BGH-Entscheidung: Wohnungseigentümer muss nicht mehr für Dachsanierung zahlen

  • 4 Minuten Lesezeit

In einem aktuellen Fall vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ging es um die Streitigkeiten innerhalb einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern einer Wohnanlage mit 22 Einheiten. Das besondere Highlight dieser Anlage war eine Kegelbahn, und der Beklagte in diesem Fall war Eigentümer einer Teileigentumseinheit innerhalb dieses Kegelbahngebäudes. Die Auseinandersetzung entzündete sich an den Kosten für die dringend notwendige Dachsanierung des Kegelbahngebäudes. Der Beklagte war mit der Kostenverteilung nicht einverstanden und erhob Klage. Doch die Dachsanierung wurde bereits im selben Jahr durchgeführt, und die Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) zahlte die Kosten, die sie dann mit der nächsten Jahresabrechnung auf den Beklagten umlegte. Während der Beschluss über die Jahresabrechnung vom Beklagten nicht angefochten und damit rechtskräftig wurde, wurde später der zuvor angefochtene Beschluss zur Verteilung der Dachsanierungskosten für ungültig erklärt. Dies führte zu einer komplizierten Rechtslage, die schließlich zur Entscheidung vor dem BGH landete.

Zu den Fakten: Darum geht es in dem Fall

In diesem Fall geht es darum, dass der Beklagte Teil einer Gemeinschaft von Wohnungseigentümern ist, denen zusammen eine Wohnungseigentumsanlage mit 22 Einheiten gehört. Zu der Anlage gehört auch ein Gebäude, in dem es eine Kegelbahn gibt, und der Beklagte ist Eigentümer einer Teileigentumseinheit innerhalb dieses Kegelbahngebäudes.

Im Oktober 2017 wurde beschlossen, das Dach des Kegelbahngebäudes zu sanieren. Die Kosten für die Dachsanierung über der Einheit des Beklagten wurden auf ihn alleine in Höhe von voraussichtlich 24.000 € verteilt. Der Beklagte war mit dieser Kostenverteilung nicht einverstanden und hat dagegen Klage erhoben (sogenannte Beschlussanfechtungsklage).

Die Dachsanierung wurde jedoch noch im selben Jahr 2017 durchgeführt, und die WEG zahlte die Kosten. Während dieses laufenden Klageverfahrens wurde im Juni 2018 die Jahresabrechnung für das Jahr 2017 erstellt. In dieser Abrechnung wurden die Kosten der Dachsanierung gemäß dem zuvor angefochtenen Beschluss auf den Beklagten umgelegt. Dies führte dazu, dass der Beklagte eine Nachzahlung in Höhe von 22.270,13 € leisten musste.

Nachdem der Beschluss über die Jahresabrechnung rechtskräftig wurde, erklärte ein Gericht den zuvor angefochtenen Beschluss zur Verteilung der Dachsanierungskosten für ungültig. Trotzdem forderte die Verwalterin der Wohnungseigentümergemeinschaft den Beklagten vergeblich zur Zahlung der 22.270,13 € auf und erhob schließlich Klage, um diese Summe plus Anwaltskosten und Zinsen einzufordern.

Das Amtsgericht entschied zugunsten der Klägerin, und die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil wurde ebenfalls abgelehnt. Der Beklagte hatte schließlich Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) eingereicht, um weiterhin die Abweisung der Klage zu erreichen.

Auf den Punkt gebracht: Zusammenfassung der Entscheidungsgründe

In dem vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof (BGH) letztendlich zugunsten des Beklagten entschieden, und zwar aus folgenden Gründen:

  1. Das Berufungsgericht ging zunächst richtig davon aus, dass die Zahlungspflicht des Beklagten in Bezug auf die Abrechnungsspitze aufgrund des Beschlusses über die Jahresabrechnung 2017 gemäß § 28 Abs. 5 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) begründet wurde. Dieser Beschluss basierte auf dem zum Zeitpunkt seiner Verabschiedung geltenden Recht.
  2. Allerdings machte das Berufungsgericht einen Fehler, indem es annahm, dass dieser Zahlungsanspruch unabhängig davon durchsetzbar sei, dass der in der Jahresabrechnung verwendete Verteilungsschlüssel für die Dachsanierungskosten für ungültig erklärt wurde. Der Beklagte hatte weder gegen den Beschluss über die Jahresabrechnung geklagt noch auf eine erneute Beschlussfassung hingewirkt.
  3. Es ist richtig, dass Einwände gegen die Wirksamkeit von Beschlüssen in der Regel mittels einer Anfechtungsklage geltend gemacht werden müssen. Solange diese Beschlüsse nicht rechtskräftig für ungültig erklärt wurden, sind sie gemäß § 23 Abs. 4 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG) gültig und begründen die Zahlungspflicht der Wohnungseigentümer. Ein Verfahren zur Zahlungsklage kann nicht ausgesetzt werden, selbst wenn es ein Anfechtungsverfahren gegen einen Beschluss gibt.
  4. Trotzdem kann in bestimmten Fällen, wie in diesem Fall, die Durchsetzung eines Zahlungsanspruchs nicht mehr möglich sein. Dies ist der Fall, wenn der Beschluss über die Kostenverteilung in der Jahresabrechnung rechtskräftig für ungültig erklärt wurde und der betroffene Wohnungseigentümer keine Schritte unternommen hat, um eine erneute Beschlussfassung herbeizuführen.
  5. In diesem speziellen Fall war es für den Beklagten vernünftig, auf den Ausgang des Vorprozesses zu warten und darauf zu vertrauen, dass eine dort zu seinen Gunsten ergangene gerichtliche Entscheidung ohne die vorsorgliche Einreichung einer weiteren Anfechtungsklage für die Jahresabrechnung berücksichtigt würde.
  6. Da der Beschluss über die Kostenverteilung in der Jahresabrechnung 2017 für ungültig erklärt wurde, muss die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gemäß Treu und Glauben von der weiteren Durchsetzung der Nachschussforderungen aus dieser Jahresabrechnung absehen.
  7. Daher kann die Klägerin, nachdem das Urteil im Vorprozess rechtskräftig wurde, keine Ansprüche auf die negative Abrechnungsspitze, Zinsen für den Zeitraum nach Rechtskraft des Vorprozess-Urteils oder außergerichtliche Rechtsanwaltskosten geltend machen.
  8. Aus diesen Gründen wurde das angefochtene Urteil in Bezug auf die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der negativen Abrechnungsspitze, vorgerichtlicher Anwaltskosten und Zinsen nach Rechtskraft des Vorprozess-Urteils vom Bundesgerichtshof aufgehoben, und die Klage wurde abgewiesen.

Dies ist lediglich eine kurze Zusammenfassung des Urteils des BGH vom 16. Juni 2023 - V ZR 251/21, in der die Gründe für die Entscheidung des BGH verständlich für juristische Laien dargelegt werden. Das vollständige Urteil des BGH kann hier im Volltext heruntergeladen werden: BGH, Urteil vom 16. Juni 2023 - V ZR 251/21.

Foto(s): Bild von Peggy und Marco Lachmann-Anke auf Pixabay


Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Janina Werner

Beiträge zum Thema