Betreuung des gemeinsamen Kindes – unterhaltsrechtliche Folgen des Wechselmodells / Residenzmodells

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Immer mehr Väter wollen nach einer Trennung mehr Erziehungsverantwortung übernehmen, als das klassische Residenzmodell (die Kinder leben bei der Mutter, der Vater hat Umgangsrechte) vorsieht. Im Gegensatz zum Residenzmodell steht dabei das Wechselmodell: die Eltern teilen sich Betreuung und Erziehung der Kinder hälftig.

Häufig bestehen allerdings unklare Vorstellungen über die finanziellen Folgen beider Modelle. Insbesondere herrscht die Vorstellung, der im Residenzmodell Unterhaltspflichtige (meist Vater) werde durch das Wechselmodell finanziell entlastet. Diese Vorstellung ist korrekturbedürftig.

Zwar wird beim Wechselmodell der Kindesunterhalt zwischen den Eltern geteilt, was eine Entlastung des im Residenzmodell Unterhaltspflichtigen nahelegt. Unterscheiden sich die Nettoeinkommen der Eltern trotz beidseitiger Vollzeittätigkeit jedoch erheblich, so wirkt sich diese Teilung nicht immer positiv für den Besserverdienenden aus.

Die Unterhaltsberechnung ist eine Sache des Einzelfalls und von vielen Faktoren abhängig. Aber es ist möglich, dass im Ergebnis der Besserverdienende im Wechselmodell evtl. sogar höheren Unterhaltslasten ausgesetzt ist als im Residenzmodell.

Dies resultiert daraus, dass

  1. beim Wechselmodell ein höherer Unterhaltsbetrag für die Kinder angenommen wird als beim Residenzmodell, da die Einkommen der Eltern zusammengerechnet werden und nach diesem gemeinsamen Einkommen die jeweilige Einkommensstufe der Düsseldorfer Tabelle bestimmt wird (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2005, Az.: XII ZR 126/03), während beim Residenzmodell nur das Einkommen des Unterhaltspflichtigen zählt,
  2. eine Art Zuschlag auf den sich so ergebenden Unterhaltsbetrag für die Wechselkosten erhoben wird (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.2005, Az.: XII ZR 126/03), sodass im Ergebnis der Kindesunterhalt auch aus diesem Grund höher ausfällt als beim Residenzmodell,
  3. dieser erhöhte Unterhaltsbetrag nach den jeweiligen Einkommen zu tragen ist, wobei nur dasjenige Einkommen herangezogen wird, welches über dem angemessenen Selbstbehalt von derzeit € 1.300,00 liegt, wodurch die Quote des Besserverdienenden schnell recht hoch wird (z. B. Nettoeinkommen aus Vollzeittätigkeit € 1.500 / € 2.500 => Quote: 14% / 86%),
  4. der Trennungs- und (nach Scheidung) Aufstockungsunterhalt an den schlechter Verdienenden nicht etwa entfällt (vgl. etwa KG Berlin, Urteil vom 26.02.2010, Az.: 13 UF 97/09), sodass bei bestehenden Einkommensunterschieden vom Besserverdienenden nicht nur Kindesunterhalt, sondern häufig auch Unterhalt an den anderen Elternteil zu zahlen ist. Dies ist regelmäßig in den ersten Jahren nach der Trennung der Fall, kann aber insbesondere dann auch für längere Zeit nach Scheidung der Ehe noch zutreffen, wenn die Einkommensdifferenzen ehebedingt sind, also z. B. darauf beruhen, dass der schlechter Verdienende Karrierechancen mit Rücksicht auf die von ihm übernommene Kindererziehung nicht wahrgenommen hat.

Nur bei nahezu identischen Nettoeinkommen trifft somit die Annahme im Grundsatz zu, dass das Wechselmodell eine finanzielle Entlastung für den im Residenzmodell Unterhaltspflichtigen bedeutet. In allen anderen Fällen muss für jeden Einzelfall berechnet werden, wie sich Residenzmodell und Wechselmodell auf die jeweilige Unterhaltssituation auswirken.

Insofern gibt es häufig keinen Anlass, aus finanziellen Gründen dem einen oder anderen Modell den Vorzug zu geben. Das Kindeswohl und das Wohl der gesamten Beteiligten müssen bei der Entscheidung über die Kinderbetreuung im Vordergrund stehen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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