Bei Prozesskostenhilfe - auch im Arbeitsrecht - keine Extratouren ohne sachlichen Grund!

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Dies hatte das BAG mit Beschluss vom 8.9.2011, 3 AZB 46/10 klargestellt. Bei Beantragung von Prozesskostenhilfe muss im Zweifel im Verbund geklagt werden, andernfalls droht die Versagung aufgrund von Mutwilligkeit.

So entschied auch das BAG: Die Rechtsverfolgung durch die Antragstellerin war mutwillig i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO, da sie ihre Kündigungsschutzklage in einem gesonderten Verfahren erhoben und nicht die bereits anhängige Zahlungsklage erweitert hat.

Den Urteilsgründen war zu entnehmen:

„Der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur bemittelten Partei nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Bemittelter. Dies erfordert keine völlige Gleichstellung. Jedoch muss der Unbemittelte einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und die möglichen Kostenfolgen berücksichtigt". (vgl. BVerfG, 18. März 2003 - 1 BvR 329/03 - zu II 2 a der Gründe, ZInsO 2003, 653).

Hätte daher eine bemittelte Partei, die vernünftig abwägt und die möglichen Kostenfolgen berücksichtigt, begründeten Anlass gehabt, ein gesondertes Verfahren anhängig zu machen, statt eine bereits anhängige Klage zu erweitern, ist diese Möglichkeit auch der unbemittelten Partei zu eröffnen.

Dabei können sich insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer effektiven Rechtsverfolgung sachliche Gründe ergeben, eine gesonderte Klage zu erheben, statt eine bereits anhängige Klage zu erweitern. In der Regel wird die Vermeidung der Überfrachtung eines Verfahrens durch eine Vielzahl inhaltlich nicht miteinander zusammenhängender Streitgegenstände berechtigten Anlass geben, eine gesonderte Klage zu erheben.

Die Gefahr einer sonstigen Überlastung des Rechtsstreits kann ebenfalls dafür sprechen, mehrere Rechtsstreitigkeiten anhängig zu machen. So wird es oft liegen, wenn die Entscheidung über verschiedene Streitgegenstände zwar voneinander abhängt, sich aber hinsichtlich der nachrangigen Streitgegenstände besondere Probleme stellen. Auch eine Prozesspartei, die die Kosten selbst zu tragen hat, wird vernünftigerweise ein neues Verfahren anhängig machen, wenn durch die Klageerweiterung eine unangemessene Verzögerung der Entscheidung über den ursprünglich geltend gemachten Streitgegenstand zu besorgen ist, weil nicht sicher mit einem Teilurteil (§ 301 ZPO) gerechnet werden kann.

Bei Bestandsstreitigkeiten, für die nach §§ 61a, 64 Abs. 8 ArbGG eine besondere Prozessförderungspflicht besteht, wird eine gesonderte Klageerhebung zumeist angebracht erscheinen. In jedem Fall hat der Antragsteller die Gründe darzulegen, die ihn zur Erhebung einer gesonderten Klage veranlasst haben.

Die Frage, ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur kostengünstigeren Rechtsverfolgung vorliegt, ist nicht erst im Kostenfestsetzungsverfahren nach § 55 Abs. 1 RVG zu berücksichtigen. Vielmehr begründet ein solcher Verstoß die Mutwilligkeit i.S.v. § 114 Satz 1 ZPO (BAG 17. Februar 2011 - 6 AZB 3/11 - Rn. 11 ff., NZA 2011, 422). Danach war es mutwillig, dass die Antragstellerin, statt die bereits anhängige Zahlungsklage um die Kündigungsschutzklage zu erweitern, eine neue Klage erhoben hat. Die Antragstellerin hatte ihre Zahlungsklage um Entgeltforderungen für Juni 2010 erweitert. Diese Entgeltforderungen waren vom Erfolg der Kündigungsschutzklage abhängig. Demnach war nach der von der Antragstellerin selbst vorgenommenen Einschätzung der bereits anhängige Rechtsstreit über ihre Zahlungsansprüche geeignet, auch mit der Kündigungsschutzklage im Zusammenhang stehende Fragen zu klären. Es sind deshalb keine Gründe dafür ersichtlich und von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen, warum diese Einschätzung sich nicht auch auf die von ihr erhobene Kündigungsschutzklage erstrecken sollte.

Schade für die / den Kollegen, da die Bearbeitung von Fällen auf Basis von Prozesskostenhilfe durchaus ein wirtschaftliches Wagnis zu Lasten des Anwaltes ist. Kein Wunder, dass immer weniger Berufskollegen unter diesen Bedingungen arbeiten wollen, auch wenn sie das Gesetz verpflichtet.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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