Bundesarbeitsgericht: Fairness gilt auch beim Abschluss von Aufhebungsverträgen

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In bestimmten Situationen können Aufhebungs- bzw. Auflösungsverträge eine vorzugswürdige Alternative zur Kündigung darstellen. Gerade dann, wenn die Parteien des Arbeitsverhältnisses im Guten auseinandergehen möchten, können individuelle Vereinbarungen getroffen werden, von denen beide Seiten profitieren.

Allerdings birgt der Abschluss eines Aufhebungsvertrages auch Risiken und Missbrauchsmöglichkeiten! Dies zeigt ein aktueller Fall, den die Richter beim Bundesarbeitsgericht zu entscheiden hatten. Im Fokus des Rechtsstreits steht das Gebot der Fairness und Waffengleichheit im Rahmen von Vertragsverhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Das Bundesarbeitsgericht hat nun mit dem Urteil vom 07.02.2019 (Az. 6 AZR 75/18) neue Kriterien entwickelt, die Arbeitnehmern eine Loslösung vom Vertrag ermöglichen.

In diesem Rechtstipp erfahren Sie, welcher Sachverhalt dem wichtigen Urteil zugrunde lag und worauf Sie mit Blick auf das Gebot fairer Vertragsverhandlungen besonders achten müssen!

1. Streit über Fairness beim Aufhebungsvertrag

Geklagt hatte eine Reinigungskraft. Sie hatte in ihren eigenen vier Wänden mit dem Lebensgefährten der beklagten Arbeitgeberin einen Aufhebungsvertrag geschlossen. Danach sollte das Arbeitsverhältnis sofort beendet werden. Eine Abfindung sah der Vertrag jedoch nicht vor.

Nach den Darstellungen der Klägerin war sie an dem Tag des Vertragsschlusses krank und nicht voll bei Sinnen. Die Details zum Anlass und Ablauf der Vertragsverhandlungen waren aber zwischen den Parteien bis zuletzt streitig. Fest stand jedoch, dass sich die Klägerin an die Regelungen des Vertrages nicht binden wollte, obwohl sie die Dokumente unterschrieben hatte.

2. Kein Widerrufsrecht bei Aufhebungsverträgen 

Was für Verbraucher bei Vertragsschlüssen in der eigenen Wohnung – sogenannte Haustürgeschäfte – gilt, gilt nicht für Arbeitnehmer. Das Bundesarbeitsgericht hat sich ganz klar gegen eine Übertragung des Verbraucherwiderrufsrecht entschieden, wenn der Aufhebungsvertrag in der Privatwohnung abgeschlossen wurde. Schutzlos bleiben Arbeitnehmer aber dennoch nicht, denn es können durchaus andere Unwirksamkeitsgründe gegeben sein. In diesem Zusammenhang bemühten die Richter das Gebot des fairen Verhandelns, das das gesamte Arbeits- und Zivilrecht beherrscht.

3. Unwirksamkeit wegen Missachtung des Gebots fairen Verhandelns

Das Bundesarbeitsgericht sah sich dazu verpflichtet, das vorangegangene, klageabweisende Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen aufzuheben. Es verwies die Sache zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurück. Denn der Fall legt aus Sicht der entscheidungsberufenen Richter einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns nahe. Dieses Fairnessgebot verpflichtet Arbeitgeber und Arbeitnehmer gleichermaßen. Es gilt auch dann, wenn über das Ende des Arbeitsvertrages verhandelt wird. So soll insbesondere der Arbeitnehmer vor dem Machtvorsprung des Arbeitgebers geschützt werden.

Anhand dieses Falles entwickelten Deutschlands oberste Arbeitsrichter den Maßstab, dass das Gebot fairen Verhandelns dann verletzt ist, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen wird, die eine freie und selbstbestimmte Entscheidung über den Vertragsschluss erheblich erschwert. Gerade dann, wenn die krankheitsbedingten Schwächen des Beschäftigten ausgenutzt wurden, um ihn zum Aufhebungsvertrag zu bewegen, sind die Grenzen der Fairness überschritten!

4. Fazit

Rechtsunsicherheit für Arbeitgeber und Klärung der Rechte für Arbeitnehmer – so lässt sich das Urteil kurz und bündig zusammenfassen. Das Bundesarbeitsgericht hat die lange umstrittene Frage geklärt, ob die Verbraucherschutzvorschriften über den Widerruf von Verträgen auf arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge übertragen werden können. Damit hat es zugunsten der Arbeitnehmer erheblich zur Rechtsklarheit beigetragen. Deutlich wird allerdings auch, dass der Beratungsbedarf im Zusammenhang mit Auflösungsverträgen weiter gestiegen ist. Neben dem Verhandlungsgeschick lässt sich auch die Verbindlichkeit der Aufhebungsverträge steigern, wenn ein Rechtsanwalt im Arbeitsrecht involviert ist!

Bei Arbeitgebern sorgt diese Entscheidung jedoch auch für Unsicherheiten: Das Gebot fairen Verhandelns wurde im Zusammenhang mit den Aufhebungsverträgen erstmals als tragendes Argument zur Auflösung der Vereinbarung herangezogen. Neu ist dieses Fairnessgebot zwar nicht, da die Richter bereits in der Vergangenheit angedeutet haben, dass einer Überrumpelung des Arbeitnehmers mit dem Gebot fairen Verhandelns begegnet werden kann. Es bleibt jedoch abzuwarten, welche Konturen dem Begriff der „Fairness“ in Zukunft verliehen werden können. Denn aus heutiger Sicht sind sich Experten darüber einig, dass Fairness für jeden etwas anderes bedeutet.

Nehmen Sie jederzeit gerne Kontakt zu uns auf, wenn Sie mit Fragestellungen zum Thema Aufhebungsvertrag und Kündigung konfrontiert sind!


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