, diese plausibel zu entkräften, um den Verdacht der fehlerhaften Abrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung auszuräumen. Der Fall des VG Trier zeigt drei typische Anknüpfungspunkte, die die Kassenärztliche Vereinigungen regelmäßig veranlassen, Auffälligkeiten festzustellen. Zudem zeigt der Fall sehr gut, wie streng die Anforderungen an die Teststellenbetreiber sind, um Auffälligkeiten plausibel zu erklären.

  • Abrechnungsauffälligkeiten

    Im Fall des VG Trier sind der KV Doppelabrechnungen von vier Personen aufgefallen.

  • Auffälligkeiten bei der Dokumentation

    Laut Urteil fehlten „Einverständniserklärungen“ bei 90 von 855 getesteten Personen (Anm.: Das Gericht meint vermutlich die „Durchführungsbestätigungen“). Der Betreiber konnte diese Unregelmäßigkeiten letztlich nicht plausibel erklären.


  • Statistische Auffälligkeiten und Abweichungen

    Der Betreiber hatte 7.756 Bürgertests zur Abrechnung angemeldet. In der Testregion lag jedoch der Durchschnitt jedoch bei 978 abgerechneten Testungen, was eine statistische Abweichung von 693% ergibt.

    Die Teststellenbetreiber sind sodann stets angehalten, die statistische Abweichung plausibel zu erklären, um den Verdacht der Kassenärztlichen Vereinigung zu entkräften. Dies gelang dem klagenden Teststellenbetreiber trotz folgender Argumente nicht:

    • Über eine Betriebsstellennummer liefen nicht nur eine, sondern drei Teststellen. Die Kassenärztliche Vereinigung stellte bei dieser Betrachtung aber immer noch eine statistische Abweichung zwischen bis zu 259% fest.

    • Die Teststellen seien in der Nähe großer Arbeitgeber gelegen, sodass sich neben den Einwohnern auch Pendler dort testen ließen. Die KV ließ dies zwar als mögliche Erklärung für ein erhöhtes Testaufkommen gelten, es genügte Ihr aber nicht um die statistische Abweichung zu erklären.


II. 
Fazit des Gerichtsverfahrens

Der Fall des VG Trier zeigt sehr eindeutig, wie streng die Anforderungen an die Teststellenbetreiber zur plausiblen Erklärung der Abweichungen sind. Die Argumentation des Teststellenbetreibers muss jede Abweichung eindeutig erklären und keinen Raum für eine andere Deutung lassen. Aufgrund der Erklärung muss die Kassenärztliche Vereinigung mit Gewissheit überzeugt werden. Verbleiben Zweifel ist eine weitere Prüfung und Aussetzung gerechtfertigt. Letztlich steht auch die endgültige Versagung im Raum.


III.
Strafrecht

Auch ein laufendes staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren allein rechtfertigt die Fortsetzung der Prüfung durch die Kassenärztliche Vereinigung und Aussetzung der Zahlung. Erkenntnisse in einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren spielen schließlich auch im Verfahren bei der KV eine gewichtige Rolle. Im oben vorgestellten Fall brachte das Ermittlungsverfahren wegen gewerbsmäßigen Betruges sogar noch weitere Zweifel an der ordnungsgemäßen Abrechnung hervor. Siehe vertiefend zum Vorgehen im Strafverfahren und zur generellen Einführung meinen Artikel unter Abrechnung Corona-Tests, Plausibilitätsprüfung, vertieftes Prüfverfahren, Abrechnungsbetrug, Teststelle, Testzentrum (anwalt.de)).


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Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/corona-schnell-test-pandemie-6848113/ und falk.law

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