Demenz – Sind meine Eltern noch testierfähig?

  • 4 Minuten Lesezeit

Im Jahr 2021 erkrankten ca. 440.000 Menschen in Deutschland neu an Demenz. 

Im Idealfall sind zu Beginn einer solchen Erkrankung bereits viele Vorkehrungen wie ein Testament, eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung getroffen worden. Falls dies jedoch nicht der Fall ist, stellt sich vor allem für die Kinder die wichtige Frage, ob ein demenzkranker Vater oder eine demenzkranke Mutter diese Vorkehrungen überhaupt noch rechtlich wirksam treffen können. 

Noch komplizierter kann es werden, wenn länderübergreifende Thematiken wie beispielsweise Vermögen im Ausland oder auch ein Altersruhesitz außerhalb Deutschlands eine Rolle spielen.

www.friederici-partner.de


Als im internationalen Erbrecht promovierter Rechtsanwalt ist es mein Anliegen, Ihnen in diesem Beitrag einen Einblick in die komplexe Thematik zu bieten. Schließlich ist der geistige Zustand von geliebten Familienmitgliedern, insbesondere der Eltern, von größter Bedeutung, wenn es um die Abfassung von rechtsgültigen Testamenten und Verfügungen geht.

Wir setzen uns daher nachfolgend eingehend mit dem Konzept der Testierfähigkeit auseinander, beleuchten die Auswirkungen von Demenz auf diese Fähigkeit und geben Ihnen hilfreiche Einblicke, wie Sie in dieser schwierigen Phase rechtlich handeln können. Mein Ziel ist es, Sie mit verständlichen Informationen zu unterstützen, damit Sie fundierte Entscheidungen treffen können, die im Einklang mit den geltenden rechtlichen Bestimmungen stehen.

1. Geschäftsfähigkeit ≠ Testierfähigkeit

a) Geschäftsfähigkeit

Viele Menschen kennen vor allem den Begriff der Geschäftsfähigkeit. Dies ist die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte selbstständig und verbindlich zu erledigen. Voll geschäftsfähig ist man ab dem 18. Geburtstag, wenn kein "Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit" vorliegt. Mit dem sperrigen Begriff der krankhaften Störung der Geistestätigkeit sind vor allem (erhebliche) geistige Behinderungen, Wahn- oder Halluzinationszustände sowie – eben – Demenzerkrankungen gemeint.

b) Testierfähigkeit

Von der Geschäftsfähigkeit unabhängig zu beurteilen ist die Testierfähigkeit. Testierunfähig ist eine Person, wenn sie außerstande ist, ihren Willen frei und unbeeinflusst von einer krankheitsbedingten Beeinträchtigung ihrer Geistestätigkeit zu bilden und nach zutreffend gewonnenen Einsichten zu handeln.

Das heißt: Nur, weil jemand nicht mehr geschäftsfähig ist, ist er nicht automatisch auch nicht mehr testierfähig.

Für die Testierfähigkeit ist erforderlich, dass Ihr Vater oder Ihre Mutter selbstbestimmt handeln und eigenverantwortliche Entscheidungen treffen können. Dafür sind drei Elemente zentral:

  1. Kenntnis von der Testamentserrichtung: Ihr Vater oder Ihre Mutter muss verstehen, dass gerade sein oder ihr Testament errichtet wird und verstehen, was es bedeutet, ein eigenes Testament zu verfassen.
  2. Fähigkeit, die einzelnen Anordnungen zu beurteilen: Es muss außerdem das Verständnis dafür vorhanden sein, welche Verfügungen er oder sie gerade trifft. Ihm oder ihr muss klar sein, wen er oder sie (um wie viel) im Testament "bevorteilt" oder "benachteiligt". Dafür ist freilich keine vertiefte Rechtskenntnis notwendig, solange beispielsweise ein Rechtsanwalt oder ein Notar fachkundiger Rat zur Seite steht. Aber das Bewusstsein, dass man bspw. gerade eines seiner Kinder enterbt, ist notwendig.
  3. Handlungsfähigkeit: Ihr Elternteil muss außerdem die Verfügungen eigenständig treffen, das heißt, dass die Entscheidungen nicht von anderen in den Mund gelegt werden dürfen. Die Vor- und Nachteile muss Ihr Vater oder Ihre Mutter entsprechend eigenständig gegeneinander abwägen können. Dabei ist es nicht zwingend erforderlich, dass er oder sie (noch) lesen oder schreiben kann.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, ist grundsätzlich von einer Testierfähigkeit auszugehen. Das bedeutet, dass ein Testament noch wirksam errichtet werden kann.

2. Inhalt des Testaments

a) Emotionale und tatsächliche Abhängigkeiten

Je fortgeschrittener eine Demenzerkrankung ist, desto notwendiger wird die Hilfe durch nahestehende Menschen und Pfleger. Nicht selten entstehen durch die Zuneigung in den letzten Lebensjahren emotionale Bindungen, bei denen das Leben vor der Erkrankung im wahrsten (und brutalsten) Sinne des Wortes in Vergessenheit gerät. Als Demenzerkrankter ein Testament zu verfassen, bei dem sich alle potentiellen Erben fair behandelt fühlen, wird so schnell zur Unmöglichkeit.

b) Willensbeherrschung und Machtausübung

Damit ein Testament im Nachhinein für unwirksam erklärt wird, weil der Erblasser nicht mehr frei in seiner Willensbildung war, müssen viele Voraussetzungen erfüllt und beweisbar sein. Denkbar ist das beispielsweise, wenn ein nahestehender Angehöriger den Demenzerkrankten in Anwesenheit von unabhängigen Zeugen "vor die Wahl" stellt, ihn entweder großzügig im Testament zu berücksichtigen oder die weitere Pflege, von der der Demenzerkrankte abhängig ist, einzustellen. Wenn jedoch von nahestehenden Angehörigen oder Pflegern kein erheblicher Druck ausgeübt wird, steht es einem testierfähigen Demenzerkrankten grundsätzlich frei, den Pflegeeinsatz im Testament entsprechend zu "honorieren".

3. Beweisbarkeit der Testierunfähigkeit

Eine Testierunfähigkeit nach dem Tod nachzuweisen, ist sehr schwer und in der Regel nur mit einschlägigen medizinischen Befunden und Diagnosen möglich. Gleiches gilt für Testamente, deren Inhalt nicht aus freien Stücken zustande gekommen ist.

4. Vermeidung von Streit nach dem Tod

Wurde ein Testament durch einen nachweislich demenzerkrankten Erblasser verfasst und fühlt sich einer der potentiellen Erben ausreichend benachteiligt, kann es jedoch trotzdem zu außergerichtlichem oder gerichtlichem Streit führen. Diese Streitigkeiten sind nicht nur für alle Beteiligten sehr teuer, sondern dauern vor allem auch außerordentlich lange und verhindern nicht selten, dass die Hinterbliebenen angemessen trauern und Abschied nehmen können. Vielmehr sorgen sie dafür, dass auch Jahre nach dem Tod das leidige Thema der Erbschaft immer noch nicht abschließend geklärt ist, Bankvermögen eingefroren bleibt, Immobilien nicht verkauft werden können und letztlich alle Parteien verlieren.

Aus diesem Grund ist es spätestens dann, wenn die geistigen Fähigkeiten von geliebten Familienmitgliedern nachlassen, von entscheidender Bedeutung, rechtliche Vorkehrungen auf solider Grundlage zu treffen, um potenzielle Unsicherheiten und Streitigkeiten zu vermeiden. Hierbei biete ich Ihnen meine Fachkenntnisse und Unterstützung an, um diese sensiblen Angelegenheiten in geordnete Bahnen zu lenken. Eine fachmännische Nachlassplanung gewährleistet nicht nur die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben, sondern stellt auch sicher, dass die Interessen und Wünsche der Angehörigen respektiert werden. Nicht mehr und nicht weniger ist mein Ziel.

Foto(s): © 2023

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Karl Felix Oppermann

Beiträge zum Thema