CRD 02 - 1 /2 Bayerische Biergärten & das neue Cannabisgesetz als lex specialis, Teil I

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17.04.2024 - Der Freistaat Bayern ist das einzige Bundesland, das am 20. Mai 1949 nicht der Ratifizierung des Grundgesetz zustimmte. Die bayerische Staatsregierung hatte dem Landtag empfohlen, das Grundgesetz abzulehnen, da die CSU es als Bedrohung für Bayerns Eigenständigkeit ansah, weil es ihrer Meinung nach dem Bund zu viel Macht übertrug und die Gesetzgebungs- und Finanzhoheit der Länder einschränkte.

Es scheint an dieser tendenziell verfassungsfeindlichen Ansicht aus der Mitte des vergangen Jahrhunderts hat sich wenig geändert, wenn die Bayerische Staatsregierung jetzt am 16.04.2024 – mit einer Ausnahme unter klaren Verstoß gegen Wortlaut sowie Sinn und Zweck des Cannabisgesetz -  beschlossen hat, zusätzliche Verbote im Umgang mit Cannabis insbesondere in Bezug auf dessen Konsum in öffentlichen Bereichen und den Anbau für den Freistaat zu erlassen, insbesondere auch in bayerischen Biergärten und anderen bayerischen Brauchtumsorten. Hossa, „mir san mir“.

Es lohnt sich, mit Rücksicht auf zu erwartenden Rechtsstreitigkeiten dazu, die Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung einer näheren rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Diese zeigt, dass der Freistaat Bayern hier ganz und gar nicht einen klaren Kopf behalten hat, und mutmaßlich wissentlich und willentlich , auch aus populistisch emotionalen Gründen, gegen

A. Neue Cannabis-Verbote der Bayerischen Staatsregierung vom 16.04.2024

Die Bayerische Staatsregierung hat im einzelnen folgende -  mit Ausnahme von Zif 2.1 unten -  bundesgesetzlich mit dem Cannabisgesetz nicht vereinbare Maßnahmen beschlossen:


.1. Verbot des Cannabiskonsums in öffentlichen Bereichen


1.1 Spezifische Verbotszonen

  • Biergärten und Volksfeste: Komplettes Verbot des Rauchens von Cannabis zur Wahrung der Nichtraucher und des Schutzes von Kindern und Jugendlichen.


  • Öffentliche Parkanlagen: Verbot des Kiffens in großen städtischen Gärten wie dem Englischen Garten in München und dem Hofgarten in Bayreuth.


  • Weitere öffentliche Orte: Die Staatsregierung plant, das Verbot auf Freizeitparks, Freibäder und öffentliche Plätze auszuweiten, insbesondere an Orten mit hohem Personenaufkommen.


1.2 Durchsetzung und Kontrolle

  • Allgemeine Rauchverbote: Ausweitung der bestehenden Rauchverbote auf den Cannabiskonsum, einschließlich Raucherräumen und -bereichen.


  • Zusätzliche Überwachung: Die bayerische Polizei ist angewiesen, die Einhaltung der Verbote strikt zu überwachen und bei Verstößen einzuschreiten.


2. Einschränkungen beim Cannabisanbau


2.1 Anbauvereinigungen

  • Beschränkungen der Anzahl: Implementierung einer Obergrenze von einer Anbauvereinigung je 6000 Einwohner zur Vermeidung einer Ballung von Cannabisanbau in bestimmten Gebieten.


3. Kommunale Autonomie und Verordnungsermächtigungen


3.1 Kommunale Verbotszonen

  • Eigenständige Regelsetzung: Kommunen erhalten die Befugnis, in ihren Jurisdiktionen zusätzliche Verbotszonen einzurichten, um spezifische lokale Bedürfnisse zu adressieren.


3.2 Gesundheitsschutzgesetz

  • Verordnungsermächtigung: Geplante Änderungen im Gesundheitsschutzgesetz sollen die neuen Verbote und kommunalen Autonomien rechtlich verankern

.

4. Stellungnahmen und politische Reaktionen


4.1 Gesundheitsministerium

  • Schutzmaßnahmen: Die neuen Verbote werden von der bayerischen Staatsregierung als notwendig zur Wahrung der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit betrachtet, insbesondere zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor passiver Cannabis-Inhalation.


4.2 Kritik an der Cannabis-Legalisierung

  • Politische Bedenken: Staatskanzleiminister Florian Herrmann kritisiert die Legalisierung von Cannabis als grundlegend falsch und bemängelt die Umsetzbarkeit des Bundesgesetzes.


Die geplanten Maßnahmen der Bayerischen Staatsregierung deuten auf eine strikte lokale Kontrolle und strengere Regulierungen im Umgang mit Cannabis  in der Zukunft hin, die über die bundesgesetzlichen Regelungen hinausgehen.

B. Vorrang von Bundesrecht vor Landesrecht in der Bundesrepublik Deutschland

Wie sind diese Maßnahmen der bayerischen Staatsregierung im rechtlichen Verhältnis Bund – Länder einzuordnen ?  Denn die Bundesrepublik Deutschland ist als Bundesstaat strukturiert, in dem sowohl der Bund als auch die sechzehn Länder eigene gesetzgeberische Befugnisse besitzen.


1. Grundstruktur des Föderalismus


1.1 Staatliche Aufteilung


Die Bundesrepublik Deutschland besteht aus dem Bund und 16 Ländern, die jeweils eigene Staatsgewalt ausüben können. Dies ermöglicht sowohl die Schaffung von Bundes- als auch von Landesrecht.


1.2 Grundsatzregelungen


  • Artikel 30 GG: Die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben sind grundsätzlich Sache der Länder.


  • Artikel 70 GG: Die Länder besitzen grundsätzlich das Gesetzgebungsrecht, es sei denn, das Grundgesetz weist diese Kompetenz explizit dem Bund zu.


2. Gesetzgebungszuständigkeiten


Aus Art. 31 GG („Bundesrecht bricht Landesrecht“) ergibt sich allerdings , dass sämtliche vorgenannten Bestimmungen des Bundesrechts (z.B. Rechtsverordnungen) allen landesrechtlichen Vorschriften (z.B. jeweilige Landesverfassung) im Rang grundsätzlich vorgehen.


2.1 Ausschließliche Gesetzgebung des Bundes


  • Definition: Der Bund hat das alleinige Recht zur Gesetzgebung in bestimmten Bereichen, die in Artikel 73 GG aufgeführt sind, z.B. Staatsangehörigkeitsrecht, Waffen- und Sprengstoffrecht, Kernenergienutzung, und jetzt auch mit dem neuen Cannabisgesetz.


  • Recht der Länder: Die Länder dürfen in diesen Bereichen nur gesetzgeberisch tätig werden, wenn sie durch Bundesgesetz dazu ermächtigt sind (Artikel 71 GG). Derartige Ermächtigungsgrundlagen gibt es mit Ausnahme von § 30 CanG (Begrenzung der Anzahl Anbauvereinigungen  



2.2 Konkurrierende Gesetzgebung


  • Grundsatz: Länder dürfen Gesetze erlassen, solange der Bund seine Gesetzgebungskompetenz nicht ausgeübt hat.


  • Regelungsbereiche: Strafrecht, Arbeitsrecht u.a., die in Artikel 74 GG spezifiziert sind, ebenso jetzt das neue Cannabisgesetz vom 27.03.2024.



  • Erforderlichkeitsklausel (Artikel 72 Absatz 2 GG): Der Bund darf in bestimmten Gebieten nur gesetzgeberisch tätig werden, wenn dies zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit notwendig ist.


  • Abweichungskompetenz der Länder (Artikel 72 Absatz 3 GG): Seit der Föderalismusreform 2006 können die Länder in bestimmten Bereichen von Bundesgesetzen abweichen, z.B. Jagdwesen, Naturschutz.



3. Föderalismusreform 2006


Die Föderalismusreform von 2006 hatte zum Ziel, mit folgenden Maßnahmen den Bund weiter zu stärken:


3.1 Ziele und Auswirkungen


  • Stärkung der Gesetzgebungskompetenzen: Neuordnung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern.


  • Klare politische Verantwortlichkeiten: Verringerung der zustimmungsbedürftigen Bundesgesetze und Reduktion der Blockademöglichkeiten durch den Bundesrat.


  • Verbesserung der Europatauglichkeit: Anpassungen im Grundgesetz zur Stärkung der Stellung Deutschlands in der EU.



Dieser Übersicht ist gegenüber zu stellen, der Inhalt der neuen bayerischen Cannabisprohibitionsregelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Cannabisgesetz mit der Kernfrage


  • Gibt es sachliche, vom Cannabisgesetz anerkannte, Gründe, aufgrund derer in bayerischen Biergärten zwar exzessiv gesoffen und geraucht, nicht aber gekifft, werden darf ?


Die Antwort ist „nein“ – jedenfalls solange keine Kinder und Jugendlichen im Biergarten anwesend sind, üblicherweise also gerade in den Abendstunden.


weiter in Teil CRD 02 - 2 /2 Bayerische Biergärten & das neue Cannabisgesetz als lex specialis, Teil II



Foto(s): Bodo Michael Schübel

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