BGH mahnt Landgericht: Eigenbedarfskündigungen erfordern gründliche Prüfung in Berufungsinstanzen

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem Beschluss vom 8. August 2023 (Az. VIII ZR 20/23) eine wichtige Entscheidung im Mietrecht gefällt, die die Prüfungskompetenz der Berufungsinstanzen bei Eigenbedarfskündigungen betrifft. In dem Fall ging es darum, ob der Eigentümer eines vermieteten Grundstücks rechtmäßig wegen Eigenbedarfs kündigen konnte. Der BGH rügte das Landgericht München II dafür, sich in seiner Entscheidung zu sehr wie ein Revisionsgericht verhalten und nicht ausreichend die Argumente der Berufungsführer berücksichtigt zu haben. Wir erklären, worum es in diesem Fall ging und welche Bedeutung die Entscheidung des BGH für das Mietrecht hat.

Eigenbedarf oder Verkaufsabsicht?

Der Streitfall hatte seinen Ursprung im Mietrecht. Ein Grundstückseigentümer hatte ein Grundstück mit einem Haus und einem Nebenhaus vermietet und plante zunächst, es zu verkaufen. Die Mieter verwehrten jedoch dem Makler den Zugang zur Immobilie. Daraufhin änderte der Eigentümer den Kündigungsgrund und gab an, das Grundstück für sich und seine Familie nutzen zu wollen.

Das Gesetz sieht vor, dass Eigenbedarf ein berechtigter Kündigungsgrund ist, während die Kündigung zum Zweck des Verkaufs in der Regel nicht erlaubt ist, es sei denn, der Vermieter wäre durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert. Die zentrale Frage für das Amtsgericht Wolfratshausen war, ob tatsächlich Eigenbedarf vorlag oder ob der Vermieter diesen Grund nur vorschob, um die Mieter aus dem Haus zu bekommen und das Grundstück dann an einen Dritten zu verkaufen. Hierzu wurden auch die beiden Söhne des Vermieters als Zeugen vernommen.

Amts- und Landgericht gaben der Räumungsklage statt

Das Amtsgericht entschied zugunsten der Familie und gab der Räumungsklage statt. Die aktuellen Bewohner des Hauses legten jedoch Berufung beim Landgericht München II ein und zweifelten an der Glaubhaftigkeit der Eigenbedarfskündigung. Das Landgericht München II setzte sich jedoch nicht mit den gegen die Glaubwürdigkeit der Kündigung vorgebrachten Argumenten auseinander und folgte den Feststellungen des Amtsgerichts.

BGH rügt das Berufungsgericht

Der BGH kritisierte die Entscheidung des Landgerichts scharf und erklärte, dass das Landgericht sich wie ein Revisionsgericht verhalten habe. Die Berufungsinstanz müsse jedoch, wie auch die Revision, eine "fehlerfreie und überzeugende" Entscheidung treffen und nicht nur Rechtsfehler prüfen.

Der BGH betonte, dass die Berufungsinstanz in Bezug auf die Tatsachenfeststellung keine reine Rechtskontrolle ausüben sollte, sondern eine "zweite - wenn auch eingeschränkte - Tatsacheninstanz" sei. Sie sollte eine eigene Beweiswürdigung vornehmen, insbesondere dann, wenn es konkrete Anhaltspunkte dafür gibt, dass die erstinstanzliche Feststellungen unvollständig oder unrichtig sind.

Der BGH verwies den Rechtsstreit an das Landgericht zurück, damit dieses die Argumente der Mieter angemessen würdigen könne. Es sei nicht ausgeschlossen, dass die Beweiswürdigung des Amtsgerichts zu einem falschen Ergebnis geführt habe, so der BGH.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH in diesem Fall verdeutlicht die Bedeutung der Prüfungskompetenz der Berufungsinstanzen bei Eigenbedarfskündigungen. Richter müssen sich bewusst sein, dass sie nicht nur Rechtsfehler überprüfen, sondern auch eine eigene Beweiswürdigung vornehmen müssen, insbesondere wenn es konkrete Anhaltspunkte für Unrichtigkeiten in den erstinstanzlichen Feststellungen gibt. Diese Entscheidung stärkt die Rechte von Mietern und stellt sicher, dass Eigenbedarfskündigungen nicht leichtfertig akzeptiert werden, wenn Zweifel an ihrer Berechtigung bestehen.

Foto(s): WERNER Rechtsanwälte, Konstanz

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