Coronavirus: Die wichtigsten arbeitsrechtlichen Fragen

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Das Coronavirus wirft für Arbeitnehmer und Arbeitgeber eine Fülle arbeitsrechtlicher Fragen auf.

Im Folgenden versuche ich, Ihnen einen kurzen Überblick über die derzeit wohl aktuellsten Themen und Fragen, die das Coronavirus in arbeitsrechtlicher Hinsicht aufwirft, zu geben.

Unabhängig davon stehe ich Ihnen in sämtlichen arbeitsrechtlichen Fragen zum Thema Coronavirus gerne beratend zur Verfügung.

Im Einzelnen:

1. Behördlich angeordnete Quarantäne/behördliches Beschäftigungsverbot: 

a) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Nettolohn für den Entgeltfortzahlungszeitraum – danach hat der betroffene Arbeitnehmer einen unmittelbaren Anspruch gegen die Behörde – weiter zu bezahlen. Allerdings erwirbt er einen Erstattungsanspruch gegen die zuständige Behörde nach § 56 Infektionsschutzgesetz. Insoweit ist die Stellung eines Erstattungsantrages unbedingt erforderlich.

b) Hierbei handelt es sich genau genommen aber nicht um Entgeltfortzahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz. Der Arbeitgeber ist vielmehr lediglich Auszahlstelle für den Anspruch, den der Arbeitnehmer gegen den Staat wegen des Arbeitsverbotes hat.

Dies gilt auch im Falle eines bloßen Verdachts auf eine Ansteckung, sofern deswegen ein behördliches Beschäftigungsverbot verhängt wird.

2. „Freiwillige“ Quarantäne/Fürsorge- und Schutzpflichten des Arbeitgebers/Freistellung: 

a) Der Arbeitnehmer, der aus Angst vor der Erkrankung nicht zur Arbeit erscheint, verletzt seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen und verliert seinen Lohnanspruch.

b) Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer frei, hat er den Lohn unter Annahmeverzugs‑Gesichtspunkten zu bezahlen. Bei konkretem Verdacht einer Erkrankung, beispielsweise bei Auftreten einschlägiger Symptome oder vorherigem Aufenthalt in einem Risikogebiet, ist der Arbeitgeber, ungeachtet der Regelung im Arbeitsvertrag, in jedem Fall zur Freistellung berechtigt.

c) Eine Verpflichtung, den Arbeitnehmer freizustellen, besteht nicht. Allerdings trifft den Arbeitgeber eine Fürsorgepflicht, die unter anderem eine Aufklärung der Arbeitnehmer als auch eine Risikominimierung beinhaltet. Außerdem ist der Arbeitgeber nach dem Arbeitsschutzgesetz verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit gewährleisten und ihm möglich und zumutbar sind. Als praktische Maßnahmen kommen in diesem Zusammenhang beispielsweise die Bereitstellung von Desinfektionsmitteln an geeigneten Standorten (Eingang, Toiletten, Küchen-, Aufenthalts- und Gemeinschaftsbereiche etc.) in Betracht, ebenso Hinweise zur Benutzung sowie generell das Hinwirken auf die Einhaltung der Hygienestandards.

Bei Auftreten mehrerer Infektionsfälle im Unternehmen kann auch die Freistellung einzelner oder mehrerer Arbeitnehmer – sowie die Schließung von Betriebsteilen – geboten sein. Sofern dem Arbeitgeber die Erkrankung von Arbeitnehmern konkret bekannt ist, muss er diese nach Hause schicken.

Außerdem ist der Arbeitgeber zur Aufstellung und Durchführung von Pandemieplänen verpflichtet.

d) Ist im Betrieb ein Corona-Fall aufgetreten, müssen die übrigen Arbeitnehmer hierüber unterrichtet werden, damit sie sich besser schützen können.

Der Name des Betroffenen darf aber auf gar keinen Fall genannt werden, soweit dies nicht ganz ausnahmsweise für Vorsorgemaßnahme nicht erforderlich ist.

3. Homeoffice:

a) Ein Rechtsanspruch des Arbeitnehmers, vom Homeoffice aus arbeiten zu dürfen, besteht – vorbehaltlich der Regelung im jeweiligen Arbeitsvertrag – grundsätzlich nicht. Auch hierbei ist indessen wieder die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zu beachten.

b) Ob der Arbeitgeber den Einsatz des Arbeitnehmers im Homeoffice verlangen kann, ergibt sich aus dem jeweiligen Arbeitsvertrag. Allerdings dürfte angesichts der aktuellen Situation von einem erweiterten Weisungsrecht des Arbeitgebers auszugehen sein.

4. Entgeltfortzahlung ohne behördliches Beschäftigungsverbot:

a) Ist der Arbeitnehmer erkrankt, steht ihm grundsätzlich ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu (§ 3 Entgeltfortzahlungsgesetz).

b) Allerdings nur dann, wenn ihn hinsichtlich der Erkrankung kein Verschulden trifft. Hieran sollte auf jeden Fall gedacht werden, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer Privatreise bewusst kritische Gebiete aufgesucht oder gar gegen Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes verstoßen hat. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, auf Verlangen des Arbeitgebers die für die Entstehung der Krankheit erheblichen Umstände im Einzelnen darzulegen. Verletzt der Arbeitnehmer diese Mitwirkungspflichten, so geht dies zu seinen Lasten. Der Arbeitgeber ist berechtigt, aus einem privaten Auslandsaufenthalt zurückkehrende Arbeitnehmer daraufhin zu befragen, ob sie sich in einer gefährdeten Region aufgehalten haben.

5. Allgemeines Wirtschaftsrisiko:

Soweit der Arbeitgeber wegen Auftrags- bzw. Absatzmangel die Arbeitnehmer nicht beschäftigen kann, gelten keine Besonderheiten. Das sogenannte Wirtschaftsrisiko liegt allein beim Arbeitgeber, die Arbeitnehmer müssen bezahlt werden, obwohl sie keine Arbeitsleistung erbringen. Zu denken ist in diesem Fall an die Einführung von Kurzarbeit.

6. Kinderbetreuung:

a) Ist das zu betreuende Kind tatsächlich krank, greift – sofern nicht im Arbeitsvertrag ausgeschlossen, was möglich ist und deshalb vorrangig zu prüfen wäre – § 616 BGB.

Nach dieser Vorschrift verlieren Arbeitnehmer ihren Anspruch auf Vergütung nicht, wenn sie für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in ihrer Person liegenden Grund ohne ihr Verschulden an der Arbeitsleistung verhindert sind. Als verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit wird in Anlehnung an § 2 Pflegezeitgesetz ein Zeitraum von bis zu 10 Tagen angenommen, das Bundesarbeitsgericht hat indessen in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 die Formulierung im Sinne von 5 Tagen ausgelegt (BAG 5.08.2014-9 AZR 878/12).

b) Diese Grundsätze werden auch bei kurzfristiger Schließung einer Schule oder Kita Anwendung finden.

c) Wird hingegen die Schule oder Kita für – von vornherein – einen längeren Zeitraum, von mehr als 2 Wochen geschlossen, ist die Verhinderung des Arbeitnehmers also nicht nur vorübergehend, besteht ein Anspruch nach dieser Rechtsvorschrift nicht.

d) Kann in einem solchen Fall die Betreuung eines betreuungsbedürftigen Kindes anders nicht sichergestellt werden, kann dies aber zu einem Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitnehmers führen, weil ihm die Erbringung der Leistungsverpflichtung aus dem Arbeitsvertrag unzumutbar ist (§ 275 Absatz 3 BGB). In diesem Fall besteht allerdings kein Vergütungsanspruch, sondern lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht. Ein solches kann sich unter bestimmten Voraussetzungen auch – für begrenzte Zeiträume – unmittelbar aus § 45 SGB V ergeben.

e) Eine Betreuung der Kinder in anderer Weise oder durch Dritte sowie die hierdurch entstehenden Kosten sind stets allein Sache des betroffenen Arbeitnehmers.

7. Private Reisen:

a) Private Reisen sind ausschließlich Sache des Arbeitnehmers, der Arbeitgeber kann Reisen, auch in Krisen- oder Risikogebiete, nicht verbieten.

Allerdings gefährdet der Arbeitnehmer hierdurch im Falle einer Erkrankung eventuell seinen Entgeltfortzahlungsanspruch, vgl. oben.

b) Allerdings darf der Arbeitgeber den Arbeitnehmer danach befragen, ob er sich in einem Krisen-oder Risikogebiet aufgehalten hat.

U. Nittmann

Rechtsanwalt


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