Beleidigungen in privaten Chatgruppen können fristlose Kündigung rechtfertigen

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Beleidigungen Chatgruppe fristlose Kündigung

Nachdem sich bereits vor einiger Zeit das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg [21 Sa 1291/20] mit der Frage zu befassen hatte, ob private beleidigende Chatnachrichten geeignet sind, eine fristgemäße Kündigung zu begründen, hatte nun das Bundesarbeitsgericht über eine außerordentliche fristlose Kündigung zu entscheiden. [Meinen Beitrag zum Urteil des LAG Berlin-Brandenburg finden Sie als Rechtstipp auf meinem Anwalt.de-Profil]


Ob das Bundesarbeitsgericht die Sache nunmehr anders beurteilte als das Landesarbeitsgericht im damaligen Fall, dazu hier mehr.


Worum ging es?

Der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts [Urteil vom 24.08.2023 - 2 AZR 17/23] lag folgender Sachverhalt zu Grunde.


Zwischen dem Kläger und der beklagten Fluggesellschaft bestand seit dem Jahr 2000 ein Arbeitsverhältnis. Seit 2014 gehörte der Kläger gemeinsam mit fünf anderen Arbeitnehmern der Beklagten einer Chatgruppe an, welche 2020 einen weiteren (ehemaligen) Kollegen aufnahm. Zwischen den Gruppenmitgliedern bestanden langjährige Freundschaften und zum Teil sogar Verwandtschaftsverhältnisse. Die Chatgruppe wurde dabei überwiegend für private Themen genutzt. Mehrere Gruppenmitglieder - so auch der Kläger - äußerten sich innerhalb der Gruppe jedoch in „stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise“. Ziele dieser Äußerungen waren neben den Vorgesetzten auch andere Arbeitskollegen.


Das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wurde durch die Beklagte außerordentlich und fristlos gekündigt, nachdem diese zufällig von dessen Äußerungen Kenntnis erlangt hatte. Mit der vorliegenden Klage wehrte sich der Kläger gegen diese Kündigung - und das zunächst auch erfolgreich.


Kurzer Rückblick - so entschied das LAG Berlin- Brandenburg im damaligen Fall

In dem o.g. ähnlich gelagerten Fall hatten sowohl das Arbeitsgericht in erster Instanz als auch das Landesarbeitsgericht entschieden, dass die vom Arbeitnehmer getätigten Äußerungen - so verächtlich und menschenverachtend sie auch gewesen sein mögen - nicht als Pflichtverletzungen herangezogen werden könnten. Die Äußerungen seien im engsten Kreis eines privaten Chats erfolgt, welcher erkennbar auf Vertraulichkeit ausgelegt gewesen sei. Die private Kommunikation sei dabei als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts grundrechtlich geschützt. Eine Kündigung könne aufgrund dieser Äußerungen nicht begründet werden, diese war somit unwirksam.


Das LAG gab letztlich jedoch dem Auflösungsantrag der beklagten Arbeitgeberin statt. Nachdem die Chatnachrichten an die Öffentlichkeit gelangt waren und hierdurch das Ansehen und die Arbeit der Beklagten beeinträchtigt und gefährdet wurden, sah das Gericht die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der Betriebszwecke für die Beklagte als unzumutbar an. Das Arbeitsverhältnis wurde gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst.


Vorinstanzen - vertrauliche Chats rechtfertigen Kündigung nicht

Auch im vorliegenden Fall sahen sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht Niedersachsen die Kündigung als unwirksam an und gaben der Kündigungsschutzklage statt.


Das Landesarbeitsgericht nahm dabei zwar an, dass die Äußerungen grundsätzlich als wichtiger Grund geeignet seien. Der Kläger habe vorliegend jedoch darauf vertrauen dürfen, dass seine Äußerungen innerhalb der Chatgruppe und somit vertraulich bleiben. Die vertrauliche Kommunikation genieße verfassungsrechtlichen Schutz und könne nicht als wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung herangezogen werden, so das Landesarbeitsgericht.


Und wie entschied das Bundesarbeitsgericht?

Das Bundesarbeitsgericht sah dies jedoch anders. Es hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts teilweise aufgehoben und an dieses zurückverwiesen. Das Landesarbeitsgericht habe rechtsfehlerhaft angenommen, dass zugunsten des Klägers eine berechtigte Vertraulichkeitserwartung bezüglich der Chatnachrichten bestehe und einen Kündigungsgrund zu Unrecht verneint.


Eine solche Vertraulichkeitserwartung könne jedoch nur berechtigt sein, wenn die Mitglieder einer Chatgruppe „den besonderen persönlichkeitsrechtlichen Schutz einer Sphäre vertraulicher Kommunikation“ in Anspruch nehmen könnten. Dies wiederum sei abhängig von der Zusammensetzung und Größe der Chatgruppe sowie vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten. Handelt es sich jedoch wie im vorliegenden Fall um Nachrichten beleidigender und menschenverachtender Art über Kollegen und Vorgesetzte, so bedürfe es einer besonderen Darlegung hinsichtlich der Erwartung, dass diese Nachrichten nicht an Dritte weitergegeben werden.


Ob die Kündigung letztlich also wirksam ist oder ob der Kläger die Vertraulichkeit seiner Nachrichten annehmen durfte, lässt sich noch nicht abschließend feststellen. Das Landesarbeitsgericht wird dem Kläger nunmehr Gelegenheit geben, entsprechend darzulegen, wieso er von der Vertraulichkeit seiner Nachrichten ausgehen durfte. Ob ihm das hinsichtlich der Art seiner Äußerungen gelingt, bleibt abzuwarten.


Fazit

Es bleibt letztlich also festzuhalten, dass auch vermeintlich privat getätigte beleidigende und rassistische Äußerungen innerhalb einer Chatgruppe geeignet sein können, eine außerordentliche fristlose Kündigung zu rechtfertigen - insbesondere, wenn diese Nachrichten zu Lasten von Kollegen und Vorgesetzten getätigt werden. Ob man in solchen Fällen berechtigt darauf vertrauen könne, dass die Nachrichten vertraulich und ohne Konsequenzen bleiben, hängt nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts letztlich von der Art der Äußerungen sowie von der Größe und Zusammensetzung der Gruppe ab.


Es wird hier also jeweils im Einzelfall zu prüfen und dazulegen sein, ob Chatmitglieder davon ausgehen konnten, dass entsprechende Nachrichten nicht nach Außen treten. Je größer sich die Chatgruppen jedoch gestalten und umso unterschiedlicher sich die einzelnen Mitglieder beteiligen, umso eher muss man dann auch davon ausgehen, dass Nachrichten an die Öffentlichkeit gelangen - und entsprechende Konsequenzen mit sich bringen. Es bleibt letztlich nur zu empfehlen, Nachrichten dieser Art einfach gänzlich zu unterlassen.

Foto(s): ©Adobe Stock/sompong

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