Der Fall der insolventen GENO Wohnbaugenossenschaft eG wird immer mysteriöser

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Genossen der insolventen GENO Wohnbaugenossenschaft e. G. haben derzeit einen erheblichen Beratungsbedarf, da sie von dem Insolvenzverwalter auf Zahlung von ausstehenden Raten in Anspruch genommen werden. Sie wollen wissen, ob sie diese Zahlung leisten müssen, wie vor den Zivilgerichten die Erfolgsaussichten sind oder ob es noch andere Lösungen gibt? Die GENO Wohnbaugenossenschaft e. G. war eine 2002 als Genotec Wohnbaugenossenschaft e. G. gegründete Wohnbaugenossenschaft mit Sitz in Ludwigsburg. Satzungsgemäßer Zweck der Genossenschaft war „die wirtschaftliche Förderung und Betreuung der Mitglieder. Die Genossenschaft hat insbesondere das Ziel, ihre Mitglieder mit Wohnraum zu versorgen. Dazu entwickelte sie ein „Optionskaufmodell für Immobilien“; der vertraglichen Lesart nach eine Art Mietkaufmodell nach dem Bausparprinzip.

 

Was war geschehen?

Von kritischen Juristen und Medien wurde das Konzept der GENO Wohnbaugenossenschaft e. G. vergleichsweise früh hinterfragt, so u. a. von der Verbraucherzentrale Sachsen im Jahre 2005, die auf die Risiken der Geldanlage im Genossenschaftsmodell hinwies. Später hat auch die Zeitschrift finanztest die konkreten Zahlen der Genotec Wohnbaugenossenschaft e. G. kritisch beleuchtet. Doch bei der Genotec Wohnbaugenossenschaft e. G. scheint sich eher der Verdacht eines personellen Risikos auf Seiten der Unternehmensleitung verwirklicht zu haben. Nach einem Bericht der Stuttgarter Zeitung laufen gegen mehrere ehemalige Vorstände Strafverfahren wegen des Verdachts des Betruges und der Insolvenzverschleppung.

 

Was macht der Insolvenzverwalter geltend?

Die GENO Wohnbaugenossenschaft e. G. ist seit 2018 insolvent. Die Anleger werden nun vom Insolvenzverwalter auf ausstehende Genossenschaftsbeiträge in Anspruch genommen. Allerdings ist die Anlegerschaft derzeit offenbar zweigeteilt: Wem es vor der Eröffnung der Insolvenz noch gelungen ist, aus der Genossenschaft auszuscheiden, kann sein Auseinandersetzungsguthaben zur Insolvenztabelle anmelden und braucht keine ausstehenden Raten mehr einzuzahlen. Alle andere Ratenzahler, die nicht mehr rechtzeitig vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der Genossenschaft ausgeschieden sind, werden vom Insolvenzverwalter auf Zahlung aller restlichen Raten bis zur Beitrittssumme in Anspruch genommen. Die meisten geschädigten Anleger haben instinktiv die Zahlung der monatlichen Sparraten eingestellt, als sie von den Betrugsvorwürfen zu Lasten der ehemaligen Vorstandsmitglieder und vom Insolvenzverfahren hörten. Sie bekam als geschädigte Zeugin beispielsweise einen Fragebogen der zuständigen Staatsanwaltschaft zugeschickt und sind nun nachvollziehbar schockiert, nachdem der Insolvenzverwalter einen meist hohen Betrag fordert.

 

Warum macht der Insolvenzverwalter Scheffler Druck?

Mit einem neuerlichen Schreiben macht der Insolvenzverwalter der GENO Wohnbaugenossenschaft e. G. Rechtsanwalt Frank Rüdiger Scheffler gegenüber den Anlegern deutlich, dass er bis zum 30.09.2020 die offenen Genossenschaftseinlagen einfordert und diese andernfalls einklagt. Dazu verweist er auf bereits erstrittene, erstinstanzliche Urteile.

 

Welche Möglichkeiten gibt es?

Im Internet kursieren alle möglichen Hinweise zu den rechtlichen Möglichkeiten, den Schaden zu begrenzen. Zum Teil werden hier nach Ansicht von ilex Rechtsanwälte falsche Erwartungen gesetzt. Geht es zunächst primär darum, die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter abzuwenden, sollten sich betroffene Genossen möglichst frühzeitig fachanwaltlich begleiten lassen. Idealerweise sollten eine fachanwaltliche Überprüfung noch vor Klageerhebung durch den Insolvenzverwalter einsetzen, um gegenzusteuern. Die bisherige Erfahrung zu den Möglichkeiten der Minderung des Schadens aus Sicht der geschädigten Anleger zeigt allerdings auch, dass sich eine generalisierende Aussage zu den Erfolgsaussichten strikt verbietet. Inwiefern die Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter wenigstens teilweise abgewendet werden kann, hängt von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab und setzt auch eine detaillierte Beschäftigung mit dem konkreten Sachverhalt des jeweiligen Anlegers voraus, der sich von anderen Anlegern unterscheidet.

Ob es darüber hinaus eine Möglichkeit der Schadenskompensation gegenüber Dritten gibt, gilt es ebenfalls mit Bedacht abzuwägen. Konkret kommt es auch in diesem Fall auf die Umstände des Einzelfalles an, der sich vom sogenannten „Einmalzahler" bis hin zu Verträgen mit vereinbarten Sonderzahlungen und hohen Vermittlerprovisionen von 1,6 % der „Bereitstellungssumme“ unterscheidet (deklariert als Abschlussgebühr). Diese Sonderzahlungen gemeinsam mit etwaigen monatlichen Raten und der Soforteinlage der Mandantschaft gezahlt werden. Die Bereitstellungssumme war angesetzt mit 800 % der Zeichnungssumme.

Eine Vermittlerprovision von 1,6% der Zeichnungssumme wäre sicherlich noch verkraftbar; eine Vermittlerprovision von 1,6 % des 8fachen der Zeichnungssumme ist allerdings schlicht unverschämt. Hier betrug die Vermittlerprovision faktisch 18,3% der Zeichnungssumme. Wenn derart hohe Provisionen fließen, lockt dies oftmals Vermittler an, die mehr ihre eigenen Vermögensinteressen im Blick haben, als Anlagekonzepte für ihre Beratungskunden. Der Bundesgerichtshof (Urteil vom 23.06.2016 – III ZR 308/15) hat hierzu ausgeurteilt, dass „auch bei der Vermittlung einer Kapitalanlage in Form einer Eigentumswohnung … die Pflicht des Anlagevermittlers oder Anlageberaters zur Aufklärung über Innenprovisionen von mehr als 15% besteht“. Der Vermittler hätte nach Ansicht von ilex Rechtsanwälte auch darauf hinweisen müssen, dass er 18, 3% der Zeichnungssumme als Provision erhält und dass darüber hinaus weitere Kosten für Mitarbeiter und Vorstände der GENO-Gruppe entstehen, so dass die hohe „Weichkostenquote“ dafür gesorgt hat, dass im Regelfall nicht einmal ein Nullsummenspiel für die geschädigten Anleger herauskommen konnte. Ob dies im Einzelfall geschehen ist, ist erneut eine Frage des Einzelfalles.

Foto(s): ilex Rechtsanwälte


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