Die Streitverkündung im Prozess - was soll das?

  • 5 Minuten Lesezeit

Die Streitverkündung spielt insbesondere in Bauprozessen eine große Rolle. Denn mit der Durchführung eines Baumangelprozesses ist meistens der Streit um den Schadensverursacher nicht beendet. Häufig folgen im Anschluss an das abgeschlossene Verfahren weitere Rechtsstreitigkeiten um denselben Baumangel, was wiederum dazu führt, dass sich gegebenenfalls andere Gerichte mit demselben Sachverhalt nochmals beschäftigen müssen und es gegebenenfalls auch zu Abweichungen der gerichtlichen Entscheidungen anderer Gerichte kommen kann. Das will die Streitverkündung gerade verhindern. 

Die Streitverkündung ist ein verfahrensrechtliches Instrument, um einen Dritten in einen Prozess einzubeziehen. Zunächst gilt, dass das Prozessrechtsverhältnis nur zwischen den Parteien des Rechtsstreits, also Kläger und Beklagten entsteht. Dritte sind hier nicht einbezogen. Wenn man als Partei einen Dritten einbeziehen möchte, dann ist die Streitverkündung das richtige Instrument hierfür. Hierbei muss man sich folgende Situation vergegenwärtigen: Der Bauherr stellt einen Mangel fest. Für den Bauherrn ist meist schwer erkennbar, ob ein Baumangel auf einem Planungsfehler eines Architekten und/oder eines Ausführungsfehlers eines Handwerkers zurückzuführen ist. Wenn der Bauherr jetzt nur hingeht und den Architekten verklagt und das ausführende Bauunternehmen aus dem Rechtsstreit raushält, so kann es sein, dass sich während des Prozesses in der Beweisaufnahme durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen herausstellt, dass der Baumangel auf Ausführungsfehler zurückzuführen ist und nicht auf Planungsfehler. Dann müsste der Bauherr hingehen und das ausführende Bauunternehmen möglicherweise an einem anderen Gerichtsstand mit ungewissem Ausgang verklagen. Das ist doppelter Aufwand und auch ein erheblicher Zeitaufwand, der auch dazu führen könnte, dass zwischenzeitlich aufgrund der Dauer des Prozesses gegen den Architekten, die Ansprüche gegen den Bauunternehmer verjährt sind. Diese doppelt gemoppelte Vorgehensweise ist weder effektiv noch kostensparend. Vielmehr sollte ein Bauherr immer hingehen und bei mehreren infrage kommenden Schadensverursacher einer Partei den Streit verkünden. Das ist gemeinsam mit einem Anwalt zu entscheiden, da es Zulässigkeitsvoraussetzungen der Streitverkündung gibt, die vorliegen müssen. Das ist zum einen die alternative Schuldnerschaft als auch die Regresshaftung. Die alternative Schuldnerschaft meint, dass keine gesamtschuldnerische Haftung des Dritten mit der anderen Partei vorliegen darf. Eine solche gesamtschuldnerische Haftung wird angenommen, wenn ein Bauaufsichtsfehler eines Architekten und ein Ausführungsfehler eines Bauunternehmers zusammentreffen. Alternative Schuldnerschaft liegt dagegen vor, wenn der Baumangel auf einem Planungsfehler des Architekten und auf einem Ausführungsfehler des Bauunternehmers zurückzuführen ist. Dagegen liegt die Regresshaftung vor, wenn der Generalunternehmer vom Bauherrn in Anspruch genommen wird, jedoch der Nachunternehmer verantwortlich für den Mangel ist. Dasselbe gilt, wenn ein Handwerker einen anderen Handwerker als Subunternehmer beauftragt und dieser einen Mangel verursacht. Wenn der Bauherr dann den Handwerker in Anspruch nimmt, so sollte auf jeden Fall eine Streitverkündung gegenüber dem Subunternehmer erfolgen. Denn als Handwerker (Streitverkünder) sollte man den Subunternehmer (Streithelfer) als wahren Schadensverursacher mit ins Boot holen. Es wäre katastrophal solange zuzuwarten bis der Rechtsstreit mit dem Bauherrn beendet ist und erst dann anfängt, gegen seinen Nachunternehmer zu prozessieren. Das bringt herzlich wenig. Das kann man in einem Abwasch machen. Dabei muss jedem bewusst sein, dass man aus dem Prozess mit dem Bauherrn (Vorprozess) nicht automatisch einen Titel auch gegen den Dritten erhält. Ein Urteil wirkt grundsätzlich nur zwischen Kläger und Beklagten. Jedoch kommen zwei ganz gewichtige Punkte hinzu, die eben die Streitverkündung als wirksames Instrument darstellen. Zum einen hemmt die Streitverkündung die Verjährung gegenüber dem Dritten. Denn meistens ist es nach einem erfolgten Prozess zu spät, den Dritten in Anspruch zu nehmen, da die Ansprüche gegen den Schadensverursacher verjährt sind. Das ist ganz schlecht. Darüber hinaus erfolgt durch eine zulässige Streitverkündung eine Interventionswirkung. Das ist gerade in Baumängelprozessen wichtig, da alle notwendigen tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Urteils (tragende Urteilsgründe) von dieser Interventionswirkung erfasst werden. Das bedeutet, dass in einem Nachfolgeprozess gegen einen Nachunternehmer die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des Vorprozesses in diesem Nachfolgeprozess gelten. Wird im Vorprozess entschieden, dass ein Mangel vorliegt und welche Mängelbeseitigungskosten notwendig für die Mängelbeseitigung sind, so ist das als Grundlage auch entscheidend für den Nachfolgeprozess. Also heißt das, dass die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen aus dem Vorprozess in den Nachfolgeprozess gegen den Dritten 1:1 übertragen werden. Dies ist dann sehr positiv, da ein solcher Nachfolgeprozess natürlich eine viel kürzere Verfahrensdauer hat, da nicht erst ein Mangel und dessen Folgen festgestellt werden müssen, sondern dies alles bereits durch den Vorprozess feststeht. Deshalb ist Vorsicht geboten bei dem Dritten, der eine solche Streitverkündung ignoriert. Hier muss klar sein, dass er Einwendungen, die er schon im Vorprozess hätte geltend machen können, nicht mehr im Nachfolgeprozess geltend machen kann. Mit seinen Einwendungen ist er dann grundsätzlich ausgeschlossen. Das ist eine gravierende Folge. Deshalb sollte man bei Zustellung einer Streitverkündungsschrift immer mit einem Bauanwalt beraten, ob eine Streitbeitritt erforderlich ist. Denn meistens ist es so, dass der Beklagte (Streitverkünder) im Vorprozess nicht mit der gleichen Motivation dem Anspruch des Klägers (Bauherrn) entgegentritt, da er im Hinterkopf hat, dass er ja seinen Vertragspartner (Dritten = Streithelfer) noch in Anspruch nehmen kann. Dann ist es fatal, wenn aus dem Vorprozess alle tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen auch im Nachfolgeprozess gelten. Der Dritte kann sich nicht darauf berufen, dass der Beklagte im Vorprozess nicht die Ansprüche des Klägers mit Nachdruck abgewehrt hat. Dann ist das Kind in den Brunnen gefallen. Es zeigt sich, dass sowohl für denjenigen Unternehmer, der die Streitverkündung aussprechen will, als auch für den Dritten, der überlegen muss, dem Rechtsstreit beizutreten, die Überlegungen zur Streitverkündung wichtig sind. Ein Dritter wird durch eine Streitverkündungsschrift in den Rechtsstreit einbezogen. Dies ist ein Schriftsatz. Diesen sollte man einem Anwalt überlassen. Hier besteht meist auch Anwaltszwang. Diese Streitverkündungsschrift wird über das Gericht dem Dritten zugestellt. Der Dritte kann dann entscheiden, ob er dem Rechtsstreit beitritt. Hierfür ist von dem Dritten wiederum ein Schriftsatz notwendig. In den meisten Fällen besteht wiederum Anwaltszwang, also nur ein Anwalt kann einen solchen Schriftsatz an das Gericht schicken. Wenn man dem Rechtsstreit auf Seiten des Streitverkünders beitritt, so gilt man als Streithelfer der Partei, die einem den Streit verkündet hat. Man sitzt also in einem Boot mit dem Streitverkünder. Denn dem Streitverkünder soll man als Dritter unterstützen, also helfen. Es gibt natürlich Situationen, in denen man als Dritter nicht dem Streitverkünder beitreten möchte, sondern dem Gegner, weil es für einen günstiger ist. Das ist grundsätzlich auch möglich. Über die Kosten einer Streitverkündung muss sich der Streitverkünder grundsätzlich keine Sorgen machen. Verliert der Streitverkünder den Prozess, so muss der Streithelfer seine eigenen Kosten selbst tragen. Das ist der Fall, wenn sich ein Mangel herausstellt. Gewinnt er dagegen den Prozess, so muss der Gegner sowohl die Kosten des Streitverkünders als auch des Streithelfers tragen. Das ist der Fall, wenn ein Mangel verneint wird. Insofern ist die Streitverkündung für den Streitverkünder mit keinem Kostenaufwand verbunden, aber hat nur positive rechtliche Wirkungen für den Streitverkünder.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Carsten Seeger