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Weniger Elternunterhalt wegen Betreuung des eigenen Kindes?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Man ist nicht nur den eigenen Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, sondern unter Umständen auch gegenüber den eigenen Eltern. Das kann schnell zu einer Doppelbelastung führen. Allerdings müssen Elternteile, die ihre minderjährigen Kinder selbst betreuen, nicht immer (vollschichtig) arbeiten. Doch muss das Einkommen aus einer derartigen überobligatorischen Tätigkeit für die Zahlung von Elternunterhalt verwendet werden?

Leistungsunfähig trotz guten Einkommens?

Ein Mann wurde vom 15.09.2011 bis zum 31.05.2012 in einem Heim untergebracht. In dieser Zeit erhielt er vom Sozialhilfeträger Leistungen, die dieser in Form von Elternunterhalt von den Töchtern des Mannes zurückverlangte. Während die eine Tochter leistungsunfähig war, verdiente die andere monatlich zwischen ca. 2685 Euro und ca. 3165 Euro netto.

Sie zahlte daher 1275 Euro an den Sozialhilfeträger – mehr jedoch nicht. Zwar gehe sie einer auskömmlichen Vollzeittätigkeit nach – verpflichtet sei sie dazu aber nicht. Immerhin betreue sie seit der Trennung von ihrem Mann das gemeinsame, nunmehr 12-jährige Kind allein und sei daher nicht zu einer Vollzeittätigkeit verpflichtet. Aufgrund der überobligatorischen Tätigkeit sei ihr ein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sodass sie über den bezahlten Betrag hinaus nicht mehr Elternunterhalt zu zahlen habe. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Tochter muss Elternunterhalt zahlen

Der Bundesgerichtshof (BGH) verpflichtete die Tochter zur Zahlung weiteren Elternunterhalts in Höhe von etwa 2867 Euro.

Wer hat den Unterhaltsanspruch?

Zunächst einmal wiesen die Richter darauf hin, dass der Vater gegen die Tochter einen Anspruch auf Elternunterhalt gemäß § 1601 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hatte. Weil der Sozialhilfeträger finanziell zunächst eingesprungen war, war der Unterhaltsanspruch allerdings auf ihn übergegangen, vgl. § 94 I Sozialgesetzbuch 12 (SGB XII).

Kein Elternunterhalt wegen Kindsbetreuung?

Des Weiteren stellte der BGH fest, dass sich allein die Betreuung eines eigenen Kindes nicht einkommensmindernd auswirkt. Denn die Betreuung eines Kindes ist nicht auf eine Geldleistung gerichtet, sondern darauf, das Kind zu versorgen und aufzuziehen. Somit kann sie auch nicht monetarisiert werden – es kann ihr also kein Wert in Geld zugemessen werden. Wer ein Kind großzieht, kann mit dieser Begründung in der Regel somit keinen Elternunterhalt verweigern.

Das gilt natürlich nicht, wenn dem Unterhaltspflichtigen ansonsten der notwendige Eigenbedarf zum Bestreiten des Lebensunterhalts – sog. Selbstbehalt – fehlen würde. Ferner kann Einkommen (teilweise) unterhaltsrechtlich unberücksichtigt bleiben, das aufgrund einer überobligatorischen beruflichen Tätigkeit erlangt wurde. „Überobligatorisch“ bedeutet in diesem Zusammenhang, dass ein Elternteil einer (Vollzeit-)Tätigkeit nachgeht, obwohl er aufgrund der Betreuung eines Kindes hierzu eigentlich nicht verpflichtet wäre.

Allerdings führen überobligatorische Einkünfte nicht automatisch zu einem pauschalen Betreuungsbonus – es kann also nicht einfach ein pauschaler Teil des Einkommens unterhaltsrechtlich unberücksichtigt bleiben. Vielmehr ist für jeden einzelnen Fall zu überprüfen, inwieweit bzw. in welchem Umfang den betreuenden Elternteil eine Erwerbsobliegenheit trifft, um danach zu klären, ob die ausgeübte Tätigkeit überobligatorisch ist. So kann etwa von einer Mutter, die ein zweijähriges Kleinkind betreut, keinerlei Erwerbstätigkeit verlangt werden. Ist das Kind dagegen schon „aus dem Gröbsten raus“, kann zumindest eine Teilzeit-, wenn nicht gar Vollzeittätigkeit verlangt werden, um sämtliche Unterhaltspflichten erfüllen zu können.

Kein Erwerbshindernis in Form der Kindsbetreuung erkennbar

Vorliegend konnten die Richter allerdings keine überobligatorische Tätigkeit bei der Tochter des Sozialhilfeempfängers erkennen. Ihr Sohn war bereits 12 Jahre alt und bedurfte daher keiner intensiven Betreuung mehr. Es war ihr also durchaus zuzumuten, wieder in Vollzeit arbeiten zu gehen.

Sie musste ihr Einkommen daher zur Erfüllung ihrer Unterhaltspflicht gegenüber dem Vater einsetzen und ca. 2867 Euro an den Sozialhilfeträger zurückzahlen. Ein Abzug war allerdings doch vorzunehmen, nämlich in Form des Barunterhaltsbedarfs ihres Sohnes nach den gemeinsamen Einkünften seiner Eltern, vermindert durch hälftiges Kindergeld und die Unterhaltszahlungen seines Vaters.

So erbrachte die Frau schließlich auch eigenen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt, z. B. durch Kauf der Schulsachen oder Kleidung für den Sohn. Dieser Betrag musste sich einkommensmindernd auswirken. Auch das hälftige Kindergeld durfte das Einkommen der Elternunterhaltspflichtigen nicht erhöhen. Alles andere wäre unbillig. Schließlich dient das Kindergeld der Existenzsicherung des Kindes, die Mutter durfte also damit nicht machen, was sie will. Trotzdem darf sie – im Gegensatz zum barunterhaltspflichtigen Elternteil – das hälftige Kindergeld nicht von der Unterhaltsleistung, bei ihr also von der Betreuung, abziehen. Daher musste es im Rahmen der Berechnung des Elternunterhalts unberücksichtigt bleiben.

Fazit:

Ein Kind darf Elternunterhalt nicht mit der Begründung verweigern, ein eigenes Kind betreuen zu müssen. Anderes kann aber gelten, wenn das Einkommen des Unterhaltspflichtigen überobligatorisch ist – es ist dann unterhaltsrechtlich nämlich nicht bzw. nur zum Teil zu berücksichtigen.

Tipp:

Ob und wie viel Elternunterhalt Sie zahlen müssen, können Sie einfach und schnell mit dem Elternunterhalt Rechner herausfinden! 

(BGH, Beschluss v. 15.02.2017, Az.: XII ZB 201/16)

(VOI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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