BGH stärkt Verbraucher bei unzureichenden Angaben zur Vorfälligkeitsentschädigung

  • 6 Minuten Lesezeit

Bankkunden mussten bislang mit hohen Kosten rechnen, wenn sie vorzeitig aus ihrem Vertrag für ihr Immobiliendarlehen austreten wollten. Für diese Fälle wird in der Regel eine sog. Vorfälligkeitsentschädigung von der jeweiligen Bank verlangt. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung die Rechte der Verbraucher erheblich gestärkt und damit eine verbraucherfreundliche Entscheidung des OLG Frankfurt bestätigt. Betroffene können auf Grundlage dieser Entscheidung die gezahlte Vorfälligkeitsentschädigung von ihrer Bank zurückverlangen.

OLG Frankfurt verurteilt Commerzbank zur Rückzahlung der Vorfälligkeitsentschädigung

Der Kläger musste der Commerzbank für die vorzeitige Rückzahlung zweier Darlehen 21.500 € bezahlen. Das OLG Frankfurt entschied mit Urteil vom 01. Juli 2020 ( Az.: 17 U 810/19),  dass ein Bankkunde keine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss, wenn die Angaben für die Berechnung "nicht klar und verständlich" sind.  

BGH verwirft Beschwerde der Commerzbank

Die von der Commerzbank gegen das Urteil des OLG Frankfurt eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom BGH nunmehr durch Beschluss (Az. XI ZR 320/20) zurückgewiesen. Das Urteil des OLG Frankfurt ist damit rechtskräftig.

Neben Commerzbank auch andere Banken vom Urteil betroffen

Nach Recherchen des Handelsblatts sind von dieser Entscheidung des OLG Frankfurt rund 95.000 Verträge, die ab dem 21. März 2016 geschlossen worden sind, betroffen. Für Kunden der Commerzbank gibt es nach der Entscheidung des BGH nunmehr keinen Grund mehr, mit der Rückforderung der zu unrecht bezahlten Vorfälligkeitsentschädigung zuzuwarten.

Der Wortlaut der betroffenen Klausel

Die vom OLG Frankfurt beanstandete Klausel lautet wie folgt:

"7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens

Sofern der Darlehensnehmer der Bank mitteilt, dass der Darlehensnehmer eine vorzeitige Rückzahlung des Darlehens beabsichtigt, wird die Bank dem Darlehensnehmer unverzüglich die für die Prüfung dieser Möglichkeit erforderlichen Informationen schriftlich übermitteln:

1. Auskunft über die Zulässigkeit der vorzeitigen Rückzahlung

2. im Fall der Zulässigkeit die Höhe des zurückzuzahlenden Betrages

3. gegebenenfalls die Höhe einer Vorfälligkeitsentschädigung und

4. Kosten der Bank für zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückzahlung

5. Mitteilung über eventuelle Annahmen die im Rahmen der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung erforderlich waren

Die Bank berechnet die Vorfälligkeitsentschädigung finanzmathematisch nach der sogenannten, Aktiv-Passiv‘-Methode. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung ist der Zeitpunkt, zu dem die vorzeitig zurückgezahlte Darlehensvaluta bei der Bank eingeht. Im Einzelnen rechnet die Bank wie folgt:

Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar.

Zu Gunsten des Darlehensnehmers berücksichtigt die Bank bei der Berechnung, dass die nach Maßgabe des Darlehensvertrages geschuldeten, ganz oder teilweise ausfallenden Zahlungen in der Zukunft liegen. Finanzmathematisch erfolgt dies im Wege der 'Abzinsung' jeder einzelnen ganz oder teilweise ausfallenden Zahlung über den Zeitraum zwischen ihrer vertraglich vereinbarten Fälligkeit und der tatsächlich erfolgenden Rückzahlung (sog. ,Barwertmethode‘): Zur Abzinsung der in der Zukunft liegenden Zahlungen zieht die Bank die entsprechenden Zinssätze des Geld- und Kapitalmarkts heran, die die Bank bei der Berechnung des Zinsausfalls zugrunde legen (s. o.).

Von der so ermittelten Schadenssumme zieht die Bank

(a) zu Gunsten des Darlehensnehmers die für das Darlehen auf Seiten der Bank ersparten Verwaltungskosten ab, weil keine weitere Bearbeitung für das Darlehen erforderlich ist. Weiter wird

(b) von diesem Betrag zu Gunsten des Darlehensnehmers ein Abschlag für ersparte Risikokosten vorgenommen. Dieser resultiert daraus, dass die Bank für den Zeitraum zwischen der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens und dem Zeitpunkt, zu dem das Darlehen normalerweise zurückzuzahlen gewesen wäre, kein Ausfallrisiko für das Darlehen mehr tragen muss.

Die Schadenssumme, vermindert um die vorstehend unter (a) und (b) genannten, ersparten Verwaltungs- und Risikokosten, ergibt dann die von dem Darlehensnehmer an die Bank zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung.

Zu der so ermittelten Vorfälligkeitsentschädigung werden noch die Kosten der Bank für den zusätzlichen Aufwand der vorzeitigen Rückführung addiert. Dem Darlehensnehmer ist der Nachweis vorbehalten, dass diese Kosten nicht oder in wesentlich geringerer Höhe entstanden sind.

Entsteht der Bank aufgrund der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Berechnung kein Schaden, ist von dem Darlehensnehmer keine Vorfälligkeitsentschädigung zu zahlen.

Entsteht der Bank aufgrund der vorzeitigen Rückführung des Darlehens nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Berechnung ein Schaden, so ist der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ungeachtet dessen gesetzlich ausgeschlossen, wenn

1) die Rückzahlung aus den Mitteln einer Versicherung bewirkt wird, die auf Grund einer entsprechenden Verpflichtung im Darlehensvertrag abgeschlossen wurde, um die Rückzahlung zu sichern, oder

2) im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind."

Die Begründung der fehlenden Verständlichkeit der Klausel durch das OLG Frankfurt

Sehr deutlich führt das OLG Frankfurt hierzu aus:

"Diese Darstellung ist in Bezug auf den zweiten Rechenschritt indes unverständlich. Wenn es dort heißt, dass die Bank ermittelt, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde, und erläutert, dass „[die Bank] dabei differenziert […] wie folgt“, erwartet der Verbraucher eine Beschreibung dieser differenzierten Vorgehensweise. Eine solche Beschreibung enthält die Klausel jedoch nicht. Es folgt lediglich die Erklärung, dass die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde legt, „soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristenkongruenten Laufzeiten vorhanden sind“. Was geschieht, soweit solche Hypothekenpfandbriefe nicht vorhanden sind, etwa bei unterjährigen Laufzeiten, bleibt offen. Dazu verhalten sich die Darlehensverträge weder an dieser, noch an einer anderen Stelle. Eine vollständige Beschreibung des zweiten Rechenschritts findet sich lediglich im Merkblatt „Vorfälligkeitsentscheidung“, welches die Beklagte den Klägern erst mit Schreiben vom 19.10.2018 und damit ca. zwei Jahre nach Vertragsschluss übersandt hat. Dort heißt es klar und verständlich: „Der Berechnung können Sie auch die Wiederanlagerenditen entnehmen, zu denen wir die jeweiligen Beträge am Geld- und Kapitalmarkt anlegen können. Bei der Berechnung werden bei Laufzeiten bis zu einem Jahr Geldmarktpapiere und bei Laufzeiten über einem Jahr Hypothekenpfandbriefe herangezogen.“

Nicht nur die Commerzbank, auch eine Vielzahl andere Kreditinstitute haben Klauseln zur Vorfälligkeitsentschädigung verwendet, die einer rechtlichen Überprüfung nicht standhalten dürften.

Ansprüche können mit Ablauf 2021 verjähren

Wer eine Vorfälligkeitsentschädigung gezahlt hat, kann diese innerhalb der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) zurückverlangen. Die Verjährung beginnt am Schluss des Jahres, in dem der Verbraucher von seinem Rückzahlungsanspruch Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können (§ 199 BGB). Betroffene sollten deshalb zeitnah durch einen spezialisierten Fachmann prüfen lassen, ob die ihre Ansprüche rechtlich noch durchsetzbar sind.

Jetzt kostenlose Erstberatung nutzen

Rechtsanwalt Markus Mehlig ist im Schwerpunkt im Bankrecht tätig und vertritt bundesweit Betroffene bei der Rückforderung von Vorfälligkeitsentschädigungen gegen die Commerzbank sowie andere Kreditinstitute. Gerne prüft er auch Ihren Fall im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Markus Mehlig

Beiträge zum Thema