Besteht Leistungsfreiheit des Versicherers beim unerlaubten Entfernen vom Unfallort?

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Wer einen Verkehrsunfall verursacht und sich dementsprechend schadensersatzpflichtig macht, darf den Unfallort nicht verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung zu ermöglichen. Er muss insoweit auch eine angemessene Zeit zuwarten und darf den Unfallort nicht verlassen. Anderweitig macht er sich strafbar, vgl. § 142 StGB.

Leistungsfreiheit des Versicherers

Im Verhältnis zu dem Geschädigten ist bei einem Verkehrsunfall im Grundsätzlichen der Kfz.-Haftpflichtversicherer des den Schaden verursachenden Pkw leistungspflichtig und hat die Ansprüche des Geschädigten auch für den Versicherten zu bedienen. Ein Regress des Haftpflichtversicherers gegenüber dem Versicherten ist jedoch dann anzunehmen, wenn eine sogenannte Obliegenheitspflichtverletzung des Versicherten vorliegt. Bei einer Unfallflucht ist die sogenannte Aufklärungsobliegenheit gem. E.1.3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AKB) beachtlich. Diese Bestimmung regelt, dass der Versicherte den Unfallort nicht verlassen darf, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen.

Ob diese Obliegenheit deckungsgleich ist mit der strafrechtlich relevanten Pflicht aus § 142 StGB oder darüber hinaus geht, ist in der Rechtsprechung umstritten, vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2016, 922.

Kausalität

Selbst wenn eine Unfallflucht bzw. eine benannte Aufklärungsobliegenheit nachweislich verletzt ist, führt dies noch nicht zur Leistungsfreiheit des Kfz-Haftpflichtversicherers im Innenverhältnis zu dem Versicherten und damit zu einem Regress des Versicherers.

Denn gem. E.6.1 AKB ist der Versicherer auch bei Verletzung der Obliegenheit zur Leistung verpflichtet, soweit der Versicherungsnehmer nachweist, dass die Pflichtverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war (sog. Kausalitätsgegenbeweis, der von dem Versicherten zu führen ist). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Versicherte die Obliegenheit arglistig verletzt hat.

Keine Kausalität

Der Versicherungsnehmer kann demgemäß im Einzelfall den Nachweis führen, dass der Haftpflichtversicherer trotz der Verkehrsunfallflucht kein Feststellungsnachteil erlitten hat. Dies ist dann möglich, wenn der Versicherte zeitnah nach dem Unfall diesen meldet und auch polizeilich ermittelt werden kann. Kann z. B. die ermittelnde Polizei zeitnah nach dem Unfallereignis keine Anhaltspunkte dafür finden, dass der Unfallflüchtige alkoholisiert war oder können aufgrund der Spurenlage an der Unfallörtlichkeit nach wie vor Feststellungen durch die Polizei getroffen werden, so kann dem Versicherten der sogenannte Kausalitätsgegenbeweis gelingen.

Arglist

Der Kausalitätsgegenbeweis ist jedoch bei einem arglistigen Verhalten ausgeschlossen. Hier fragt sich, ob in dem Entfernen vom Unfallort per se Arglist im Sinne der Versicherungsbedingungen anzunehmen ist.

Dies sieht die Rechtsprechung uneinheitlich. Nach der Auffassung des OLG Saarbrücken (NJW-RR 2016, 922) ist nicht jedes unerlaubte Entfernen vom Unfallort arglistig. Bei der Bewertung der Arglist ist abzustellen auf den Zeitpunkt, in dem die Obliegenheit verletzt wird. Insbesondere in dem Fall, in dem sich der Versicherte keinerlei Gedanken über die Auswirkungen seines Verhaltens auf die Eintrittspflicht des Haftpflichtversicherers macht, liegt Arglist nicht nahe, so das OLG Saarbrücken. Gegen eine generelle Annahme von Arglist bei Unfallflucht kann auch sprechen, dass sich der Versicherte durch die Unfallflucht nicht nur der Feststellung seiner Person selbst, sondern auch gleichzeitig seinen Haftpflichtversicherer von den Unfallfolgen entzieht, was gerade nicht gegen dessen Interessen behandelt werden soll. All dies ist selbstverständlich für jeden Einzelfall zu prüfen.

Anders dürfte der Fall zu bewerten sein, bei dem der Versicherte auch der Ermittlungsbehörde gegenüber konsequent seine Fahrereigenschaft bestreitet, vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.11.2017, Az. 10 U 218/16.

Empfehlung

Das Entfernen von der Unfallörtlichkeit ist strafbar, sodass der Unfallbeteiligte gehalten ist, Feststellungen zu seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, zu ermöglichen. Sollte der Unfallbeteiligte sich vom Unfallort entfernen, so besteht neben der strafrechtlichen Verfolgung das beachtliche Risiko, dass der Kfz.-Haftpflichtversicherer des Unfallverursachers den von ihm an den Geschädigten bezahlten Schadensbetrag beim Unfallverursacher regressiert. Liegt eine besonders schwerwiegende Verletzung der Aufklärungspflicht vor –z. B. durch das Negieren der Fahrereigenschaft-, so kann der Versicherer bis maximal € 5.000,00 regressieren, vgl. hierzu OLG Frankfurt, a.a.O.

Bei diesem Regress ist jedoch jeder Einzelfall differenziert zu behandeln und der Sachverhalt im Einzelnen aufzuklären. Davon hängt entscheidend ab, ob ein Regress des Kfz-Haftpflichtversicherers durchsetzbar ist.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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