Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters: Welche Kunden zählen mit?

  • 2 Minuten Lesezeit

1. Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Handelsvertretervertrages

Der Ausgleichsanspruch setzt zunächst voraus, dass das Handelsvertreterverhältnis durch Kündigung des Unternehmers oder durch einen Aufhebungsvertrag beendet wird. Wichtig ist, dass ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs und selbst eine Einschränkung im Voraus nicht wirksam vereinbart werden kann. Dies würde gegen zwingende Vorschriften des Handelsgesetzbuches (HGB) verstoßen.

2. Akquise von Kunden

Grundsätzlich ist erforderlich für den Ausgleichsanspruch, dass der Handelsvertreter neue Kunden akquiriert hat, aus deren Geschäftsverbindung dem Unternehmer nach wie vor erhebliche Vorteile verbleiben.

Was gilt aber für bereits vorhandene Altkunden, die der Handelsvertreter zu Beginn seiner Tätigkeit vom Unternehmen als Bestand übertragen bekommen hat? Kann in diesem Falle überhaupt ein erheblicher Betrag gegenüber dem Unternehmer geltend gemacht werden?

Dies ist grundsätzlich zu bejahen: Auch Bestandskunden können für den Ausgleichsanspruch eine Rolle spielen. Aus § 89 b Abs. 1 Satz 2 HGB ergibt sich: Ein Altkunde steht dann einem Neukunden gleich, wenn der Handelsvertreter dessen Geschäftsbeziehung zum Unternehmen so wesentlich intensiviert hat, dass dies wirtschaftlich der Werbung eines Neukunden entspricht.

3. Faustformel: Umsatzsteigerung um 100 %

Auch hier stellt sich wieder die Frage, wann diese Voraussetzung erfüllt ist. Im Handelsgesetzbuch finden sich hierzu keine konkreten Angaben. Anhaltspunkte müssen deshalb in der einschlägigen Rechtsprechung gesucht werden.

Die Entscheidungen zu dieser Thematik vermeiden es in der Regel jedoch, klare Vorgaben zu nennen. Generell dürfte es auch richtig sein, die erforderliche Umsatzsteigerung vom Einzelfall abhängig zu machen also auf qualitative Anforderungen abzustellen. Aus einer etwas älteren Entscheidung lässt sich aber eine Faustformel entnehmen, die auf quantitative Kriterien abstellt. So vertrat das Gericht die Auffassung, dass ein Altkunde als Neukunde dann gewertet werden kann, wenn der Umsatz um mindestens 100 % gesteigert wird (OLG Hamm, Urteil vom 19.11.1992, 18 U 189/91).

Die vom OLG Hamm entwickelte Faustformel kann somit zumindest als Anhaltspunkt dienen. Ansonsten wird es auf das Produkt selbst, die Branche, die Kundenstruktur, den Bezirk und vieles mehr ankommen. So kann z. B. ein Altkunde unter Umständen dann zum Neukunden „aufsteigen“, wenn ihn der Handelsvertreter davon überzeugt hat, eine neue Produktlinie beim Unternehmen zu bestellen.

Darüber hinaus ist die Berechnung des Ausgleichanspruches noch von weiteren Kriterien abhängig, z. B. inwiefern mit Folgebestellungen zu rechnen ist, ob eine Abwanderung der Kunden wahrscheinlich ist, ob die Tätigkeit des Handelsvertreters zumindest mitursächlich für die Werbung des Kunden war etc.

4. Maximale „Deckelung“ des Ausgleichsanspruches

Bei der Höhe des Ausgleichsanspruches ist außerdem die maximale Deckelung gemäß dem Handelsgesetzbuch zu beachten. Der Ausgleichsanspruch beträgt maximal eine nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre berechnete Jahresprovision. Bei kürzerer Dauer ist die tatsächliche Vertragslaufzeit maßgeblich. Beim Versicherungsvertreter kann der Ausgleichsanspruch bis zu drei Jahresvergütungen betragen.

5. Ausschlussfrist

Wichtig ist noch darauf hinzuweisen, dass der Ausgleichsanspruch innerhalb eines Jahres seit dem Ausscheiden vom Handelsvertreter geltend gemacht werden muss. Unterbleibt die Geltendmachung, verfällt der Anspruch.

Weitere Informationen finden Sie unter: www.mannheim-arbeitsrecht.com


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Dr. Stefan Reiss

Beiträge zum Thema