Betriebswahlen und die Briefwahl – ist das so einfach möglich?

  • 5 Minuten Lesezeit

Betriebswahlen und Briefwahl

Die Briefwahl spielte nicht nur bei der Bundestagswahl im Februar eine Rolle, sie ist auch bei den Betriebsratswahlen eines Unternehmens relevant.

Die gesetzlichen Vorgaben für die schriftliche Stimmabgabe waren am 23.10.2024 Thema des 7. Senats des Bundesarbeitsgerichts (7 ABR 34/23)

Rechtsanwalt Dr. Malte Brix

  • Rechtsanwalt und Partner, Vy - Brix Lange Verweyen Rechtsanwälte
  • Fachanwalt für Verwaltungsrecht
  • Lehrbeauftragter für Öffentliches Recht an der HWR Berlin
  • Mitglied der Arbeits­ge­mein­schaft Verwal­tungsrecht Nordost e. V.
  • Studium in Kiel und Berkeley, CA
  • Geboren in Flensburg

Kontaktformular

Wie funktioniert eine Betriebsratswahl?

Dem Wahlvorstand eines Unternehmens unterliegt grundsätzlich die Durchführung der Betriebsratswahl gem. §18 Abs. 1 BetrVG, welcher spätestens zehn Wochen vor Ablauf der Amtszeit von dem Betriebsrat bestellt wird, §16 Abs. 1 S. 1 BetrVG. Darauf hat der Arbeitgeber keinen Einfluss.

Die Hauptaufgabe des Wahlvorstandes ist es, die Wahl unverzüglich einzuleiten, durchzuführen und das Wahlergebnis festzustellen gem. §18 Abs. 1 BetrVG. Der Wahlvorstand fungiert daher als „Herr des Verfahrens“ gem. §1 Abs. 1 WO, wobei das nähere Verfahren durch die Wahlordnung zum Betriebsverfassungsgesetz geregelt ist.

Dabei kann die Betriebswahl auch angefochten werden, sofern gegen wesentliche Vorschriften des Wahlrechts, Wahlverfahrens oder die Wählbarkeit verstoßen wurde, es sei denn, das Wahlergebnis wurde dadurch nicht beeinflusst § 19 Abs. 1 BetrVG.

Die Frist hierfür beträgt zwei Wochen ab Bekanntgabe des Ergebnisses, §19 Abs. 2 S. 2 BetrVG.

Wie eine Beratung aussehen kann:

  • Anwaltliche Erstberatung zur Einschätzung der Erfolgsaussichten
  • Professionelle Vertretung Ihrer Interessen zum Beispiel im Widerspruchsverfahren oder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
  • Individuelle Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt (kein Call-Center)
  • Aufzeigen Ihrer individuellen Handlungsmöglichkeiten

Könnte eine Briefwahl ein Grund für die Anfechtung einer Betriebsratswahl sein?

Grundsätzlich ist eine Briefwahl nur die Ausnahme zur Urnenwahl vor Ort im eigentlichen Betrieb. Indes gehören auch die Vorschriften zur schriftlichen Stimmabgabe gem. §24ff. Wo BetrVG zu den anfechtungsfähigen, wesentlichen Vorschriften des Wahlverfahrens.

Eigentlich müssen bei der Betriebsratswahl die Stimmen durch Stimmzettel in die Wahlurne eingeworfen werden, §11 Abs. 1 S. 2, 12 Abs. 3 WO BetrVG. §24 Wo BetrVG ist hiervon eine Ausnahme. Es kommt darauf an, ob es dem Arbeitnehmer zumutbar ist, im Hauptbetrieb persönlich seine Stimme abzugeben, da ansonsten gegebenenfalls die generelle Briefwahl nach §24 Abs. 3 WO BetrVG beschlossen werden kann.

Ansonsten ist die schriftliche Stimmabgabe nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Wahl voraussichtlich nicht im Betrieb sein kann und an der persönlichen Stimmabgabe gehindert ist.

Der Wahlvorstand hat dann die Unterlagen von Amts wegen den Arbeitnehmern zukommen zu lassen, §24 Abs.2 WO BetrVG, sofern sich die Abwesenheit aus der „Eigenart des Beschäftigungsverhältnisses“ ergibt. Ansonsten ist ein konkretes Verlangen des Arbeitnehmers selbst zwecks Zusendung der Unterlagen erforderlich, §24 Abs. 1 WO BetrVG, welches hinreichend begründet und wiederum vom Wahlvorstand auf seine Plausibilität überprüft werden muss [LAG Düsseldorf 16. September 2011 – 10 TaBV 33/11]. Über das Verlangen nach §24 Abs. 1 BetrVG muss der Wahlvorstand beraten und mit Beschluss darüber entscheiden, sodass ansonsten eine Zusendung der Unterlagen nicht zulässig ist [LAG 20. November 2023 – 16 TaBV 83/23].

Daher liegt die Möglichkeit der Briefwahl nicht im Ermessen des Wahlvorstandes, sondern ist nur unter strikter Bindung an die festgelegten Voraussetzungen des §24 Abs. 1 oder Abs. 2 Wo BetrVG zulässig [BAG 16. März 2022 – 7 ABR 29/20].

Lassen Sie sich professionell vertreten! Jetzt handeln!

Vertretung bundesweit

  • Wir vertreten unsere Mandanten bundesweit
  • Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme und ein persönliches Gespräch

Jetzt Kontakt aufnehmen!

Aber wie verhält sich die Briefwahl in den modernen Zeiten von HomeOffice?

Als Beispiel für diese Thematik kann die Betriebsratswahl von VW aus dem Jahr 2022 herangezogen werden, welche für Mitarbeiter im pandemiebedingt angeordneten HomeOffice die Briefwahlunterlagen ohne gesondertes Verlangen, d.h. von Amts wegen, zusendete.

In der konkreten Situation der Corona-Pandemie wurde HomeOffice unter §24 Abs. 2 Nr.1 Wo BetrVG subsumiert, da die Arbeitnehmer vorübergehend und zum Zeitpunkt der Stimmabgabe von zu Hause oder mobil arbeiten mussten [Landesarbeitsgericht Niedersachsen 30. August 2023 – 13 TaBV 46/22]. Die Anwesenheit im Betrieb war nur für zwingend erforderliche Funktionen und Aufgaben vorgesehen. Die Arbeitnehmer waren daher „voraussichtlich nicht im Betrieb“ [BAG 20. Februar 1991 – 7 ABR 85/89]

Dabei wird dieses Merkmal aus §24 Abs. 2 Nr. 1 Wo BetrVG weit ausgelegt, da eine enge Auslegung unter Umständen zur Beschränkung oder sogar dem Verlust des Wahlrechts führen könnte. Die Möglichkeit der Teilnahme an der Wahl überhaupt sei jedenfalls im Verhältnis zum Vorrang der persönlichen Stimmabgabe das schätzenswertere Rechtsgut.

Beratung Digital

  • Wir bieten individuelle moderne Beratung auch per Video-Chat 
  • Sie erreichen uns jederzeit per E-Mail und erhalten digitale Entwürfe und Posteingänge
  • Gerne stehen wir auch persönlich vor Ort zur Verfügung
  • Wir bieten Beratung aus einer Hand

Und wie sieht das Bundesarbeitsgericht diese Thematik?

Das Bundesarbeitsgericht äußerte sich am 23.10.2024 zur Versendung der Briefwahlunterlagen aufgrund HomeOffice [7 ABR 34/23] und verwies die Sache erneut an das Landgericht Niedersachsen zurück.

Es war im vorliegenden Fall nicht ersichtlich, ob bestimmte Mitarbeiter, welche nur mobil und nicht gänzlich im Homeoffice arbeiteten, zum Zeitpunkt der Wahl doch im Betrieb tätig waren. Dies würde den Fällen einer zulässigen Briefwahl widersprechen. Dies könnte den Erfolg einer Wahlanfechtung bedeuten.

Diese Entscheidung verdeutlicht die strengen Grenzen der Briefwahl, welche nur als Ausnahme zulässig erscheint.

Welche Kosten entstehen?

  • Die erste Kontaktaufnahme ist immer kostenfrei
  • Die Vergütung basiert in der Regel auf dem tatsächlichen Zeitaufwand
  • Unsere Vergütungsvereinbarung erhalten Sie vorab zur Prüfung
  • Eine Erstberatung ist oft zu einem Pauschalbetrag möglich und enthält eine überschlägige Handlungsempfehlung

Diesem Problem möchten Gesetzesentwürfe nun begegnen

Eine Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes ist im Tariftreuegesetz vom 20.12.2024 vorgesehen [Drucksache 20/14345], welches die Möglichkeit der Online-Stimmabgabe ab dem Jahr 2026 vorsieht. Es wird demnach ergänzend auch die Onlinewahl eingeführt.

Dieser Umstand stellt den Arbeitgeber allerdings vor einen erheblichen Verwaltungsaufwand, zumal die Onlinewahl auch nur bei Betrieben mit bestehendem Betriebsrat möglich ist. Das Gesetz sieht hohe Sicherheitsanforderungen vor, da unter anderem die Wahlsoftware vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik zertifiziert werden muss.

Jetzt Kontakt aufnehmen!

Foto(s): Vy, Adobe Stock, Unsplash, Pixabay

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Malte Brix