Bei (angeblicher) „Nässe“ geblitzt? Oftmals zu Unrecht - Hilfe vom Fachanwalt!

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Meist wird recht deutlich mit Verkehrszeichen ausgewiesen, wie schnell Verkehrsteilnehmer an bestimmten Stellen maximal fahren dürfen. Zuweilen kommt es aber auch vor, dass Beschilderungen verwirrend sind und es sich den Vorbeifahrenden beim flüchtigen Blick nicht sogleich erschließt, welches Limit nun gilt. Besonders schwierig ist es, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit abhängig von den Straßen- und Witterungsverhältnissen gemacht wird. Dies ist dann der Fall, wenn die bekannten runden Schildern mit der roten Umrandung und den schwarzen Ziffern auf weißem Grund (im Amtsdeutsch „Zeichen 274“ genannt) mit einem Zusatz-Zeichen „bei Nässe“ kombiniert werden.

Doch wann ist eine Straße eigentlich „nass“ und wann muss man sein Fahrverhalten somit an der (niedrigeren) zulässigen Höchstgeschwindigkeit orientieren? Wir haben bereits zahlreiche derartige Problem-Fälle bearbeitet und eben hierum soll es in diesem Beitrag gehen.

Eine schwierige Abgrenzung: Ist die Straße „nass“ - oder nur feucht?

Um es vorwegzunehmen: An dieser Frage scheiden sich nicht nur die sprichwörtlichen Geister, sondern im Einzelfall auch fachkundige Juristen. Während für den einen Betrachter die Straße „schon nass ist“, meint ein anderer, dass sie lediglich feucht ist. Zu derartigen unterschiedlichen Beurteilungen kommt es zuweilen selbst im richterlichen Kollegium.

In Ziffer 49.1 der Anlage 2 zu § 41 der Straßenverkehrsordnung (StVO) heißt es zu dem Zusatz-Zeichen „bei Nässe“ lediglich, dass dieses es Fahrzeugführenden verbietet, bei nasser Fahrbahn die angegebene Geschwindigkeit zu überschreiten. Nun gut – damit ist noch nicht wirklich Klarheit gewonnen.

Wenn das Gesetz selbst nicht klar zum Ausdruck bringt, was unter einem (un)bestimmten Begriff zu verstehen ist, dann ist es Aufgabe der Gerichte, den Begriff zu interpretieren, und eben dies ist auch schon vor langer Zeit geschehen:

In der Rechtsprechung wird „Nässe“ dann bejaht, wenn die gesamte Fahrbahn mit einem Wasserfilm überzogen ist und die Reifen eine Gischt verursachen (vgl. BGH, Beschluss vom 20.12.1977, Az. 4 StR 560/77). Nicht ausreichend soll es hingegen sein, wenn die Fahrbahn nur feucht ist und/oder wenn sich nur in Spurrillen Wasser angesammelt hat (vgl. u.a. OLG Hamm, VRS 53, 220).

Das Problem: Bei Fehl-Einschätzungen drohen heftige Rechtsfolgen – oftmals Fahrverbote

In unserer langjährigen Praxis liefen schon unzählige Fälle, in denen Mandanten zum Teil erheblichste Geschwindigkeitsüberschreitungen vorgeworfen wurden, weil Messbedienstete und auch Sachbearbeiter bei den Bußgeldbehörden das Merkmal der „Nässe“ bejahten, wohingegen unsere Auftraggeber meinten, die Straße sei nur feucht gewesen.

Bedenkt man, dass häufig „bei Nässe“ ein Tempo-Limit von 80 km/h beschildert ist und bei trockenerem Fahrbahnzustand meist mindestens 120 km/h gefahren werden darf, erschließt sich fast von selbst, dass das Maß der (angeblichen) Geschwindigkeitsüberschreitungen fast immer bei mehr als 40 km/h liegt. Wer aber außerorts mit 41 km/h oder mehr über dem angeblich vorherrschenden Limit unterwegs ist, kassiert selbst als bislang völlig unbescholtener Verkehrsteilnehmer sogleich ein Fahrverbot von wenigstens einmonatiger Dauer. Eine Geldbuße von mindestens 160 €, die sich durch Vorsatz-Annahmen und die unmittelbar bevorstehende Erhöhung der Bußgeldsätze im November 2021 auf bis zu 640 € ausweiten kann, sowie 2 Punkte in Flensburg mit fünfjähriger Tilgungsdauer kommen noch hinzu.

Auf die Spitze getrieben wird diese Betrachtung, wenn Geschwindigkeitsmessungen an Autobahnabschnitten durchgeführt werden, an denen die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur „bei Nässe“ gedrosselt ist, sonst hingegen aber überhaupt kein Limit beschildert ist. Dann sind auch angebliche Überschreitungswerte von deutlich über 50 oder 60 km/h keine Seltenheit und im Bußgeldbescheid finden sich dann auch für den „Ersttäter“ Fahrverbote von gar zwei- oder dreimonatiger Dauer und Geldbußen bis zu 1.400 € wieder. Die beiden Punkte im Fahreignungsregister gibt es mit unveränderter Tilgungsdauer hingegen gratis obenauf …

Ein prominentes Beispiel: Der Kauppen-Abstieg auf der BAB 3 zwischen Weibersbrunn und Waldaschaff – 120 km/h „bei Nässe“ oder freie Fahrt?

Das Risiko, selbst in eine solche Situation zu kommen, ist ganz erheblich. Und es wächst stetig an, denn die Kontroll-Dichte nimmt ständig zu und dies gilt auch für die hier angesprochenen Strecken-Abschnitte. Ob es dabei stets nur um Maßnahmen zur Erhöhung der Verkehrssicherheit geht oder nicht zumindest teilweise auch fiskalische Interessen mitschwingen, soll an dieser Stelle dahinstehen.

Ein fast schon berüchtigter Abschnitt im hiesigen Umfeld unserer Kanzlei mit Sitz in Aschaffenburg findet sich im Vor-Spessart. In den Anhörungsbögen und Bußgeldbescheiden heißt es dann meistens:

„Ihnen wird vorgeworfen, als Führer/in folgende Verkehrsordnungswidrigkeit(en) begangen zu haben:

Ort: Waldaschaff, BAB A3, Abschnitt 210, km 5,6, FR Frankfurt/Main

Zeit: …

Fahrzeug: …

Kennzeichen: …

Tatbestand (Nummer, Text und verletzte Vorschrift)

Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um … km/h.

Zulässige Geschwindigkeit: 120 km/h.

Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): … km/h

§ 41 Abs.1 iVm Anlage 2, § 49 StVO; § 24, § 25 StVG; 11.3…. BKat; § 4 Abs.1 BKatV

Bemerkungen: 

Z. 274 (120) mit Zusatz bei Nässe 2 x beidseitig gut sichtbar aufgestellt seit letzter Auffahrt.“

Es ist nicht verwunderlich, dass an einem derart viel befahrenen, dreispurigen Abschnitt einer der Haupt-Autobahnen Deutschlands es binnen weniger Stunden zu hunderten geblitzten Fahrzeugen kommt. Nicht selten haben uns unterschiedliche Mandanten dann für den gleichen Tag berichtet, dass die Straße keineswegs im genannten Sinne vollständig nass gewesen sei.

Man darf davon ausgehen, dass gerade im Herbst und Winter verstärkt an dieser und unzähligen anderen Stellen im Bundesgebiet Kontrollen durchgeführt werden.

Wie kann der spezialisierte Verkehrsrechtsanwalt 
helfen?

Grundsätzlich muss natürlich stets anhand der amtlichen Akte geprüft werden, ob tatsächlich die Straße nachweislich (!) „nass“ im Sinne der obigen Auslegung gewesen ist. Kann dies nicht bewiesen werden, weil beispielsweise nicht auszuschließen ist, dass sich Wasser nur in den Spurrillen gesammelt hatte, sind Einstellungen der Verfahren nicht selten. Damit wird dann die Sorge um Fahrverbote, Geldbußen und Punkte hinfällig.

In Grenz-Fällen ist es uns zumindest schon oft gelungen, Sanktionen zu reduzieren, also zu bewirken, dass ein vorgesehenes einmonatiges Fahrverbot wegfällt oder ein mehrmonatiges Fahrverbot verkürzt wird.

Zu hinterfragen ist von anwaltlicher Seite stets aber auch, ob an der beschilderten Stelle überhaupt ein Aquaplaning-Risiko besteht, denn eben dieses Risiko soll aufgrund der Beschaffenheit des jeweiligen Straßenbelages bei entsprechender Witterung durch Herabsetzen des Geschwindigkeitsniveaus der Fahrzeuge reduziert werden. Zwar gilt grundsätzlich, dass Verkehrszeichen selbst dann zu berücksichtigen sind, wenn sie den Adressaten „unsinnig“ oder „überzogen“ erscheinen – gleichwohl kann eine derartige Feststellung im Einzelfall aber wiederum der Hebel dafür sein, zumindest mit gemäßigten Rechtsfolgen aus dem Verfahren herauszukommen.

Freilich sind neben all dem auch die allgemeinen Aspekte zu prüfen und gegebenenfalls nutzbringend zu verwerten, die zu unserer üblichen Vorgehensweise bei der Verteidigung in Ordnungswidrigkeitenverfahren zählen, also insbesondere Fragen der Identifizierbarkeit der Fahrerperson und der Ordnungsgemäßheit der technischen Mess-Durchführung und -Auswertung.

Empfehlung: Nicht kampflos aufgeben, sondern fachmännisch prüfen lassen – vor allem bei bestehender Rechtschutzversicherung!

Die Chancen, wenigstens irgendeine Linderung für betroffene Fahrzeugführer zu bewirken, stehen aus den genannten Gründen oft recht gut – wenngleich umgekehrt natürlich nicht verkannt werden darf, dass Straßen durchaus tatsächlich „nass“ sein können und an dem unterstellten Geschwindigkeits-Limit dann nicht zu rütteln ist.

Jedenfalls in Grenz-Fällen sollten sich Betroffene aber schon nach Erhalt eines Anhörungsbogens an einen auf die Verteidigung in Bußgeldverfahren spezialisierten Anwalt ihres Vertrauens wenden und eine Prüfung vornehmen lassen.

Die Kosten hierfür werden von einer bestehenden Verkehrsrechtschutz-Versicherung in der Regel getragen.

Dr. Sven Hufnagel
Fachanwalt für Verkehrsrecht

Dr. jur. Sven Hufnagel ist auf die Verteidigung von Betroffenen nach angeblichen Geschwindigkeitsverstößen spezialisiert und weist Erfahrungen aus 18-jähriger Tätigkeit und mehreren tausend geführten Bußgeldverfahren auf. Er ist deutschlandweit für Betroffene im Einsatz. 

In der „Focus-Anwaltsliste“ wurde er im Jahr 2021 zum siebten Mal hintereinander als „Top-Anwalt für Verkehrsrecht“ aufgeführt und seine Kanzlei wurde im STERN-Magazin in den Jahren 2020 und 2021 wiederholt als eine der besten Verkehrsrechts-Kanzleien Deutschlands ausgezeichnet.

Weitere Informationen: www.fahrverbot-rechtsanwalt.de


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