Der Zugewinnausgleich: Vermögens- und Schuldenaufteilung bei Trennung und Scheidung

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I. Nomenklatur der Güterstände

1. Gütergemeinschaft

Nach § 1416 BGB entsteht (ausschließlich in diesem Güterstand) gemeinschaftliches Vermögen der Eheleute, das Gesamtgut. Der Güterstand kennt daneben Vorbehaltsgut (Erbschaft Schenkung oder Vereinbarung) und Sondergut (nicht pfändbare, nicht übertragbare Vermögensgegenstände; z. B. unpfändbarer Unterhalt, Gesellschafterrechte OHG, KG – Komplementär). Der Güterstand entsteht durch Vereinbarung in einem notariellen Vertrag, § 1410 BGB.

2. Gütertrennung

§ 1414 BGB regelt sein Entstehen durch Ausschluss des gesetzlichen Güterstandes (Zugewinngemeinschaft) in einem notariellen Vertrag oder durch ausdrückliche Vereinbarung, § 1410 BGB. 

3. Zugewinngemeinschaft

Der Güterstand entsteht mit der Eheschließung, § 1363 BGB „wenn nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbart wurde.“ Deshalb wird er auch der gesetzliche Güterstand genannt.

4. „Modifizierte Zugewinngemeinschaft“

Es handelt sich nicht um einen speziellen Güterstand. Hierzu wird auch gesetzlich nichts Konkretes geregelt. Man versteht darunter vertragliche Vereinbarungen, die von der gesetzlichen Regelung abweichen. Es handelt sich um einen Ausdruck der Vertragsfreiheit (§ 1363 Abs. 1 BGB) im Rahmen der verfassungsmäßig geschützten Handlungsfreiheit. 

Es können beispielsweise einzelne Vermögensgegenstände vom Zugewinnausgleich ausgenommen werden (die Marktwertsteigerung von geerbten/geschenkten Immobilien). Der Zugewinnausgleich kann auch auf die Anwendbarkeit nur bei Beendigung durch Tod beschränkt werden.

II. Gesetzlicher Güterstand der Zugewinngemeinschaft

1. Beschreibung

Jeder Ehegatte behält sein Vermögen in seinem Eigentum und verwaltet es selbst. Es gibt lediglich Verfügungsbeschränkungen, § 1364 BGB. Jeder zieht selbst die Nutzungen seines Vermögens. Es besteht keine gesetzliche Haftung für Schulden des anderen Ehegatten. Es besteht kein gemeinschaftliches Vermögen. Es entsteht auch von Gesetzes wegen während der Ehe kein gemeinschaftliches Vermögen, §1363 Abs. 2 BGB.

Es entsteht mit Beendigung des Güterstandes eine Ausgleichsforderung desjenigen Ehegatten, der den geringeren Zugewinn erzielt hat gegenüber dem anderen Ehegatten.

Zugewinngemeinschaft ist Gütertrennung mit Ausgleichsverpflichtung bei ihrer Beendigung.

2. Bedeutung während der (rechtlich) intakten Ehe

a) Vermögensverwaltung

Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbst ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten. Es gibt keine Verpflichtung das Vermögen optimal bzw. so zu verwalten, dass ein möglichst hoher Zugewinn entsteht.

b) Verfügungsbeschränkung

Verfügungsbeschränkungen betreffen Verfügungen über das ganze bzw. nahezu das gesamte Vermögen (ca. 85 % bis 90 % wird als tatbestandsmäßig gesehen). Damit soll das Vermögen als wirtschaftliche Grundlage der Familie erhalten und der Zugewinnausgleichsanspruch des Ehegatten geschützt werden.

Erfasst werden Rechtsgeschäfte eines Ehegatten mit einem Dritten, § 1365 BGB. Das Geschäft muss das Aktivvermögen betreffen, Überschuldung ist unerheblich.

In diesen Fällen ist die Einwilligung des Ehegatten erforderlich, was sowohl das Kausalgeschäft als auch den Erfüllungsvertrag betrifft.

Voraussetzung für die Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts ist, dass der Vertragspartner wissen muss, dass das Rechtsgeschäft das gesamte Vermögen des Ehegatten erfasst oder er muss zumindest die Verhältnisse kennen, aus denen sich dies ergibt.

Verfügungen über Haushaltsgegenstände bedürfen gem. § 1369 BGB der Einwilligung des anderen Ehegatten. Dies gilt nicht, wenn sie zum persönlichen Gebrauch des Ehegatten bestimmt sind (z. B. Angelausrüstung). 

c) Nutznießung

Erträge aus seinem Vermögen stehen dem Ehegatten alleine zu. Dies ist nur dahin gehend eingeschränkt, soweit Vermögen nach § 1360 BGB zur angemessenen Unterhaltung der Familie benötigt wird. Dies ist aber nicht Folge der Zugewinngemeinschaft, sondern gilt in jeder Ehe.

d) Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs

Jeder Ehegatte ist nach § 1357 BGB berechtigt, Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs auch mit Wirkung für den anderen Ehegatten zu besorgen („Verpflichtungsermächtigung“, „Schlüsselgewalt“). Solche Geschäfte sind z. B. Einrichtungsgegenstände, Kleidung, Heizmaterial, Reparaturen von Haushaltsgegenständen. Die Vorschrift gilt bei allen Ehen und ist unabdingbar wegen des Gläubigerschutzes.

3. Rechtliche Auswirkung bei Trennung

Mit der Trennung der Ehegatten ändert sich

  • Schlüsselgewalt, also das Recht zur Mitverpflichtung gem. § 1357 Abs. 3 BGB endet.
  • Verpflichtung auch Vermögen zum Familienunterhalt gem. § 1360 BGB endet (wird ersetzt durch § 1361 BGB Trennungsunterhalt).
  • Es entsteht der Anspruch auf Auskunft über das Vermögen zum Zeitpunkt der Trennung, § 1379 Abs. 3 BGB.
  • Es beginnt die Möglichkeit des vorzeitigen Zugewinnausgleichs gem. § 1385 Nr. 1 u. 4 BGB mit Entstehen der Gütertrennung, entweder bei Auskunftsverweigerung oder dreijähriger Trennung.

4. Entstehen der Forderung

Der Güterstand beinhaltet einen finanziellen Ausgleichsanspruch eines Ehegatten. Er entsteht erst mit Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft. Der Güterstand endet entweder durch Rechtskraft der Scheidung, dem Tod eines Ehegatten oder durch Vereinbarung (z. B. Gütertrennung bei Scheidungsfolgenvereinbarung).

5. Rechtsfolge

a) Tod eines Ehegatten

Nach § 1371 BGB wird der gesetzliche Erbteil des Ehegatten um ¼ pauschal auf entweder ½ oder ¾ erhöht. Es kommt nicht darauf an, ob tatsächlich ein Zugewinnausgleichsanspruch besteht oder wie hoch dieser wäre. Der Ehegatte hat als Ausnahme das Recht, die Erbschaft auszuschlagen, den wahren Zugewinnausgleichsanspruch zu ermitteln und zu verlangen und (trotz Ausschlagung) darüber hinaus auch den Pflichtteil (1/8 oder ¼, je nach dem), § 1371 Abs. 3 BGB.

b) Rechtskraft der Scheidung

Es entsteht gem. § 1378 Abs. 1 BGB die Ausgleichsforderung.

„Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht die Hälfte des Überschusses dem anderen Ehegatten als Ausgleichsforderung zu.“

III. Die Ausgleichsforderung

1. Zugewinn

Der Zugewinn wird gem. § 1373 BGB definiert als der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt.

2. Endvermögen

Es wird gem. § 1375 BGB als das Vermögen definiert, das nach Abzug der Verbindlichkeiten verbleibt. Stichtag für die Berechnung ist gem. § 1384 BGB bei der Scheidung die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags. Ansonsten ist der Todestag der maßgebliche Stichtag.

Es wird der Verkehrswert jedes Vermögensgegenstandes zum Stichtag ermittelt. Vermögen ist die Summe der Werte aller Gegenstände eines Ehegatten.

Beispiele:

Grundstück, Immobilie, ETW, Unternehmen, Beteiligungen daran, LV, Forderungen (Geld, Wertpapiere), bewegliche Vermögensgegenstände, Anwartschaften, Ansprüche der Ehegatten gegeneinander (sie sind zu aktivieren und zu passivieren);

Es spielt keine Rolle, ob das Vermögen aus Schenkungen oder Erbschaft stammt. 

3. Anfangsvermögen

Vermögen, welches bei Beginn des Güterstandes (Heirat, Vereinbarung) vorhanden war; ebenso Aktivvermögen abzüglich Passivvermögen. Hinzugerechnet wird das Vermögen, welches während der Ehe aus Erwerb von Todes wegen stammt, aus Schenkungen oder im Rahmen einer Ausstattung, § 1374 BGB. 

Die Geldentwertung wird unter Anwendung des Preiskostenindex des statistischen Bundesamtes ermittelt.

4. Beispiel einer Zugewinnausgleichsermittlung

IV. Gemeinschaftliches Vermögen und gemeinschaftliche Schulden

1. Nicht von Gesetzes wegen

Sowohl gemeinschaftliches Vermögen als auch gemeinschaftliche Schulden entstehen nicht von Gesetzes wegen. Im gesetzlichen Güterstand behält und verwaltet jeder Ehegatte sein Vermögen. Schulden zu Lasten des anderen Ehegatten können einseitig nicht begründet werden, ausgenommen sind Geschäft des täglichen Lebens.

2. Gemeinschaftliches Vermögen

Entsteht durch gewollte Begründung als Gemeinschaft i.H.v. § 741 BGB. Die Auflösung dieser Gemeinschaft richtet sich §§ 752 ff BGB. Kommt keine Einigung der Ehegatten zustande, sieht das Gesetz vor:

  • Teilung in Natur (z. B. gemeinschaftliches Wertpapierdepot),
  • Teilung durch Verkauf; dies ist im Sinne des Gesetzes bei beweglichem Vermögen der Pfandverkauf, bei Grundstücken die Zwangsversteigerung und Teilung des Erlöses unter Berichtigung gemeinschaftlich eingegangener Schulden, § 755 BGB,
  • Bei Forderungen Anspruch auf Einziehung an die Gemeinschaft; kann sie nicht eingezogen werden, ist der Verkauf zulässig.

3. Gemeinschaftliche Schulden

Entstehen durch gewollte Begründung, z. B. indem die Eheleute ein gemeinschaftliches Darlehen nehmen oder ein Kontokorrent wird bei einem gemeinschaftlichen Konto in Anspruch genommen.

Es entsteht eine Gesamtschuldnerschaft nach § 421 BGB. Jeder haftet persönlich für die gesamte Schuld. Im Innenverhältnis haften die Ehegatten – in der Regel – zu gleichen Teilen nach § 426 BGB oder nach einer anderslautenden Vereinbarung. Diese „Vereinbarung“ lautet während intakter Ehe, also bis zur Trennung (konkludent) dahingehend, dass kein Ausgleich der Eheleute untereinander geschuldet wird (Überlagerung durch die eheliche Lebensgemeinschaft).

Erfüllt nach der endgültigen Trennung oder nach dem Versterben eines Ehegatten ein bzw. der überlebende Ehegatte gemeinschaftliche Verbindlichkeiten, entsteht der hälftige Ausgleichsanspruch gegen den anderen Ehegatten im Innenverhältnis, § 426 Abs. 2 BGB, bzw. Auftragsrecht (Erbengemeinschaft). Die befriedigte Forderung geht auf den erfüllenden Ehegatten über.

4. Ergebnis

Die Klärung gemeinschaftlichen vermögen bzw. gemeinschaftlicher Verbindlichkeiten erfolgt nicht im Rahmen des Zugewinnausgleichs. Demzufolge sind diese Rechtsverhältnisse gesondert, außerhalb des Scheidungsverbundverfahrens aufzulösen. Ansonsten bestehen sie über die Rechtskraft der Scheidung hinaus.

Ziel: Mit Rechtskraft der Scheidung sollten keine gemeinschaftlichen Vermögenswerte oder Verbindlichkeiten mehr bestehen!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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