Besondere u. schnelle Rechtshilfe bei Kindesentführung-Effective legal assistance in child abduction

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Das Kindeswohl ist bedroht, wenn sog. grenzüberschreitende Kindesentführungen stattfinden, in denen der Entführer − meist ein Elternteil − ein Kind dem Sorgerechtsinhaber dadurch entzieht, dass er mit dem Kind den Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes verlässt (Herkunftsstaat) und in einem anderen Staat Zuflucht sucht (Zufluchtsstaat). 

Das Haagener Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung (kurz: HKÜ) bietet ein äußerst wirksames und schnelles Mittel zur Rückführung entführter Kinder, das Ihr Anwalt bzw. Ihre Anwältin hier erfolgreich geltend machen kann. Es schützt durch die schnelle Wiederherstellung des Status quo ante nicht nur das Wohl des Kindes und die Rechte des verletzten Sorgerechtsinhabers, sondern auch die internationale Zuständigkeit des Herkunftsstaates zur Entscheidung in der Sache. 

Das HKÜ unterscheidet sich von einem klassischen Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen wie etwa dem EuSorgerechtsÜ dadurch, dass es den Zufluchtsstaat zur originären Entscheidung über eine Rückführung verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, ob im Herkunftsstaat bereits eine Rückführungsentscheidung getroffen wurde. Hierzu regelt das HKÜ zunächst materiellrechtlich, unter welchen Voraussetzungen ein Kind in den Herkunftsvertragsstaat zurückzuführen ist, wenn es widerrechtlich – d. h. nach Art. 3 HKÜ unter Bruch eines tatsächlich ausgeübten Sorgerechts – in den Zufluchtsvertragsstaat verbracht oder dort zurückgehalten wird (Art. 1(a), 12, 13 HKÜ). 

Daneben bestimmt das HKÜ auch die Eckpunkte des Rückführungsverfahrens. Insbesondere regelt das Übereinkommen, wie die Vertragsstaaten bei der Durchsetzung des HKÜ über Zentrale Behörden zusammenarbeiten (Art. 6–10, 24 HKÜ), wie die Widerrechtlichkeit des Verbringens oder Zurückhaltens des Kindes nachzuweisen ist (Art. 14 f., 23 HKÜ) und wie sich das Verhältnis zwischen HKÜ-Verfahren und etwaigen Sorgerechtsverfahren (Art. 16 HKÜ) oder Sorgerechtsentscheidungen (Art. 17 HKÜ) des Zufluchtsstaates gestaltet. 

Auch verpflichtet das HKÜ die Vertragsstaaten bei der Anordnung der Rückführung, sei es durch die inländischen Verwaltungsbehörden oder die inländischen Gerichte, das schnellstmögliche Verfahren anzuwenden (Art. 2 S. 2, 11, 12 HKÜ). 

Das Rückführungsverfahren ist ein „Kampf gegen die Uhr“; je später eine Entscheidung ergeht, desto mehr reißen die Verbindungen zum Herkunftsland ab und desto mehr werden allein durch den Zeitablauf Fakten geschaffen.

Es ist sehr zu begrüßen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber – anders als zwischenzeitlich diskutiert – dieses in der Praxis erfolgreiche Rückführungssystem des HKÜ im Grundsatz nicht angetastet hat und im Rahmen der Brüssel IIa-VO keinen innergemeinschaftlichen Sonderweg für die Rechtshilfe bei Kindesentführungen eingeschlagen hat. Allerdings modifiziert die Brüssel IIa-VO das HKÜ, um die Rückführung entführter Kinder innerhalb des zunehmend föderalisierten europäischen Justizraums noch effektiver auszugestalten – eine Integration, die in Art. 36 HKÜ ausdrücklich vorgesehen ist. So sieht etwa Art. 11(3) Brüssel IIa-VO zur Konkretisierung des Beschleunigungsgrundsatzes des HKÜ vor, dass eine vollstreckbare Entscheidung des Gerichts innerhalb von sechs Wochen ergehen soll. 

Zudem schränkt das Gemeinschaftsrecht die Möglichkeiten ein, eine Rückführung nach Art. 13(1)(b) HKÜ in Fällen zu verweigern, in denen durch die Rückführung eine schwerwiegende Gefahr oder unzumutbaren Lage für das Kind droht. Nach Art. 11(4) Brüssel IIa-VO ist das Kind zurückzuführen, wenn nachgewiesen ist, dass angemessene Vorkehrungen getroffen wurden, um den Schutz des Kindes nach seiner Rückkehr zu gewährleisten. 

Dies soll die mitgliedstaatlichen Gerichte zur engeren Kooperation bei der Rückführung anhalten und bietet auch die Basis für einige dem deutschem Recht bisher fremde Verfahrensinstitute wie undertakings und das Einfordern von mirror und safe harbour orders. Zudem sieht das Gemeinschaftsrecht vor, dass der Herkunftsmitgliedstaat über die Rückführung das letzte Wort spricht. Nach Art. 11(8) Brüssel IIa-VO hindert eine die Rückführung wegen Art. 13 HKÜ ablehnende Entscheidung des Zufluchtsmitgliedstaates nicht die Vollstreckung einer Rückgabeentscheidung des Herkunftsmitgliedstaates, der nach Art. 10 Brüssel IIa-VO weiterhin international zuständig ist – nach Art. 42 Brüssel IIa-VO sogar ohne Exequaturverfahren (oben 2.). 

Um eine prompte Entscheidung der Gerichte des Herkunftsmitgliedstaates zu sichern, verpflichtet Art. 11(6) Brüssel IIa-VO das die Rückführung wegen Art. 13 HKÜ ablehnende Gericht, seine Entscheidung sowie seine Verfahrensunterlagen dem zuständigen Gericht des Herkunftsmitgliedstaates oder dessen Zentraler Behörde innerhalb eines Monats nach der ablehnenden Entscheidung zu übermitteln. Dieses Gericht oder die Zentrale Behörde fordern sodann die Parteien auf, Sorgerechtsanträge im Herkunftsmitgliedstaat zu stellen, Art. 11(7) Brüssel IIa-VO. Daneben setzt das Gemeinschaftsrecht aber auch eigene Akzente zur Stärkung der Verfahrensposition des Kindes und des Antragstellers im Rückführungsverfahren. So ist das Kind nach Art. 11(2) Brüssel IIa-VO vom Gericht anzuhören, wenn dies nicht aufgrund seines Alters oder seines Reifegrads unangebracht erscheint; auch eine Anhörung des Antragstellers ist in Art. 11(5) Brüssel IIa-VO vorgesehen. 

Sie haben Fragen zur Rückführung entführter Kinder oder anderen Klärungsbedarf? Dann wenden Sie sich telefonisch oder per Mail an unsere Kanzlei.

Rechtsanwältin Vera Mueller-Lehnert

English version:

The welfare of the child is threatened when so-called cross-border child abduction takes place in which the kidnapper - usually a parent - deprives a child of custody by leaving the state of habitual residence with the child (country of origin) and seeking refuge in another state ( refuge state).
 
The Hague Convention on the Civil Aspects of International Child Abduction (HKÜ) provides a very effective and fast means of repatriating abducted children which your lawyer can use successfully here. By quickly restoring the status quo ante it protects not only the well-being of the child and the rights of the injured custodian but also the international jurisdiction of the state of origin to decide on the merits.
 
The HKÜ differs from a classic recognition and enforcement convention such as the EuSorgerechtsÜ because it commits the refugee state to the original decision on repatriation, irrespective of whether a return decision has already been made in the country of origin. In this regard the HKÜ in substantive terms regulates the conditions under which a child is to be returned to the state of origin if it is illegally - i. under Art. 3 HKÜ, in the event of a breach of custody actually exercised - is either transferred to the refugee treaty state or retained there (Art. 1 (a), 12, 13 HKÜ).
 
In addition, the HKÜ also determines the key points of the return procedure. In particular, the Convention governs how the contracting states cooperate in the enforcement of the HCA on central authorities (Articles 6-10, 24 HCA), how to prove the illegality of the child's transfer or retention (Arts 14 f., 23 HKÜ) and how the relationship between the HKÜ procedure and any custody proceedings (Article 16 HKÜ) or custody decisions (Article 17 HKÜ) of the state of refuge take place?
 
The HKÜ also requires the contracting states to use the fastest possible procedure when ordering the return, may this be hrough domestic administrative authorities or the domestic courts (Art 2 p. 2, 11, 12 HKÜ).
 
The return procedure is a "fight against the clock"; the later a decision is taken the more the connections to the country of origin break down and the more facts are set by the passage of time.
 
It is very much to be welcomed that the community legislature of the European Union - in contrast to what has been discussed in the meantime - has in principle not touched this practically successful return system of the HKÜ and has not taken any special intra-community legal assistance in child abduction under the Brussels II a Regulation. However, the Brussels II a Regulation modifies the HCA to make the return of abducted children within the increasingly subsidized European judicial area even more effective - an integration explicitly provided for in Art. 36 HKÜ. For example, Article 11 (3) of the Brussels II a regulation on the specification of the acceleration principle of the HCA stipulates that an enforceable decision of the court should be made within six weeks.
 
Moreover, European community law restricts the possibilities of refusing to seek repatriation under Article 13 (1) (b) of the Convention in cases where the repatriation threatens a serious danger or an unacceptable situation for the child. According to Art. 11 (4) Brussels II a Regulation, the child is to be returned if it is shown that reasonable care has been taken to ensure the protection of the child upon his return.
 
This is intended to persuade the Member States' courts to cooperate more closely in repatriation and also provides the basis for some procedural institutions previously unknown to German law, such as undertakings and the demand for mirror and safe harbor orders. In addition, community law provides that the home member state has the "last word" on repatriation. Under Article 11 (8) of the Brussels II a Regulation, a decision of the member state of refuge refusing to repatriate Article 13 HKÜ does not preclude the execution of a return decision by the home member state which, according to Article 10 of Brussels II a, continues to have international jurisdiction - under Article 42 Brussels II a-VO even without exequatur procedure.
 
In order to ensure a prompt decision by the courts of the member state of origin, Article 11 (6) Brussels II a-VO requires the court denying the return under Art. 13 HKÜ, its decision and its procedural documents within one month to the competent court of the home member state or its central authority after the negative decision. That court or the central authority will then require the parties to submit custody applications in the home member state, Art. 11 (7) Brussels II a regulation. 

In addition, however, community law also sets its own course for strengthening the procedural position of the child and the applicant in the return procedure. Thus, according to Article 11 (2) of the Brussels II a regulation, the child must be heard by the court if this does not appear inappropriate due to its age or degree of maturity; A hearing of the applicant is also foreseen in Art. 11 (5) Brussels II a regulation.
 
Do you have questions about the repatriation of abducted children or other needs? Then contact our office by phone or mail:
 
Attorney Vera Mueller-Lehnert


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