Die einrichtungsbezogene Impfpflicht und die Beschäftigung ungeimpfter in der Pflege- und Gesundheitsbranche

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Kaum ist die einrichtungsbezogene Impfpflicht am 15. März 2022 in Kraft getreten, gibt es schon die erste arbeitsgerichtliche Entscheidung im Eilverfahren dazu. Das Arbeitsgericht Gießen hat die Eilanträge auf Beschäftigung eines ungeimpften Wohnbereichsleiters und einer ungeimpften Pflegefachkraft aus einem Seniorenheim zurückgewiesen.


Nachtrag vom 19.5.2022: Einrichtungsbezogene Impfpflicht verfassungsmäßig 

Mit heute veröffentlichter Pressemitteilung hat das Bundesverfassungsgericht mit Beschluss vom 27.4.2022 A.z. 1 BvR 2649/21 die einrichtungsbezogene Impfpflicht für verfassungsmäßig erklärt. Die Impfpflicht verletzte laut dem Bundesverfassungsgericht die Betroffenen in der Gesundheits- und Pflegebranche nicht in ihren Rechten insbesondere aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (Recht auf körperliche Unversehrtheit) und Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit). Soweit die Regelungen in die genannten Grundrechte eingriffen, seien diese Eingriffe verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe im Rahmen des ihm zustehenden Einschätzungsspielraums einen angemessenen Ausgleich zwischen dem mit der Nachweispflicht verfolgten Schutz vulnerabler Menschen vor einer Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 und den Grundrechtsbeeinträchtigungen gefunden. Trotz der hohen Eingriffsintensität müssen die grundrechtlich geschützten Interessen der im Gesundheits- und Pflegebereich tätigen Beschäftigten letztlich zurücktreten, so der Senat.

Die Klärung der Verfassungsmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht wird voraussichtlich nun mehr dazu führen, dass die Gesundheitsämter verstärkt ggü. Ungeimpfte und deren Einrichtungen Tätigkeit- und Beschäftigungsverbote aussprechen werden. Gerne unterstütze und berate ich Sie in diesen Verfahren. Am besten konsultieren Sie mich bereits bei der Anhörung, damit wir frühzeitig die richtigen Weichen stellen können.


Wie ist die allgemeine Rechtslage zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht?

Seit dem 15. März 2022 gilt für Beschäftigte im Pflege- und Gesundheitsbereich die Impfpflicht. Beschäftigte der in § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) aufgelisteten Einrichtungen – unter anderem Krankenhäuser, Arzt- und Zahnarztpraxen, Rettungsdienste, ambulante Pflegedienste, Pflege- und Seniorenheime – müssen vollständig gegen das Virus SARS-CoV-2 geimpft sein oder einen aktuellen Genesenennachweis vorlegen können. 

Personen, die in den Pflege- und Gesundheitseinrichtungen ab dem 16.3.2022 neu eingestellt werden sollen, haben der Leitung der jeweiligen Einrichtung oder des Unternehmens schon vor Beginn ihrer Tätigkeit einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen. Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des Nachweises, muss die Einrichtungsleitung unverzüglich dem zuständigen Gesundheitsamt mitteilen. Ohne entsprechenden Nachweis ist eine Beschäftigung grundsätzlich unzulässig. Ausnahmen gelten für Personen, die aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Coronavirus geimpft werden können.

Mitarbeiter dagegen die bereits zum Stichtag am 15.3.2022 eingestellt waren, müssen ihren Impf- bzw. Genesenenstatus ggü. dem Arbeitgeber nachweisen. Wird der Nachweis nicht bis zum Ablauf des 15.3.2022 vorgelegt oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Nachweises, hat der Arbeitgeber auch hier unverzüglich das dem zuständigen Gesundheitsamt mitzuteilen. Das Gesundheitsamt entscheidet dann im Einzelfall über ein Beschäftigungsverbot. Solange allerdings das Gesundheitsamt noch nicht über ein Beschäftigungsverbot entschieden hat, ist rechtlich die Beschäftigung eines ungeimpften Mitarbeiters zulässig.


Freistellung ohne behördliches Beschäftigungsverbot

In dem vom Arbeitsgericht Gießen kürzlich entschiedenen Fall hatte die Leitung eines Seniorenwohnheimes zwei ihrer ungeimpften Mitarbeiter ab dem 16.3.2022 unbezahlt freigestellt, und zwar, ohne dass ein behördliches Beschäftigungsverbot ausgesprochen wurde. Die Leitung des Seniorenwohnheimes begründete dies damit, dass sie das Gesundheitsrisiko durch die Beschäftigung ungeimpfter für die älteren Heimbewohner als zu hoch einschätzte.

Der betroffene Wohnbereichsleiter und die betroffene Pflegefachkraft wollten die Freistellung nicht hinnehmen und machten im Wege der einstweiligen Verfügung gerichtlich die Weiterbeschäftigung geltend.


Einstweilige Verfügung auf Beschäftigung Ungeimpfter erfolglos 

Das Arbeitsgericht Gießen wies die Anträge der Mitarbeiter ab. Zwar sehe § 20 a Abs. Abs.3 Satz 4 IfSG unmittelbar ein Beschäftigungsverbot im Falle der Nichtvorlage eines Impf- oder Genesenen-Nachweises nur für ab dem 16.3.2022 neu eingestellte Personen, nicht aber für bislang schon beschäftigte Personen vor. Dennoch stehe es der Arbeitgeberin unter Zugrundelegung der gesetzlichen Wertungen des § 20 a IfSG im Rahmen billigen Ermessens frei, im Hinblick auf das besondere Schutzbedürfnis der Bewohner eines Seniorenheims Beschäftigte, die weder geimpft noch genesen sind und der Pflicht zur Vorlage eines Impf- oder Genesenen-Nachweises nicht nachkommen, von der Arbeitsleistung freizustellen. Gegenüber dem Interesse der Beschäftigten an der Ausübung ihrer Tätigkeit überwiege insofern das Interesse der Bewohner an deren Gesundheitsschutz. (ArbG Gießen v. 12.04.2022, Az.: 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22)

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig. Eine Anfechtung der Entscheidung beim LAG Köln ist möglich und bleibt abzuwarten.

Lohnanspruch bei Freistellung?

Die Frage, ob die ungeimpften und freigestellten Mitarbeiter dennoch die Vergütung verlangen dürfen, war dagegen nicht Gegenstand der Entscheidung. Hier wird zu differenzieren sein. 

Wird ein Mitarbeiter zum Schutz von Patienten oder Heimbewohnern freigestellt, ohne das ein behördliches Beschäftigungsverbot vorliegt und ist der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen daran gehindert, sich impfen zu lassen, wird er als arbeitsunfähig zu betrachten sein und kann dann die Fortzahlung seiner Vergütung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz verlangen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt schließlich nicht, wenn die Person aufgrund einer medizinischen Kontraindikation nicht gegen das Virus geimpft werden kann.

Möchte sich der Mitarbeiter dagegen nicht impfen lassen, obwohl er impffähig wäre, so wird der allgemeine Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ zur Geltung kommen, sodass er seinen Vergütungsanspruch verliert.

Ich berate und vertrete klein- und mittelständische Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie deren Beschäftigte im Zusammenhang mit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Für weitere Informationen besuchen Sie meine Homepage unter: www.arbeitsrecht-arif.de

Foto(s): https://pixabay.com/de/photos/frau-gesundheits-experte-spritze-5829666/

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