Autokauf: Mangel, Gewährleistung und Rücktritt beim Fahrzeugkauf – Optionen bei Mängeln bei Neuwagen oder Gebrauchtwagen

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Einleitung

Beim Kauf eines Fahrzeugs, ob neu oder gebraucht, können Mängel auftreten, die den Gebrauchswert oder die Sicherheit erheblich beeinträchtigen. In solchen Fällen stehen Käufern eines PKW eine Reihe von Gewährleistungsrechten zur Verfügung. Dieser Artikel erklärt die rechtlichen Grundlagen und Handlungsoptionen bei Sachmängeln an Autos und beleuchtet spezifische Unterschiede zwischen Neuwagen- und Gebrauchtwagenkäufen.



Rechtliche Grundlagen der Gewährleistung

Die Gewährleistung basiert auf den Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Ein Fahrzeug weist einen Sachmangel gemäß § 434 BGB auf, wenn es nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat, sich nicht für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet oder Eigenschaften fehlen, die der Käufer erwarten darf. Die Dauer der Gewährleistung beträgt gemäß § 438 BGB zwei Jahre ab Übergabe des Fahrzeugs.

Hiervon zu unterscheiden sind Herstellergarantien, welche eine freiwillige Leistung des Herstellers darstellen. Sie bieten oft zusätzlichen Schutz, sind aber an spezifische Bedingungen geknüpft. Im Bereich des Neuwagenkaufs gewähren Verkäufer oftmals eine Herstellergarantie.



Besonderheiten des Verbrauchsgüterkaufs

Beim Verbrauchsgüterkauf, also bei einem Kaufvertrag zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer, gelten besondere Regeln, um die Rechte des Verbrauchers zu stärken. Eine zentrale Vorschrift ist hierbei die gesetzliche Vermutung gemäß § 477 BGB:

  • Vermutung des Mangels bei Übergabe: Tritt ein Sachmangel innerhalb des ersten Jahres nach Gefahrübergang (in der Regel der Fahrzeugübergabe) auf, wird vermutet, dass dieser Mangel bereits bei Übergabe vorlag. Der Verbraucher muss also nicht beweisen, dass der Mangel ursprünglich bestand. Der Verkäufer kann diese Vermutung jedoch widerlegen, indem er nachweist, dass der Mangel durch unsachgemäße Nutzung oder Verschleiß entstanden ist.
  • Beweislast nach einem Jahr: Nach Ablauf der Jahresfrist kehrt sich die Beweislast um. Der Verbraucher muss dann nachweisen, dass der Mangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorhanden war. Dies kann oft schwierig sein, insbesondere bei schleichenden Defekten oder solchen, die erst nach längerer Nutzung auftreten.
  • Praxisbeispiel zur Vermutung: Ein Käufer stellt drei Monate nach dem Fahrzeugkauf fest, dass die Klimaanlage nicht funktioniert. Da sich der Mangel innerhalb des ersten Jahres zeigt, wird davon ausgegangen, dass der Defekt bereits bei Übergabe bestand. Der Verkäufer müsste beweisen, dass der Defekt durch unsachgemäße Nutzung entstanden ist, um von der Haftung befreit zu werden.


Gewährleistung beim Gebrauchtwagenkauf

Beim Gebrauchtwagenkauf unterscheidet man zwischen Händler- und Privatverkauf:

  • Händlerverkauf: Händler dürfen die Gewährleistung nicht komplett ausschließen, sondern lediglich auf ein Jahr verkürzen. Die Beweislastumkehr gilt hier dann für das komplette Jahr der reduzierten Gewährleistung. Wenn ein Mangel auftritt, muss der Käufer diesen unverzüglich melden und sollte eine Frist zur Behebung setzen.

Beispiel: Ein Auto weist nach vier Monaten einen Defekt an der Kupplung auf. Der Verkäufer wird informiert und repariert das Fahrzeug kostenfrei.

  • Privatverkauf: Privatpersonen können die Gewährleistung ausschließen, sofern keine arglistige Täuschung vorliegt. Der Käufer sollte bei Käufen von privat besondere Vorsicht walten lassen und den PKW vor dem Kauf eingehend prüfen lassen.

Beispiel: Ein Privatverkäufer verkauft ein Fahrzeug mit ausgeschlossener Gewährleistung. Später stellt sich heraus, dass der Wagen einen versteckten Unfallschaden hat. Der Käufer kann wegen arglistiger Täuschung rechtlich vorgehen.

Typische Streitpunkte sind das Verschweigen von Unfallschäden oder Manipulationen am Kilometerstand. Eine genaue Dokumentation des Zustands bei der Übergabe ist hier besonders wichtig.



Unterschiedliche Gewährleistungsrechte im Falle eines Mangels

Bei Vorliegen eines Mangels am Fahrzeug kann der Käufer eine Vielzahl von Gewährleistungsrechten ausüben . Diese sind an verschiedene Voraussetzungen gebunden und zielen auf unterschiedliche Rechtsfolgen ab.

  • Ersatzlieferung: Bei erheblichen Mängeln kann der Käufer verlangen, dass der Verkäufer ein identisches, mangelfreies Fahrzeug liefert. Dies ist jedoch in der Praxis oft schwierig, da beispielsweise ein Modellwechsel erfolgen könnte. In diesem Fall wird der Verkäufer eine Nachbesserung (Reparatur) des Fahrzeugs vornehmen.

Beispiel: Ein Neuwagen hat ab Werk gravierende Lackfehler. Der Käufer fordert die Lieferung eines identischen Fahrzeugs ohne Lackfehler. Solange das Fahrzeug noch produziert wird, ist eine Ersatzlieferung theoretisch möglich. Im Falle eines Gebrauchtfahrzeuges scheidet eine Ersatzlieferung jedoch mangels der Verfügbarkeit eines identischen Ersatzfahrzeugs meistens aus.

  • Rücktritt: Wenn der Mangel erheblich ist und nicht behoben wird, hat der Käufer das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. Dabei wird der Kaufpreis zurückerstattet, abzüglich einer Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer.

Beispiel: Der Motor eines Neuwagens weist wiederholt Defekte auf, die nicht behoben werden können. Der Käufer tritt vom Vertrag zurück und erhält den Kaufpreis abzüglich einer Nutzungsentschädigung erstattet.

  • Minderung: Der Käufer kann den Kaufpreis nachträglich reduzieren, wenn der Mangel zwar nicht behoben wird, aber das Fahrzeug dennoch nutzbar bleibt. Die Höhe der Minderung orientiert sich am Ausmaß des Mangels.

Beispiel: Ein kleiner Kratzer im Lack eines Neuwagens wird vom Verkäufer nicht behoben. Der Käufer mindert den Kaufpreis entsprechend.



Erschwerter Rücktritt bei unerheblichen Mängeln

Gemäß § 323 Abs. 5 BGB ist ein Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Mangel unerheblich ist. Dies soll verhindern, dass Verträge wegen geringfügiger Beeinträchtigungen aufgelöst werden. Ob ein Mangel als "unerheblich" einzustufen ist, wird im Einzelfalle bewertet werden müssen. Für die Unterscheidung ist relevant, ob der Mangel tatsächlich den Gebrauchswert beeinträchtigt, oder lediglich den wirtschaftlichen Wert des Fahrzeuges herabsetzt. In der anwaltlichen Praxis ist hier viel Argumentationsspielraum.

  • Beispiel: Ein minimaler Farbunterschied zwischen zwei Fahrzeugtüren wird als unerheblicher Mangel eingestuft. Ein Rücktritt vom Vertrag ist nicht möglich. Der Käufer kann jedoch eine Nachbesserung oder eine Minderung des Kaufpreises verlangen.


Arglistige Täuschung und Anfechtung beim Gebrauchtwagenkauf

Eine Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB ist möglich, wenn der Verkäufer vorsätzlich Mängel verschweigt oder falsche Angaben macht. Beispiele:

  • Verschweigen eines erheblichen Unfallschadens: Wenn der Verkäufer Kenntnis über einen Unfall hat und diesen nicht offenlegt, kann der Käufer den Vertrag anfechten.

Beispiel: Ein Gebrauchtwagen wird laut Kaufvertrag als "unfallfrei" verkauft - tatsächlich stellt sich aber bei einer späteren Begutachtung anhand von Lackdickemessung heraus, dass das Fahrzeug bereits nachlackiert werden musste, da es in einen Verkehrsunfall verwickelt gewesen ist. Die Unfalleigenschaft führt nicht nur zu einem merkantilen Minderwert des Fahrzeuges - tatsächlich ist es auch so, dass der Käufer eines Unfallfahrzeuges nicht imstande sein wird, die Auswirkungen des Unfalles auf die Betriebsbereitschaft und die Zuverlässigkeit des Fahrzeuges einzuschätzen. Zudem wird der Käufer bei einem verschwiegenen Unfallschaden keine Informationen darüber haben, ob die Reparatur sach- und fachgeregt durchgeführt wurde. 

  • Manipulation des Kilometerstands: Eine absichtliche Verfälschung der Laufleistung, um einen höheren Verkaufspreis zu erzielen, stellt einen klaren Fall von arglistiger Täuschung dar. 

Die Anfechtungsfrist beträgt gemäß § 124 BGB ein Jahr ab Kenntnis der Täuschung, beziehungsweise im Rahmen der Gewährleistungsrechte gemäß § 438 Abs. 3 BGB 3 Jahre. Käufer sollten frühzeitig Beweise sichern, um ihre Ansprüche durchsetzen zu können. Hierbei gilt es zu beachten, dass der Käufer die Beweislast für die Täuschungshandlung des Verkäufers trägt.



Betrug beim Fahrzeugkauf

Strafrechtlich kann das Verschweigen oder Manipulieren von Mängeln als Betrug gemäß § 263 StGB geahndet werden. Typische Betrugsmethoden:

  • Tachomanipulation: Hierbei wird die angezeigte Laufleistung verringert, um den Wert des Fahrzeugs zu steigern (Umgangssprachlich wird auch vom "zurückdrehen des Tachos" gesprochen). Käufer können dies durch Prüfung der Fahrzeughistorie aufdecken.
  • Verkauf von Unfallwagen als „unfallfrei“: Ein solches Verhalten führt nicht nur zu zivilrechtlichen Ansprüchen, sondern auch zu strafrechtlichen Konsequenzen.
  • Fälschung von Fahrzeugpapieren: Manipulierte Fahrzeugdokumente stellen eine weitere Betrugsform dar und können erhebliche rechtliche Folgen für den Verkäufer haben.

Betroffene Käufer können zivilrechtlich auf Schadensersatz klagen oder vom Vertrag zurücktreten. In schweren Fällen empfiehlt sich auch eine Strafanzeige.



Was ist zu tun, wenn ein gekauftes Fahrzeug mangelhaft ist?

  1. Mängelanzeige beim Verkäufer: Der Mangel muss dem Verkäufer gemeldet werden. Dies sollte schriftlich geschehen, um den Zugang der Mängelanzeige beweisen zu können.
  2. Frist zur Nachbesserung setzen: Der Käufer sollte dem Verkäufer eine angemessene Frist setzen, innerhalb der der Mangel behoben werden muss.


Wie zeige ich Mängel richtig an?

Musterschreiben zur Mängelanzeige:

[Name des Käufers]  

[Anschrift]  

[Datum]  


[Name des Verkäufers]  

[Anschrift]  


Betreff: Anzeige eines Mangels am gekauften Fahrzeug, [Fahrzeugdaten: Marke, Modell, Kennzeichen, Kaufdatum]  


Sehr geehrte Damen und Herren,  


hiermit zeige ich an, dass das von Ihnen am [Kaufdatum] erworbene Fahrzeug folgende Mängel aufweist:  

[Beschreibung des Mangels]  


Ich fordere Sie hiermit auf, diese Mängel innerhalb einer Frist von [z. B. 14 Tagen] zu beheben. Bitte bestätigen Sie mir den Eingang dieses Schreibens. 


Mit freundlichen Grüßen,  

[Unterschrift]  

Hinweis: Senden Sie dieses Schreiben per Fax oder übergeben Sie es persönlich in Anwesenheit von Zeugen, um den Zugang zu beweisen.



Was ist zu tun, wenn die Mängelbehebung fehlschlägt?


Scheitert die Nachbesserung oder wird diese verweigert, hat der Käufer das Recht, vom Vertrag zurückzutreten. In diesem Fall sollte dies ebenfalls schriftlich erfolgen.

Musterschreiben zum Rücktritt:

[Name des Käufers]  

[Anschrift]  

[Datum]  


[Name des Verkäufers]  

[Anschrift]  


Betreff: Rücktritt vom Kaufvertrag, [Fahrzeugdaten: Marke, Modell, Kennzeichen, Kaufdatum]  


Sehr geehrte Damen und Herren,  


trotz meiner Aufforderung vom [Datum des ersten Schreibens] wurde der Mangel an dem von Ihnen am [Kaufdatum] verkauften Fahrzeug nicht behoben. Aus diesem Grund erkläre ich hiermit meinen Rücktritt vom Kaufvertrag gemäß §§ 437, 323 BGB. Ich fordere Sie auf, den Kaufpreis in Höhe von [Betrag] abzüglich einer Nutzungsentschädigung auf das folgende Konto zu erstatten:  

[Bankverbindung].


Bitte bestätigen Sie mir den Erhalt dieses Schreibens.  


Mit freundlichen Grüßen,  

[Unterschrift]  

Hinweis: Auch hier sollte der Zugang durch Fax oder persönliche Übergabe in Anwesenheit von Zeugen dokumentiert werden.



Allgemeine Hinweise zur Kommunikation mit Händlern bei Mängeln

Damit Ihre Ansprüche bei einem späteren Rechtsstreit möglichst gut durchgesetzt werden können, sollten Sie bei der Kommunikation mit dem Händler folgende Punkte beachten:

  1. Übergabe dokumentieren: Halten Sie die Fahrzeugübergabe schriftlich oder per Übergabeprotokoll fest. Insbesondere bei gebrauchten Fahrzeugen sollten alle bekannten Mängel dokumentiert werden.
  2. Mängel dokumentieren: Dokumentieren Sie jeden aufgetretenen Mangel sorgfältig, beispielsweise durch Fotos, Videos oder die Aussage von Zeugen. Dies kann später als Beweis dienen.
  3. Gutachten nur nach Rücksprache: Beauftragen Sie ein Sachverständigengutachten nur nach Rücksprache mit einem Anwalt, da hier hohe Kosten entstehen können, die möglicherweise nicht erstattet werden.
  4. Kommunikation schriftlich führen: Führen Sie die gesamte Kommunikation mit dem Händler in Textform oder dokumentieren Sie mündliche Absprachen schriftlich. Händler versuchen oft, mündliche Absprachen zu nutzen, um sich nicht an Zusagen festhalten zu lassen.

Mit diesen Maßnahmen sichern Sie Ihre Position und schaffen eine solide Grundlage für die Durchsetzung Ihrer Ansprüche.


Gerne beraten wir Sie in allen Fragen rund um das KFZ-Recht und die Rückabwicklung von Fahrzeugkaufverträgen und vertreten Sie in NRW (Bonn, Euskirchen, Sankt Augustin, Sinzig, Koblenz, Hürth etc. und im Raum Köln) sowie bundesweit.

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Rechtlicher Hinweis: Dieser Artikel stellt keine vollständige rechtliche Beratung dar und ersetzt nicht das persönliche Gespräch mit einem qualifizierten Anwalt.



Philip Bafteh
Rechtsanwalt

Kanzlei Bafteh Schönbrunn van Hattem
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