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Bundesgerichtshof: Amazon muss Suchfunktion nicht anpassen

  • 4 Minuten Lesezeit
Johannes Schaack anwalt.de-Redaktion

Nicht alles, was für Bequemlichkeit sorgt, lässt sich auch mit dem Gesetz vereinbaren. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich über die „Autocomplete“-Funktion entschieden, die der Versandriese Amazon in seiner Produktsuche zum Einsatz kommen lässt. Gleich zwei Firmen hatten dort nämlich Suchvorschläge gefunden, bei denen ihnen der Kragen platzte.

Die sogenannte „Autocomplete“-Funktion (zu Deutsch „Autovervollständigung“) auf gängigen Onlineportalen kennen Sie sicher. Das Prinzip ist einfach: Beginnt man damit, einen Begriff in ein Suchfeld einzutippen, versucht die Eingaberoutine der Website bereits zu erkennen, worüber der Nutzer sich informieren möchte. Schon Sekundenbruchteile später erhält er während der Eingabe passende Vorschläge, die ihm Tipp- und Denkarbeit ersparen sollen.

„Autocomplete“ ist praktisch, doch auch hier gilt: keine Rose ohne Dornen

Wer in eine Suchmaschine etwa „Handy“ eingibt, erhält somit gleich Vorschläge wie „Handyvertrag“, „Handy verkaufen“ oder „Handy orten“, die sich mit nur einem Klick übernehmen lassen. 

Dieses Prinzip hat der US-Suchmaschinengigant Google bekannt gemacht. Dumm nur, wenn ein Prominenter oder Politiker seinen Namen eingibt und postwendend anrüchige oder beleidigende Ergänzungen vorgeschlagen bekommt. Das Hightech-Unternehmen ist aus diesem Grund bereits mehrmals in rechtliche Streitigkeiten verwickelt worden.

Auch Amazon baut auf „Autocomplete“ bei der Produktsuche – mit rechtlichen Folgen 

Auch für den Online-Versandgiganten Amazon ist die hauseigene „Autocomplete“-Funktion ein wichtiger Erfolgsbaustein, da sie die Suche nach dem passenden Produkt in vielen Fällen entscheidend erleichtern kann. 

Doch auch der Suchassistent der milliardenschweren Handelsplattform hat Macken. Wer etwa nach Waren mit einem bestimmten Markennamen sucht, erhält in vielen Fällen auch Vorschläge für Produkte der Konkurrenz. Das mag für den User hilfreich sein, hat jedoch vielen Herstellern von Produkten aller Art bereits Kopfzerbrechen bereitet.

Gleich zwei Firmen hatten den Kampf mit dem US-Konzern aufgenommen

So ging es auch einem Hersteller von wasserdichten Fahrradtaschen und Rucksäcken sowie einem Produzenten von Fußmatten für Fußreflexzonenmassage. Gab man den Namen des ersten Unternehmens ein, erschienen nicht nur seine hochwertigen Taschen, sondern auch verschiedene Billigfabrikate der Konkurrenz. 

Wurde der Name der zweiten Firma in das Suchfeld eingetippt, präsentierte Amazon zwar ähnliche Matten, die jedoch durchweg von anderen Unternehmen stammten.

Beide Firmen waren nicht bei Amazon aktiv und fanden ihre Produkte dennoch unter den Suchvorschlägen vor

Der Knackpunkt: Beide Hersteller wiesen darauf hin, dass sie sich bewusst entschieden hatten, ihre Erzeugnisse nicht über Amazon zu vertreiben. Zudem bestünden keine Vertragsverhältnisse mit Drittanbietern, die dort aktiv sind. Im Grunde hätten ihre Produkte auf Amazon nicht erscheinen dürfen. 

Der Ärger der beiden Unternehmen lässt sich nachvollziehen, denn zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden dank „Autocomplete“ auf Kosten der beiden Firmen auch Produkte von Nachahmern und Trittbrettfahrern beworben. 

Der Taschenhersteller bestand darauf, dass bei einer Suche nach seinen Produkten bei Amazon keine Alternativen angezeigt werden. Der Mattenhersteller verlangte, dass sein Markenname in der Suchfunktion des US-Handelsgiganten überhaupt nicht angezeigt wird. 

Bisher war der Erfolg vor Gericht auf Amazons Seite

Beide Firmen machten daher Nägel mit Köpfen und gingen marken- und wettbewerbsrechtlich gegen Amazon vor. In beiden Fällen erwies sich Amazon jedoch vorläufig als Sieger. 

Im Fall des Taschenherstellers argumentierte der Versandhandelsriese erfolgreich vor dem Oberlandesgericht (OLG) München, dass das Herzstück seiner „Autocomplete“-Funktion ein Algorithmus sei. Und dieser orientiere sich nicht an den Vorgaben von Amazon selbst, sondern am Suchverhalten seiner Nutzer. 

Der Hersteller der Massagematten klagte sich bis zum Oberlandesgericht Köln und erlitt genauso Schiffbruch, denn die Richter ließen sich nicht davon überzeugen, dass sein Firmenname schutzfähig sei.

Sowohl der Taschen- als auch der Mattenhersteller ließ sich damit allerdings nicht abspeisen und ging in Berufung. Beide Fälle wurden dem Bundesgerichtshof vorgelegt, dem schließlich die Aufgabe zukam, den Streit um die viel diskutierte Komfortfunktion zu schlichten.

Der Bundesgerichtshof sorgte in beiden Fällen für eine Enttäuschung

Der erhoffte Triumph der beiden mittelständischen Unternehmen gegen den milliardenschweren Global Player blieb jedoch aus. Im Fall des Taschenfabrikanten argumentierte der Bundesgerichtshof, dass eine Markenverletzung nur gegeben und die Programmierung der Amazon-Suchfunktion nur zu beanstanden sei, wenn ein durchschnittlicher Nutzer nur schwer erkennen könne, dass die vorgeschlagenen Produkte von einem anderen Hersteller stammen. 

Mit dieser Frage hatte sich das Berufungsgericht, sprich das Oberlandesgericht München, jedoch in seinem letzten Urteil nicht befasst, weswegen der Fall an die Vorinstanz zurückverwiesen wurde. 

Der Bundesgerichtshof schlug sich auf die Seite des Oberlandesgericht Köln

Für noch größere Ernüchterung sorgten die Karlsruher Richter im Fall des verärgerten Fußmattenherstellers, der der Meinung gewesen war, dass sein Name überhaupt nicht auf Amazon auftauchen dürfe. Der Bundesgerichtshof fällte den Entschluss, dass eine Verwendung des Namens des Unternehmens in automatisch generierten Suchvorschlägen die marken- und wettbewerbsrechtlichen Rechte der Firma nicht verletze. 

Ebenso teilte man in Karlsruhe die Auffassung des OLG Köln, dass keine Irreführung von Amazon-Nutzern vorlag. Dasselbe galt für die Einschätzung der Vorinstanz, dass Nutzer anhand automatisch generierter Vorschläge nicht davon ausgingen, dass die eingeblendeten Produkte auch tatsächlich erhältlich seien.

Nun hat das Oberlandesgericht München das Wort

Allerdings wird nun die Entscheidung des OLG München mit Spannung erwartet, an das der erste Fall zurückverwiesen wurde. Entscheiden die Richter nämlich, dass Amazon nicht ausreichend darauf hinweist, wenn sich unter seinen Suchvorschlägen Konkurrenzprodukte befinden, wird der Versandriese bei der Gestaltung seiner Suchfunktion wohl oder übel nachbessern müssen. Das letzte Wort ist also noch nicht gesprochen.

(BGH, Urteil v. 15.02.2018, Az. I ZR 138/16, I ZR 201/16)

(JSC)

Foto(s): ©Shutterstock.com

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