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Baden-Württemberg: Prostitutionsstätten dürfen wieder öffnen!

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Wie der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg am 06.10.2020 mehr oder weniger überraschend entschied, ist das generelle Verbot der Öffnung von Prostitutionsstätten in diesem Bundesland rechtswidrig. Die entsprechende Regelung der Corona-Verordnung wird ab dem 12.10.20 außer Kraft gesetzt. Damit dürfen ab diesem Tag Prostitutionsstätten in Baden-Württemberg wieder öffnen (VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 06.10.2020, Az.: 1 S 2871/20). 

Der Verwaltungsgerichtshof führte u.a. aus, das Betriebsverbot für Prostitutionsstätten sei bisher zwar nicht zu beanstanden gewesen, mittlerweile sei es allerdings unverhältnismäßig. 

Nach der ab dem 12.1020 geltenden Corona-Verordnung in Baden-Württemberg ist der Betrieb von Prostitutionsstätten, Bordellen und ähnlichen Einrichtungen usw. nur noch verboten, soweit die für die sexuelle Dienstleistung genutzte Räumlichkeit durch mehr als zwei Personen gleichzeitig genutzt wird.

Unklar ist, ob mit "Räumlichkeit" das gesamte Etablissement oder nur das jeweilige Arbeitszimmer gemeint ist. Nach hier vertretener Ansicht sollte es sich um das Arbeitszimmer handeln. 

Spezielle Hygiene- und Schutzregeln für Prostitutionsstätten gibt es in Baden-Württemberg nicht. Es müssen die  Hygieneanforderungen nach § 4 eingehalten werden, ein Hygienekonzept nach Maßgabe von § 5 muss zuvor erstellt werden und eine Datenverarbeitung nach § 6 muss durchgeführt werden. Zu beachten ist demnach folgendes:

- Räumlichkeiten, in denen sexuelle Dienstleistung erbracht werden, dürfen von nicht mehr als zwei Personen genutzt werden

- Es gilt die Maskenpflicht nach § 3 Abs.1 der Corona-Verordnung. Aus § 3 Abs. 2 Nr. 8 der Verordnung ergibt sich allerdings, dass keine Maskenpflicht besteht, "sofern die Dienstleistung dies erfordert". Hieraus dürfte gefolgert werden können, dass Oralverkehr und möglicherweise auch das Küssen zulässig ist. In den meisten Bundesländern besteht eine durchgängige Maskenpflicht in Prostitutionsstätten, weshalb Oralverkehr u.ä. unzulässig ist. 

- Es gelten die Hygieneanforderungen nach § 4 der Corona-Verordnung:

  1. die Begrenzung der Personenzahl auf Grundlage der räumlichen Kapazitäten und die Regelung von Personenströmen und Warteschlangen, damit eine Umsetzung der Abstandsregel nach § 2 ermöglicht wird,
  2. die regelmäßige und ausreichende Lüftung von Innenräumen, die dem Aufenthalt von Personen dienen, sowie die regelmäßige Wartung von Lüftungsanlagen,
  3. die regelmäßige Reinigung von Oberflächen und Gegenständen, die häufig von Personen berührt werden,
  4. die Reinigung oder Desinfektion von Gegenständen, die bestimmungsgemäß in den Mund genommen werden, nachdem diese von einer Person benutzt wurden,
  5. die regelmäßige Reinigung der Barfuß- und Sanitärbereiche,
  6. das Vorhalten von Handwaschmittel in ausreichender Menge sowie von nicht wiederverwendbaren Papierhandtüchern, alternativ Handdesinfektionsmittel oder andere gleichwertige hygienische Handtrockenvorrichtungen,
  7. den Austausch ausgegebener Textilien, nachdem diese von einer Person benutzt wurden,
  8. eine rechtzeitige und verständliche Information über Zutritts- und Teilnahmeverbote, die Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, Abstandsregelungen und Hygienevorgaben, Reinigungsmöglichkeiten für die Hände, eine bestehende Möglichkeit bargeldlosen Bezahlens sowie einen Hinweis auf gründliches Händewaschen in den Sanitäranlagen.

- Kontaktdaten von Kunden müssen erfasst werden, § 6 der Corona-Verordnung. Eine Pflicht zur Überprüfung der Daten durch Vorlage von Ausweisen o.ä. sieht die Verordnung nicht vor. 

Wichtig für Betreiber: Da das in der Corona-Verordnung geregelte Öffnungsverbot ab dem 12.10.20 nicht mehr gilt, dürfen die Prostitutionsstätten wieder geöffnet werden. Eine gesonderte "Erlaubnis" der Behörden ist nicht erforderlich. Allerdings müssen Betreiber darauf gefasst sein, dass die zuständige Behörde eine Vorlage des Hygienekonzeptes verlangt. 

Noch kürzlich hatte das Land Baden-Württemberg das in der Verordnung der Landesregierung über infektionsschützende Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus SARS-CoV-2 (Corona-Verordnung - CoronaVO) geregelte Betriebsverbot für Prostitutionsstätten bis zum 30.11.2020 verlängert. Große Hoffnung auf eine vorherige Öffnung gab es für Betreiber nicht. Denn noch am 28.09.20 wurden Eilanträge von Betreibern auf Wiedereröffnung von Prostitutionsstätten durch zwei Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg abgewiesen:

VGH Baden-Württemberg, Az.: 1 S 2555/20

VGH Baden-Württemberg, Az.: 1 S 2752/20

Bereits Ende August hatte das Gericht in zwei Beschlüssen entsprechendes entschieden. 

VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 20.8.2020, Az.: 1 S 2347/20

VGH Baden-Württemberg Beschluss vom 25.8.2020, Az.: 1 S 2436/20

Mittlerweile wurde auch die Allgemeinverfügung der Stadt Stuttgart aufgehoben. Danach waren hier das Anbahnen, Anbieten und Ausüben sowie die Inanspruchnahme sexueller Dienstleistungen verboten, nicht bloß die Öffnung von Prostitutionsstätten. Entsprechende  Allgemeinverfügungen in Karlsruhe oder Heilbronn waren bereits durch die Aufhebung des in der Verordnung geregelten Betriebsverbot weggefallen. 

Im bundesweiten Vergleich müssen lediglich in Hessen und in Mecklenburg-Vorpommern Prostitutionsstätten noch geschlossen bleiben. Es darf vermutet werden, dass auch in diesen Bundesländern Öffnungsverbote nicht mehr lange Bestand haben können. 


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