Die Bauinsolvenz des Auftraggebers

  • 5 Minuten Lesezeit

Die Bauinsolvenz des Auftraggebers (AG) führt in der Baupraxis immer wieder zu Verwirrungen des Auftragnehmers (AN). Aufgrund der intransparenten Gesetzgebung ist dies nur allzu verständlich. Deshalb sollen die Struktur und die Gefahrenpotentiale der Insolvenz des AG nachfolgend dargestellt werden. 

Eine Insolvenz des AG hat schwerwiegende Konsequenzen. Dies liegt an der Rechtsnatur des Werkvertrages, welcher zu einer faktischen Vorleistungspflicht führt. Deshalb bestehen in der Regel in Insolvenzen erhebliche Zahlungsrückstände. Es stellt sich die Frage, wie der AN dieses Vorleistungsrisiko absichern kann. Der AN muss darauf bedacht sein, eine Zahlungsbürgschaft der Ansprüche durch vertraglich vereinbarte oder auf Grundlage von§ 650f BGB gestellte Sicherheiten zu erlangen oder wenigstens den Werklohnanspruch gegen den AG im Insolvenzfalle durch eine Warenkreditversicherung zu versichern. Dies ist natürlich keine preiswerte Lösung, jedoch bietet sich vor Vertragsschluss an, über die Warenkreditversicherung Auskünfte über den AG zu erlangen, ob eine Warenkreditversicherung überhaupt Deckungsschutz für den konkreten AG gewährt. Wenn dies bereits nicht der Fall ist, muss man sich genau überlegen, ob ein Bauvertrag überhaupt mit dem AG eingegangen werden soll. Dafür besteht nur die Möglichkeit, dem AG klar zu machen, dass er eine unbefristete Zahlungsbürgschaft stellen oder Vorauszahlungen leisten muss. Dies muss im Bauvertrag geregelt sein. Die Höhe der Bürgschaft sollte sich an der Höhe von 2 bis 3 zu erwartenden Abschlagsrechnungen orientieren, damit bei Zahlungsverzug des AG aufgrund wirtschaftlicher Krise der AN rechtzeitig reagieren kann. Jedoch fragt sich, ob das Verlangen einer solchen Zahlungsbürgschaft vor Vertragsschluss in ein Vertragsverhältnis mündet, da ein AG meist nicht bereit sein dürfte, eine solche unbefristete Zahlungsbürgschaft zu stellen. Ein solches Verlangen vor Vertragsschluss ist eher kontraproduktiv, so dass dem AN anzuraten ist, möglichst frühzeitig und korrekt, also unter Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen nach § 650f BGB eine Sicherheitsleistung zu fordern, wenn auch nur der geringste Zweifel an der dauerhaften wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des AG besteht.

Es besteht immer noch vielfach der Irrglaube, dass allein durch die Vereinbarung der VOB ein Anrecht des AG auf eine Sicherheitsleistung (§ 17 VOB/B) besteht. Dies ist jedoch nicht so, vielmehr kann der AG eine solche Sicherheit nur verlangen, wenn diese ausdrücklich im Vertrag vereinbart ist. Die VOB enthält hierzu eine sogenannte Öffnungsklausel, die aussagt, dass soweit eine Sicherheitsleistung vereinbart ist, der AG einen Anspruch auf eine Sicherheitsleistung hat. Allein durch die Vereinbarung der VOB ist somit nicht eine Sicherheitsleistung, sondern diese muss ausdrücklich zwischen den Parteien in dem Vertrag geregelt sein. In der erkennbaren Krise des AG gelingt es manchen AN noch, Zahlungen auf rückständige Forderungen zu erlangen, indem sie androhen, anderenfalls die Fortführung der vertraglichen Arbeiten zu verweigern. Vielfach gehen AG hin und stellen in solchen Krisensituationen noch Sicherheiten oder gewähren Abtretungen von Bauforderungen gegen Dritte. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der in der Krise befindliche Generalunternehmer (GU) seinem Nachunternehmer (NU) Bauforderungen gegen den Bauherrn (BH) abtritt.

Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass der NU ein erhebliches Risiko eingeht, wenn das in dieser Weise oder erst derart spät Erlangte der Befriedigung bzw. Sicherung in einem späteren förmlichen Insolvenzverfahren der Insolvenzanfechtung unterliegt. Das Insolvenzanfechtungsrecht wird in den §§ 129 Insolvenzordnung (InsO) geregelt. Zweck des Insolvenzanfechtungsrechts ist es, das Grundprinzip des Insolvenzrechts, die Gläubigergleichbehandlung zu gewährleisten und auch für den Zeitraum vor förmlicher Verfahrenseröffnung durchzusetzen. Die Vorschriften über das Insolvenzanfechtungsrecht im Sinne des § 129 InsO sind jedoch nur dann anwendbar, wenn ein Verfahren förmlich eröffnet wurde. Wird dagegen ein Antrag mangels Masse abgewiesen, greifen allenfalls zugunsten einzelner Gläubiger die Vorschriften des Anfechtungsgesetzes (AnfG).

Intern bedeutet das Insolvenzanfechtungsrecht, dass Rechtshandlungen, die vor Verfahrenseröffnung vorgenommen worden sind und zu einer objektiven Gläubigerbenachteilung geführt haben, bei Vorliegen bestimmter Zeit- oder Umstandsmomente zugunsten der Masse rückabgewickelt werden können. Dies heißt vereinfacht: Wer in Kenntnis der Krise oder unter verdächtigen Umständen noch Befriedigung auf seine rückständigen Forderungen erhalten hat, muss das Erlangte der Insolvenzmasse zurückgewähren, damit es allen Insolvenzgläubigern zur quotalen Befriedigung zur Verfügung steht. In der Bauinsolvenz sind folgende Regelungen relevant:

Zahlungen auf rückständige Forderungen in den letzten drei Monaten vor dem Insolvenzantrag sind anfechtbar, wenn zur Zeit der Handlung der AG zahlungsunfähig war und der AN zu dieser Zeit die Zahlungsunfähigkeit kannte. Dieses Merkmal der Kenntnis steht das Kennenmüssen von Unständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (§ 130 InsO). Hierzu gehören insbesondere Teilzahlungen auf die Schlussrechnung. Hierbei spricht man von einer kongruenten Deckung. Anders werden sogenannte inkongruente Deckungen behandelt, also solche, bei denen der Auftragnehmer vom Auftraggeber etwas erlangt, was er nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. Klassische Fälle solcher inkongruenten Deckung sind Forderungsabtretungen des GU an den NU von Forderungen gegen den BH. Hierzu zählen jedoch auch Direktzahlungen des BH unmittelbar an den NU gemäß § 16 Abs. 6 VOB/B. Gerne wird so in der Baupraxis in der Krise des GU verfahren, dass der BH, der ein vitales Interesse an dem Weiterbau hat, Direktzahlungen an den NU erbringt, der nur bereit ist, weitere Leistungen zu erbringen, wenn er Zahlungen erhält. Der NU sollte jedoch hierzu wissen, dass diese Direktzahlung des BH der Insolvenzanfechtung unterliegt. Solche inkongruenten Deckungen sind im letzten Monat vor Insolvenzantrag stets anfechtbar. Bei Vornahme innerhalb des zweiten oder dritten Monats vor dem Insolvenzantrag dann, wenn der GU zur Zeit der Handlung zahlungsunfähig war oder aber innerhalb letzteren Zeitraums dem NU zur Zeit der Handlung bekannt war, dass sie die anderen Insolvenzgläubiger benachteiligen werde (§ 131 InsO). Dabei ist Anspruchsgegner der NU. Das bedeutet, dass der Insolvenzverwalter sich an den NU als Zahlungsempfänger halten wird und dieser verpflichtet ist, diese Gelder zurückzuerstatten. Deshalb bietet sich ein Vorgehen nach der Vorschrift des § 16 Abs. 6 VOB/B nicht an und ist zu risikobehaftet. Vielmehr bietet sich nur eine Lösung an, dass sowohl der BH als auch der NU unabhängig voneinander den Bauvertrag mit dem GU kündigen und gemeinsam einen neuen Vertrag unter Ausschluss des GU begründen.

In diesem Fall stellt sich natürlich auch die Frage der Kündigungsmöglichkeit in der Krise des Auftraggebers. Verständlicherweise will der Auftragnehmer in diesem Fall keine Leistungen mehr erbringen. Dabei ist genau darauf zu achten, dass, sobald sich eine Krise des Auftraggebers abzeichnet, sofort die formalen Bedingungen für eine Kündigung geschaffen werden. Vielfach verlassen Auftragnehmer in diesem Fall fluchtartig die Baustelle. Einen derart ungeordneten Rückzug sieht das Gesetz nicht vor. Hier kann allenfalls § 321 Abs. 1 Satz 1 BGB weiterhelfen, was jedoch umstritten ist. Deshalb besteht der einzig rechtsichere Weg, die formalen Voraussetzungen einzuhalten. Das bedeutet immer, dass erst nach Fristsetzung der Vertrag gekündigt werden kann. Gleiches gilt für ein Leistungsverweigerungsrecht. Die Arbeiten können immer erst nach Fristsetzung formal eingestellt werden.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Carsten Seeger

Beiträge zum Thema