Die Rechtsprechung des BGH zur Aufklärungspflicht einer Bank über Rückvergütungen setzt sich fort
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Mit Urteil vom 19.07.2011 (Az XI ZR 191/10) hat der Bundesgerichtshof erneut klargestellt, dass eine Bank ihre Anleger im Beratungsgespräch auch ungefragt über erhaltene Rückvergütungen aufklären muss.
Seit Jahren geht der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass eine Bank einem Kunden im Beratungsgespräch offenlegen muss, wie viel sie für die Vermittlung eines Wertpapiers, einer Fondsbeteiligung usw. von dem Emittenten für die Vermittlung der Anlage erhält. Nach dem Bundesgerichtshof besteht eine entsprechende Aufklärungspflicht, um den Kunden beurteilen zu lassen, ob ihm die Bank dieses Produkt nur aus Eigeninteresse anbietet oder ob er das Produkt trotz des Gewinninteresses der Bank erwerben möchte.
Der Bundesgerichthof hat mit seiner neuen Entscheidung klargestellt, dass der Bankberater - anders als ein freier Anlageberater - ungefragt sowohl über das „Ob", als auch über die Höhe der Rückvergütungen (sog. Kickbacks) aufklären müsse. Nach Ansicht der BGH Richter sei es auch nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt habe, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung beruft.
In dem zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger im Jahr 2003 auf Anraten seiner Bankberaterin Anteile an einem Fonds im Gegenwert von 25.000 € zzgl. 5 % Agio und - nach erneuter Beratung durch die Mitarbeiterin - im Jahr 2004 solche am zweiten Fonds zum gleichen Gegenwert zzgl. 5 % Agio erworben. Im Verkaufsprospekt hieß es, dass die beklagte Bank für die Vermittlung eine Vergütung von 4,9 % des platzierten Kommanditkapitals sowie das Agio i. H. v. 5 % und für die Übernahme der Platzierungsgarantie eine Vergütung i. H. v. 2 % des vermittelten Kommanditkapitals erhalte. Letztlich erhielt die beklagte Bank eine Vertriebsprovisionen von bis zu 8,72 %.
Der Kläger nahm die beklagte Bank auf Schadensersatz in Anspruch, da diese ihn nicht über die erhaltenen Rückvergütungen aufgeklärt hatte.
Der Bundesgerichtshof hat der Klage auf Rückabwicklung der Beteiligungen, mithin die Rückzahlung der geleisteten Einlagen zzgl. Agio, stattgegeben.
Im vorliegenden Fall ging es um verheimlichte Provisionsrückflüsse von einem Dritten an den Berater des Kapitalanlegers. In einem solchen Dreipersonenverhältnis ist der durch die Zuwendung bestehende Interessenkonflikt nicht offenkundig, so dass darüber aufgeklärt werden müsse.
Der Bundesgerichtshof führte aus, dass der Kläger nicht habe nachfragen müssen, anders als ein freier Anlageberater müsse ein Bankberater ungefragt nicht nur über das „Ob", sondern auch über die Höhe der Rückvergütungen aufklären. Es sei auch nicht treuwidrig, wenn der Anleger, der nicht nachgefragt habe, sich später auf die Aufklärungspflichtverletzung berufe. Aus dem Einverständnis des Anlegers mit Provisionszahlungen bei Wertpapiergeschäften könne nicht auf sein Einverständnis mit Rückvergütungen geschlossen werden. Ein solcher Schluss wäre nur möglich, wenn der Anleger vergleichbare Produkte in Kenntnis dort geflossener Rückvergütungen erworben hätte.
Das Verschulden der beklagten Bank wegen einer Pflichtverletzung werde nach Ausführungen des Bundesgerichtshofs nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Soweit sich die beklagte Bank auf einen Rechtsirrtum berufen hat, hat der BGH entgegnet, dass die Haftung wegen einer fahrlässig begangenen Pflichtverletzung nur bei Vorliegen eines unvermeidbaren Rechtsirrtums entfalle. Grundsätzlich trifft den Schuldner das Risiko, die Rechtslage zu verkennen. Doch wie der Senat bereits mit Beschluss vom 29.6.2010 (Az.: XI ZR 308/09) entschieden hat, kann sich eine anlageberatende Bank jedenfalls für die Zeit nach 1990 hinsichtlich ihrer Aufklärungspflicht über Rückvergütungen nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen.
Diese Ausführungen des Bundesgerichtshofes spielen insbesondere für die Verjährung von Ansprüchen wegen Aufklärungspflichtverletzungen im Zusammenhang mit Rückvergütungen eine wichtige Rolle! Ein Anleger kann sich nach den Ausführungen des BGH noch heute darauf berufen, dass eine Bank ihn beispielsweise im Jahr 2001 nicht über Rückvergütungen im Zusammenhang mit dem Vertrieb von Wertpapieren aufgeklärt hat!
Doch auch hier ist Vorsicht geboten. Ansprüche, die vor dem Jahr 2002 entstanden sind, werden voraussichtlich mit Ablauf des Jahres 2011 verjähren, so dass sich betroffene Anleger jetzt um die Durchsetzung ihrer etwaigen Ansprüche kümmern sollten!
Rechtsanwältin Olivia Holik
Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht
Rechtsanwaltkanzlei Holik
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