BGH verneint Widerruftsrecht des Mieters nach Abgabe der Zustimmungserklärung zur erhöhten Miete

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I. Zum Inhalt der Entscheidung

Der Kläger in dem vom Bundesgerichtshof aktuell zu entscheidenden Fall ist Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Im Juli 2015 forderte die Beklagte, vertreten durch ihre Hausvertretung, den Kläger brieflich unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel auf, einer (brieflich näher erläuterten) Erhöhung der Netto-Kaltmiete von 807,87 Euro auf 929,15 Euro zuzustimmen. 

Dieser Aufforderung leistete der Kläger zunächst Folge, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner zuvor erteilten Zustimmung. Anschließend entrichtete er von Oktober 2015 bis Juli 2016 die monatlich um 121,18 Euro erhöhte Miete lediglich unter Vorbehalt. Mit seiner Klage verlangt er klagehäufend zum einen die Rückzahlung der für diese zehn Monate entrichteten Erhöhungsbeträge von insgesamt 1.211,80 Euro sowie die Feststellung, dass sich die Netto-Kaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung nicht erhöht habe.

Das Kernproblem des Falls lag darin begründet, dass der Änderungsvertrag hier in Form der Abgabe der Zustimmungserklärung durch einen ausschließlichen Briefwechsel durch die Parteien und daher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (siehe § 312c Bürgerliches Gesetzbuch) zustande kam, mit der Folge, dass dem Kläger als Mieter das verbraucherschützende Widerrufsrecht (siehe § 312g BGB) zupasskommen könnte, um seiner Änderungserklärung wieder aus der Welt zu schaffen.

II. Entscheidungen im gerichtlichen Instanzenzug

Der Klage durch den Mieter auf Grundlage des vorbeschriebenen Widerrufsrechts blieb in den Vorinstanzen jedoch der Erfolg versagt. Dabei ist das zweitinstanzlich damit befasste Berufungsgericht davon ausgegangen, dass im Grundsatz auch bei Zustimmungserklärungen des Mieters zu Mieterhöhungsverlangen (siehe § 558a Abs. 1, § 558b Abs. 1 BGB) ein fernabsatzrechtliches Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe.

Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem im Fernabsatz geschlossenen Verbrauchervertrag (siehe § 312c Abs. 1 BGB). Denn die Mieterhöhungsvereinbarung zwischen dem Kläger als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB und der Beklagten als Unternehmerin in Sinne von § 14 BGB, die gewerblich Wohnungen vermiete, sei zwar unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln (hier Briefkorrespondenz), nicht jedoch „im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems“ (§ 312c Abs. 1 Halbs. 2 BGB) getroffen worden.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren durch alle Instanzen weiter. Anmerkung: Der Bundesgerichtshof überprüft grundsätzlich nur auf sogenannte Rechtsanwendungsfehler der Vorinstanzen, also ob die obig dargestellten Rechtsnormen korrekt angewandt wurden oder nicht.

III. Entscheidung des BGH (Rechtsauffassung des BGH) negativ für den klagenden Mieter

Der BGH führte in seiner Entscheidung die nachfolgenden Argumente ins Feld, die gegen die Anwendung des verbraucherschützenden Widerrufsrechts sprechen. Er stellte sich hierzu gegen die teilweise im Schrifttum vertretene Rechtsansicht, die die erklärte Zustimmung zur Mieterhöhung dem Anwendungsbereich des Verbraucherwiderrufs bei Fernabsatzverträgen unterwirft.

1. Teleologische Reduktion

Nach der Rechtsansicht des BGH erstrecke sich der Wortlaut der Bestimmung des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB zwar auf „Verträge über die Vermietung von Wohnraum“. Der Anwendungsbereich dieser Vorschrift sei nach der Rechtsauffassung des BGH im Wege der der sogenannten teleologischen Reduktion (d. h. Zurückschraubung auf den Sinn und Zweck der Vorschrift) jedoch dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Widerrufsrecht des Mieters bei einer Zustimmungserklärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben ist. 

Dies folge aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernabsatzverträgen.

2. Schutz des Mieters sei nach den zugrunde liegenden Bestimmungen im Mietrecht ausreichend

Denn nach Rechtsauffassung des BGH solle mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung insbesondere Fehlentscheidungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Informationsdefizit des Mieters begegnet werden.

Dieser Zielsetzung des Gesetzes trügen bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters laut Rechtsauffassung des BGH bereits uneingeschränkt Rechnung. Denn ausweislich der mietrechtlichen Bestimmung des § 558a Abs. 1 BGB sei das (in Textform zu erklärende) Mieterhöhungsverlangen zwingend vom Vermieter zu begründen. Damit solle dem Mieter die Möglichkeit eröffnet werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungsverlangens zu überprüfen.

Schon dadurch könne der Mieter laut Rechtsansicht seinen rechtsgeschäftlichen Willen ohne ein Informationsdefizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden.

3. Jedoch: Keine Ausstrahlung der Entscheidung auf außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossene Verbraucherverträgen

Zu beachten ist in diesem Kontext, dass der BGH in einem Begleitsatz in seinem Urteil darauf hinwies, dass die Rechtsprechung des Senats zum Widerrufsrecht des Mieters bei außerhalb von Geschäftsräumen (zuvor: in einer Haustürsituation) geschlossenen Verbraucherverträgen zwischen einem Vermieter und einem Mieter hiervon unberührt bleibe.

IV. Persönliche Stellungnahme

Das Urteil ist dogmatisch meiner Ansicht nach begründet, jedoch aus Verbrauchersicht nicht zu begrüßen. Vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung kann dem Mandanten in einem adaptierbaren Fall nicht geraten werden, die Zustimmung zur Mieterhöhung gegenüber dem Vermieter unter Berufung auf einen Fernabsatzvertrag zu widerrufen und die bis dato überzahlten Mieten im Wege der Zahlungsklage gegenüber dem Vermieters gerichtlich geltend zu machen.

Ich vertrete Sie gern in mietrechtlichen Auseinandersetzungen.

Mit freundlichem Gruß

Rechtsanwalt Robin Wulff


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