Dash-cam: Verwertung einer privaten Videoaufzeichnung als Beweis im Zivilprozess

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Ist die Aufzeichnung einer dash-cam, die den Unfallhergang zeigt im Zivilprozess bei der Geltendmachung des unfallbedingten Schadens als Beweis verwertbar?

An dieser Frage scheiden sich die Geister. Höchstrichterliche Rechtsprechung zu diesem Thema existiert bisher nicht. Man bewegt sich bei der Beantwortung dieser Frage deshalb in einem Dschungel erstinstanzlicher Entscheidungen, die durchaus keine einheitliche Linie erkennen lassen. Das Amtsgericht München geht in einer Entscheidung vom 13.08.2014 davon aus, dass ein Beweisverwertungsverbot im Hinblick auf dash-cam Videos im Zivilprozess zu bejahen sei.
Anderer Auffassung ist jetzt das Amtsgericht Nürnberg in seiner Entscheidung vom 08.05.2015 (Az. 8 C 8938/14), demzufolge im zivilrechtlichen Verfahren über die Berechtigung von Schadensersatzansprüchen aus einem Verkehrsunfall die Verwertung einer Videoaufzeichnung vom Unfallhergang als Beweis zulässig ist.

Eine Vorschrift, auf die ein Beweisverwertungsverbot gestützt wird, ist der § 6b Abs. 1 Nr. 3 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Danach ist Videoüberwachung nur zulässig, soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Das AG Nürnberg hält bereits für fragwürdig, ob diese Vorschrift überhaupt Videoaufnahmen von im Fahrzeug mitgeführten Kameras erfasst. Aus § 6b Abs. 2 BDSG ergebe sich, dass diese Vorschrift ausdrücklich die Überwachung von öffentlichen Plätzen durch fest installierte Aufnahmevorrichtungen regelt und eben nicht die Videoaufzeichnung aus dem fahrenden Kraftfahrzeug heraus. Diese Sicht habe einiges für sich, zumal § 6b Abs.1 Nr.3 BDSG die Überwachung zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke gerade zulässt. Dies könne eben auch das Interesse der Allgemeinheit an einem gerechten Urteil sein, dass auf dem tatsächlichen Unfallhergang beruht. Dabei kommt es darauf an, wessen schutzwürdige Interessen überwiegen.

Eine weitere Grundlage für das Beweisverwertungsverbot soll außerdem § 22 KunstUrhG bilden. Diese Vorschrift schützt zunächst einmal vor der unzulässigen Verbreitung und öffentlichen Zurschaustellung von Abbildungen, nicht jedoch vor deren Anfertigung. Für Zwecke der Rechtspflege kann auch nach § 24 KunstUrhG Bildnisse auch ohne Einwilligung des Berechtigten öffentlich zur Schau gestellt werden. Das dürfte insbesondere für das Vorspielen im Gerichtstermin gelten, zumal die Anfertigung von Fotografien nach dem Unfall und deren Einführung als Beweis in den Prozess schon immer und ohne Probleme als zulässig angesehen wurde. Gleiches muss deshalb für dash-cam Videos gelten.
Außerdem würden Verstöße gegen einfaches Recht per se kein Beweisverwertungsverbot begründen.

Die Begründung des Verwertungsverbots mit einem Verstoß gegen § 823 Abs.1 i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ist eine weitere Möglichkeit, private Videoaufnahmen aus Zivilverfahren herauszuhalten. Dabei kommt es entscheidend auf das Ergebnis einer Interessenabwägung an. Die Abwägung erfolgt zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Aufgenommenen und dem Interesse desjenigen, der die Aufnahme gemacht hat an deren Verwertung und damit im Einzelfall vielleicht der einzigen Möglichkeit, den Unfallhergang zu beweisen.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sind in heutiger Zeit hohe Rechtsgüter, die besonderen Schutzes bedürfen. Auf der anderen Seite steht das Interesse des Geschädigten auf vollständige Klärung der Unfallumstände. Im Übrigen spielt sicher auch das Rechtsgut der funktionierenden Rechtspflege eine Rolle.

Der Eingriff ins allgemeine Persönlichkeitsrecht muss deshalb schon eine gewisse Schwere erreicht haben, um das Interesse des Aufzeichnenden an der Verwertung der Aufnahme zu überwiegen. Dies dürfte nach der Rechtsprechung vor allem dann nicht der Fall sein, wenn bei dem Unfall gravierende Personenschäden entstanden sind und der Unfallhergang auf andere Weise als über die Verwertung der Aufnahme nicht zu beweisen ist. Aber auch in anderen Fällen, die nicht viel mehr als das Interesse des Aufgenommenen erkennen daran lassen, dass der Unfall oder die Tat nicht als Videoaufnahme in den Prozess eingeführt werden, dürfte ein Verwertungsverbot nicht bestehen.

Alles in allem muss derzeit davon ausgegangen werden, dass ein Beklagter nur in absoluten Ausnahmefällen einer Verwertung von privaten Videoaufnahmen im Zivilprozess erfolgreich widersprechen können wird.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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