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Der verdächtige Erbe – Vorteile der persönlichen Einsichtnahme und Fazit | Teil 3

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Sie lesen Teil 3 der Reihe „Der verdächtige Erbe – die Waffe des notariellen Verzeichnisses“

Hier finden Sie Teil 2: Die Rolle des Notars.

Weiter steht dem Pflichtteilsberechtigten gemäß § 2314 Abs. 1 S. 2 HS 1 BGB das Recht zu, bei der Aufnahme auch des notariellen Verzeichnisses hinzugezogen zu werden. Unstreitig ist, dass eine Belegvorlagepflicht bzw. Pflicht zur Einsichtnahme bei der Erstellung eines privaten Verzeichnisses für den Erben nicht besteht (OLG Hamburg in MittBayNot 2018, 357). Eine solche Pflicht lässt sich wohl auch nicht über den Umweg über die zur Erstellung des notariellen Verzeichnisses erforderlichen Maßnahmen konstruieren. 

Bei der Überprüfung der Kontoauszüge würde es sich wie bei der Überprüfung durch den Erben selbst nur um eine Vorbereitungshandlung handeln, die nicht vom Hinzuziehungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gem. § 2314 Abs. 1 S. 2 BGB erfasst ist. Es ist aber nicht von der Hand zu weisen, dass die persönliche Anwesenheit des Pflichtteilsberechtigten oder seines Vertreters bei der Aufnahme des Verzeichnisses bei günstigen Umständen dazu führen kann, dass er selbst Einsicht etwa in Kontoauszüge nehmen kann, die dem Notar vorliegen. 

Damit kann es gelingen, etwa Kontobewegungen festzustellen, die Anlass für weitere Ermittlungen und auch Nachfragen bei dem Erben geben, weil sie den Verdacht einer lebzeitigen Schenkung des Erblassers im rechtlich relevanten Zeitraum vermitteln. 

Stimmen in der Literatur gehen so weit, dass der bei der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses anwesende Pflichtteilsberechtigte oder sein Vertreter sogar ein Recht auf Durchsicht vorliegender Unterlagen und etwa Bankbelegen haben. Dies erscheint allerdings zu weitgehend und wird auch von den Obergerichten nicht so vertreten. 

Fazit: Betrachtet man die jüngere obergerichtliche Rechtsprechung, scheint die Geltendmachung des Anspruchs des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben auf Erstellung eines notariellen Verzeichnisses über den Bestand des Nachlasses und zu pflichtteilsrelevanten Schenkungen des Erblassers als ein probates Mittel, mindestens eine erhöhte Chance zu sein, Kenntnisse zu erhalten, die ohne die Einschaltung eines Notars nicht bekannt geworden wären. 

Der Pflichtteilsberechtigte bzw. sein Vertreter sollte jedoch alles tun, um dem Notar auch konkrete Anhaltspunkte dafür zu liefern, dass sich der Verdacht möglicher, bisher nicht offenbarter Schenkungen aufdrängt. So ist etwa an die Konstellation zu denken, dass der Pflichtteilsberechtigte eine erhebliche und bisher nicht erklärte Reduzierung des Vermögens des Erblassers in seinen letzten Lebensjahren darlegt, die insbesondere auch der Erbe nicht zu erklären vermag. Dann wird letztlich der Notar nahezu gezwungen sein, seine diesbezüglichen Ermittlungspflichten auszuweiten. 

Tut er dies nicht – er ist dazu auch nicht zu zwingen –, steht dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit zur Verfügung, sich auf die Nichterfüllung der Auskunftspflicht des Erben zu berufen, einen vollstreckungsfähigen Titel gegen diesen diesbezüglich zu erwirken, um über die Festsetzung von Zwangsgeld die gewünschte Auskunft von dem Erben zu erzwingen. 

Daneben soll nicht unerwähnt bleiben, dass der Druck auf den auskunftspflichtigen Erben auch dadurch erhöht werden kann, dass von seinem Recht Gebrauch gemacht wird, von dem Erben die eidesstattliche Versicherung der Vollständigkeit und Richtigkeit seiner Auskunft zu verlangen. 

Die Gefahr, dass sich der Erbe im Fall einer falschen eidesstattlichen Versicherung strafbar macht, mag in dem einen oder anderen Fall Wirkung zeigen, wenngleich in der Rechtspraxis doch gefühlt in gesteigertem Umfang die Bereitschaft von Beteiligten feststellbar ist, derartige Risiken in Kauf zu nehmen und gering zu schätzen. 


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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