BGH: Aufklärungspflicht der Bank über Sonderkündigungsrecht bei Garantiezertifikaten

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Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren Anlegern Schadensersatzansprüche zugesprochen, die nach Beratung durch ihre Bank Zertifikate der niederländischen Tochtergesellschaft Lehman Brothers Treasury Co. B.V. der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. erworben haben. Danach muss eine beratende Bank beim Vertrieb von „Garantiezertifikaten“ über Sonderkündigungsrechte der Emittentin ungefragt aufklären. 

Ein Anleger erwarb das Lehman Brothers Garantiezertifikat auf fünf Bankentitel und eine LB 6 Jahres CatchUp Note auf sechs DAX-Werte. 

Ein anderer Anleger erwarb Lehman-Brothers-Aktien-Kupon-Anleihen auf sechs DAX Werte. 

Den Zertifikaten lagen die Anleihebedingungen der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. zum Basisprospekt zugrunde. Danach sollte die Lehman Brothers Treasury Co. B.V. zum Ende der Laufzeit der Zertifikate unabhängig von der Entwicklung der Basiswerte mindestens 100 % des eingezahlten Kapitals an den Anleger zurückzahlen. In den Anleihebedingungen wird der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. ein Sonderkündigungsrecht aus Gründen eines Fusionsereignisses, eines Übernahmeangebots, eines Delistings, einer Verstaatlichung, einer Insolvenz der in den Zertifikaten in Bezug genommenen Unternehmen oder wegen einer durchgeführten oder geplanten Veränderung steuerrechtlicher Vorschriften eingeräumt. In diesen Fällen erhält der Anleger lediglich einen Rückzahlungsbetrag, der von einer Berechnungsstelle – ausgehend von dem marktgerechten Wert der Zertifikate abzüglich angemessener Aufwendungen und Kosten – berechnet wird. In den Anleihebedingungen wird darauf hingewiesen, dass der vorzeitige Rückzahlungsbetrag möglicherweise unter dem Nennbetrag liegen oder sogar Null betragen könne. Auf das Sonderkündigungsrecht der Lehman Brothers Treasury Co. B.V., das u.a. bei einer Insolvenz der in den Zertifikaten in Bezug genommenen Unternehmen bestand, und dessen Rechtsfolgen wurden die Anleger von der Bank allerdings nicht hingewiesen. Die Anleihebedingungen wurden ihnen ebenfalls nicht übergeben. Nach der Insolvenz der Lehman Brothers Holding Inc. im September 2008 wurden die Zertifikate daher so gut wie wertlos. 

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs liegt eine schuldhafte Pflichtverletzung der Bank aus dem geschlossenen Anlageberatungsvertrag vor, sodass die Bank Schadensersatz leisten musste. Die Empfehlung der Zertifikate sei in beiden Verfahren nicht anlagegerecht gewesen. Bei den Zertifikaten handle es sich um Inhaberschuldverschreibungen mit einem zugesicherten Kapitalschutz. Bei solchen „Garantie-Zertifikaten“ muss eine beratende Bank die Anleger ungefragt über das in den jeweiligen Anleihebedingungen geregelte Sonderkündigungsrecht der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. aufklären. Schließlich kann dieses Recht zu einem Totalverlust der Anleger führen. Wesentliches Merkmal eines Garantiezertifikats mit 100%-igem Kapitalschutz sei es, dass sich das Risiko des Anlegers darauf beschränkt, mit dem Anlagebetrag während der Anlagezeit möglicherweise keine Gewinne zu erwirtschaften oder dass die Lehman Brothers Treasury Co. B.V. insolvent wird. Ein Sonderkündigungsrecht der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. steht der grundsätzlichen Konzeption dieses Anlageprodukts daher diametral entgegen und ist daher uneingeschränkt aufklärungspflichtig. 

BGH, Urt. v. 25.11. 2014 – XI ZR 169/13 und XI ZR 480/13


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