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Behandlungsfehler bei Tieren – wann haftet der Tierarzt?

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1. Einleitung

Arzthaftung ist in aller Munde. Nicht nur beim Menschen nehmen ärztliche Behandlungen und medizinische Eingriffe beständig zu und steigen damit zwangsläufig auch die medizinischen Fehler, sei es durch organisatorisches, menschliches, maschinelles Versagen oder mangelhafte Medizinprodukte. Auch im Bereich der Tiermedizin stellt sich das Bild nicht anders dar.

Das im Jahr 2013 in Kraft getretene Patientenrechtegesetz brachte hierbei im Bereich der Humanmedizin Rechtssicherheit, indem der Behandlungsvertrag sowie die sich aus diesem ergebenden Rechte und Pflichten in das BGB aufgenommen wurden. Aber ist nicht auch das Pferd Patient und kann der Halter ebenso in die „Patientenakte“ Einsicht nehmen und auf gewisse Beweiserleichterungen zurückgreifen?

In einer jüngeren Entscheidung des OLG Hamm (Urt.v.13.01.2015, Az. 26 U 95/14) musste sich das Gericht auch mit dieser Frage auseinandersetzen, insbesondere welche Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch eines Pferdehalters für den Verlust seines Tieres bei einer fehlerhaften tierärztlichen Behandlung vorliegen müssen?

2. Fall

Dem Gerichtsurteil lag der Fall zugrunde, dass bei einem Turnierpferd während eines Wettkampfs durch den Reiter eine fehlende Elastizität und ein fehlenden Schwung bemerkt wurde, sodass das Tier sofort in einer Tierklinik vorgestellt wurde. Im Rahmen einer Röntgenuntersuchung wurde ein radiologischer Befund in der Halswirbelsäule festgestellt. Aufgrund dieses Befundes sowie der klinischen Untersuchung stellte der Tierarzt die Verdachtsdiagnose einer erworbenen Ataxie und empfahl eine chiropraktische Maßnahme. Die Aufklärung über diese Maßnahme erfolgte in englischer Sprache, in welche auch eingewilligt wurde. Am Folgetag wurde das Pferd in Kurznarkose gelegt, um die chiropraktische Behandlung durchzuführen. Danach konnte das Pferd nicht mehr selbstständig aufstehen und verstarb einen Tag später.

3. Gerichtsverfahren

In einem sich hieran anschließenden gerichtlichen Verfahren behauptete die Klägerin, dass schon die Diagnose Ataxie falsch gewesen und nur unzureichende Untersuchungen durchgeführt worden seien, die diese Behandlung nicht gerechtfertigt hätten, sowie keine ausreichende Aufklärung über Alternativen und Risiken erfolgt sei. Es wurde hier Schadensersatz für den Verlust des Pferdes in Höhe von 495.587,40 EUR abzüglich der geleisteten Lebensversicherung von 93.839,30 EUR geltend gemacht, dem der beklagte Tierarzt entgegentrat.

Hierbei hielt das Gericht zunächst fest, dass ein Anspruch zumindest dem Grunde nach gegeben ist und führte hierzu aus: „Grundsätzlich ist die von einem Tierarzt zu fordernde Aufklärung nicht mit der Humanmedizin zu vergleichen, weil es nicht um das schützenswerte Selbstbestimmungsrecht eines Patienten geht.“

Damit zeigt das Gericht bereits aus, dass die Bestimmungen des Behandlungsvertrages auf die Tiermedizin nicht anwendbar sind, wird das Tier im BGB einer Sache gleichgesetzt und es ist aus Sicht des Gesetzgebers gerade nicht erforderlich, dieselben Anforderungen an die Behandlung und Aufklärung von Tieren wie bei Menschen zu setzen. Jedoch ist auch der Eigentümer eines Pferdes dem Tierarzt nicht schutzlos ausgeliefert, wie das Gericht weiter festhält:

Es handelt sich aber um eine normale vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflicht, wenn die Behandlung des Tieres besonders risikoreich ist bis hin zum Totalverlust und andererseits hohe finanzielle Interessen eine Rolle spielen.“

Eine Aufklärungspflicht ergibt sich hier also aus dem Dienstvertrag – somit wird sich über die Rechtsprechung damit doch wieder den Grundsätzen im Bereich der Humanmedizin angenähert, ebenso eine kunstgerechte Behandlung gefordert und es sind hiernach, wie auch beim Menschen, insbesondere unterlassene Untersuchungen, falsche Diagnosen und Therapien als nicht lege artis zu werten. Eine Rückgriff auf die Normen des Behandlungsvertrags nach den §§ 630a ff. BGB bedarf es hierzu nicht. Dabei kommt es auf eine Schriftform des Vertrags nicht an, der Tierhalter kann sich auf diese Rechte auch bei einem stillschweigend geschlossenen Vertrag berufen.

Im vorliegenden Fall kam das Gericht zu der Auffassung, dass sogar mehrfache Umstände für eine nicht ausreichende Aufklärung vorlagen. So hätte der Pferdehalter und Kläger nicht nur über das erhöhte Risiko einer Narkose bei einem ataktischen Pferd aufgeklärt werden müssen, sondern auch über alternative Behandlungsmöglichkeiten, etwa in Form einer operativen, medikamentösen oder einer chiropraktischen Behandlung am stehenden Pferd mit oder ohne Sedierung. Denn auch in der Tiermedizin gilt, dass erst die Aufklärung dem Eigentümer eine sachgerechte Entscheidung in Bezug auf eine Einwilligung zu einer Operation und damit zum Abschluss eines solchen Dienstleistungsvertrags ermöglicht.

„Es muss angesichts des Wertes des Pferdes, dessen Alter und dessen Ausbildungsstand den Eigentümern ermöglicht werden, eine Risikoabwägung vorzunehmen und in Kenntnis aller Möglichkeiten selbst zu entscheiden, ob im Hinblick auf… [Turniere] das besondere Risiko beim Aufstehvorgang eingehen oder zunächst lieber risikolosere Maßnahmen wie Medikamente oder insbesondere Behandlungen am stehenden Pferd ausprobieren bzw. sich gegebenenfalls dazu noch eine weitere Meinung einholen wollen.“, so das Gericht.

Sodann hat der Kläger darzulegen, dass sich dieser in Kenntnis des vorhandenen Risikos nicht für die durchgeführte Behandlung entschieden hätte. Für eine sogenannte hypothetische Einwilligung, die sodann der Tierarzt immer behaupten wird, d.h. für die Feststellung, dass der Eigentümer auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die durchgeführte Behandlung eingewilligt hätte, ist der Tierarzt jedoch auch darlegungs- und beweisbelastet, was ihm vorliegend nicht gelungen ist. Da nach Ansicht des Gerichts ein Aufklärungsfehler damit bewiesen war, kam es insoweit für eine Haftung dem Grunde nach nicht mehr auf den Nachweis eines Behandlungsfehlers an, auch wenn in dem Urteil noch kurze Überlegungen zu einem ebenfalls aus der Humanmedizin bekannten „groben Behandlungsfehler“, zu unterlassenen Befunderhebungen, zur Ursachenerforschung oder zu fehlender Blutuntersuchung erörtert wurden. Noch nicht entschieden und weiteren Sachverständigengutachten vorbehalten war die Frage der Höhe des Schadensersatzes – hier war fraglich, inwiefern durch eine mögliche Krankheit der Wert des Pferdes soweit gesunken war, dass dieser bereits durch die Lebensversicherung abgedeckt wurde.

Auch hier zeigt sich eine weitere Parallele zur Humanmedizin: Der Nachweis eine Behandlungs- und Aufklärungsfehlers gestaltet sich nicht nur schwierig, sodass die Erfolgsaussichten alles andere als gewiss sind und ein beträchtliches Prozesskostenrisiko dazukommt. Hinzu tritt der Umstand, dass in aller Regel nur durch ein Sachverständigengutachten vor Gericht der Beweis für einen Behandlungsfehler geführt werden kann, was mit weiteren Kosten verbunden ist, sodass eine Rechtschutzversicherung die nicht unerheblichen Prozessrisiken abfedern kann. So lag das Gesamtkostenrisiko im hier beschriebenen, wohl aber nicht alltäglichen Fall bei einem Streitwert von fast einer halben Million Euro, in der Berufungsinstanz bei mehr als 60.000 €, ohne dass hierin bereits die Gutachterkosten enthalten wären – eine Summe, die einen außergerichtlichen Vergleich durchaus fördern sollte; sofern die Berufshaftpflichtversicherung des Tierarztes hierin einwilligt, wird der Tierarzt trotz eindeutigem Fehler kaum ohne Abstimmung mit seiner Versicherung Zahlungen leisten.

4. Fazit

Auch Tierbesitzer können bei einem vermuteten Behandlungsfehler des Tierarztes aus dem der Behandlung zugrunde liegenden Vertrag bei Verletzung von (Aufklärungs-)Pflichten Schadensersatzansprüche geltend machen.

Wie in anderen Rechtsgebieten auch, steigt das Prozessrisiko mit steigenden Wert/Schaden des Tieres, wobei zu berücksichtigen bleibt (wie im Medizinrecht), dass Behandlungsfehler oftmals nur durch ein Sachverständigengutachten nachgewiesen werden können, was die Prozesskosten weiter erhöht und die Erfolgsaussichten nur schwer einschätzbar macht.

RA Maik Hieke, Lüneburg


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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