Die 5 häufigsten Fehler bei Rotlicht-Überwachungen – Was kann man nach Ampel-Verstößen tun?

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Es hat sich inzwischen herumgesprochen, dass man in einigen Fällen gute Chancen auf Erfolg hat, wenn man sich mit kompetenter Unterstützung gegen den Vorwurf einer Geschwindigkeitsüberschreitung zur Wehr setzt. Rotlichtverstöße passieren zwar deutlich seltener, aber bei jährlich im Durchschnitt 261.460 registrierten Verstößen im Zusammenhang mit roten Ampeln im deutschen Straßenverkehr (Quelle: Statista, bezogen auf die Jahre 2010 bis 2014) sind sie gleichwohl oft die Ursache für zum Teil hohe Geldbußen, Punkteeintragungen in Flensburg und auch Fahrverbote. 

Öffentliche Aufmerksamkeit erregt haben Rotlichtverstöße im Jahr 2018, als klar wurde, dass bundesweit in zahlreichen Städten seit Jahren Überwachungsanlagen im Betrieb waren, deren Induktionsschleifen entgegen der Zulassungsvorgaben installiert waren. 

Im vorliegenden Beitrag soll aus der Sicht des anwaltlichen Verteidigers mit Erfahrungen aus mehreren tausend geführten Bußgeldverfahren dargestellt werden, welche Umstände dazu führen können, dass der Vorwurf der Bußgeldbehörde nicht bewiesen werden kann. Unser Experte, der unter anderem auf die Verteidigung in Rotlicht-Fällen spezialisierte Fachanwalt für Verkehrsrecht Dr. Sven Hufnagel aus Aschaffenburg, gibt Antworten. 

1.) Keine Einfahrt bis in den Schutzbereich der Kreuzung hinein

Eben dies wäre die generelle Voraussetzung für die Annahme eines Rotlichtverstoßes.

„Bei den in Deutschland zum Einsatz kommenden Rotlichtüberwachungsanlagen wird letztlich immer die Zeit gemessen, die vom Beginn der Rotphase einer Verkehrsampel bis zur Überfahrt eines Fahrzeugs über die Haltelinie verstreicht. Zum Nachweis eines Rotlichtverstoßes werden meistens zwei oder mehrere Fotos angefertigt. Das erste Bild wird unmittelbar bei Überfahrt eines Fahrzeugs über eine hinter der Haltelinie fest installierte, drucksensitive Schleife oder Induktionsschleife ausgelöst. Das zweite Bild wird durch Überfahren einer weiteren solchen Schleife ausgelöst. Hiermit soll der Beweis geführt werden, dass das Fahrzeug auch in den überwachten Bereich eingefahren ist, also nicht unmittelbar nach dem Überfahren des ersten Sensors vor dem Schutzbereich zum Stehen gekommen ist“, erläutert der Blitzer-Spezialist Dr. Hufnagel. 

Mancherorts gibt es aber noch Anlagen, die nur ein Lichtbild auslösen. Dieses kann aber meist nur beweisen, dass ein Fahrzeug über die Haltelinie gefahren ist. Gibt es nicht weitere Anhaltspunkte, so kann nicht widerlegt werden, dass der Betroffene noch vor dem geschützten Kreuzungsbereich angehalten hat. Ein Rotlichtverstoß wäre dann nicht nachzuweisen. 

Auch bei hochmodernen Überwachungsanlagen, etwa vom Typ Poliscan Speed der Fa. Vitronic, kann es in diesem Zusammenhang zu einer erfolgreichen Verteidigung führen, wenn bestritten wird, dass eine Einfahrt in den geschützten Bereich stattgefunden habe. Gerade bei großen Kreuzungen oder beispielsweise auch dem mehrspurigen großen Kreisverkehr in Berlin an der Siegessäule („Großer Stern“, insbesondere bei Einfahrt von der Altonaer Straße) oder auch am dortigen Ernst-Reuter-Platz bestehen gute Chancen, weil dann meist zwischen der Haltelinie und dem Gefahrenbereich relativ viel Abstand besteht. Dr. Hufnagel erklärt dies näher: „Bereits mehrfach konnten Verfahren vor dem Amtsgericht Tiergarten, in denen eine Rotlicht-Dauer von mehr als einer Sekunde vorgeworfen wurde, mit einer Geldbuße von lediglich 10 € beendet werden, weil nach Auswertung der digitalen Messdaten der Nachweis nicht erbracht werden konnte, dass die Einfahrt in den Kreisverkehr stattgefunden hat. Es verblieb auch hier nur ein reiner Haltelinien-Verstoß und den Betroffenen blieben Fahrverbote und zwei Punkte in Flensburg erspart. Natürlich kommt es auch hier immer auf die Umstände des einzelnen Falls an.“

2.) Unterbliebene oder unzureichende Rückrechnung der Rotlichtzeit

Es macht durchaus Sinn, dass die Kontaktschleifen bei Rotlicht-Blitzern stets nicht direkt an der Haltelinie, sondern mit einem gewissen Abstand dahinter liegen, weil anderenfalls es ständig zu nicht relevanten Fotoaufnahmen käme, wenn jemand auch nur minimal mit den Vorderrädern seines Fahrzeugs über die Haltelinie hinaus gerät und dort anhält. Ist eine Ampel bereits rot und fährt der Verkehrsteilnehmer gleichwohl über die Haltelinie, dann führt diese nach hinten verlagerte Position der Kontaktschleifen aber zwangsläufig dazu, dass bei ihrem Überfahren bereits eine längere Rotlichtzeit angezeigt wird als beim vorangegangenen und für die Feststellung einer Ordnungswidrigkeit entscheidenden Überfahren der Haltelinie. 

„Daher muss von der Rotlichtzeit, die beim Überfahren des ersten Sensors gemessen wird, stets unter Berücksichtigung der zu ermittelnden Geschwindigkeit des Fahrzeugs darauf zurück gerechnet werden, wie lange die Ampel beim Überfahren der Haltelinie bereits rot gewesen ist. Diese Rückrechnung berücksichtigt auch die Entfernung zwischen den Kontaktschleifen und der Haltelinie. Wir haben schon in zahlreichen Fällen mittels Sachverständigengutachten nachgewiesen, dass die von der Behörde vorgenommene Rückrechnung falsch oder zumindest unzureichend ist. Das Problem liegt darin, dass diese Rückrechnung auf Basis einer ermittelten Durchschnittsgeschwindigkeit beruht. Häufig aber geben Verkehrsteilnehmer beim Bemerken des gelben Ampellichts nochmal ordentlich Gas. Wenn innerhalb der Messstrecke beschleunigt wird, dann ist die Geschwindigkeit beim Verlassen des Kreuzungsbereichs höher als die errechnete Durchschnittsgeschwindigkeit und dann muss auch die errechnete Rotlichtzeit beim Überfahren der Haltelinie kürzer sein als bei der von den Behörden allenfalls durchgeführten Durchschnittsbetrachtung“, weiß der seit 2003 tätige und auf das Bußgeldrecht spezialisierte Rechtsanwalt zu berichten. Und weiter führt er aus: „In manchen Fällen ist die Rückrechnung gar gänzlich unterblieben oder durch einen ebenfalls nicht ausreichenden pauschalen Toleranzabzug ersetzt worden. Gerade in Grenzfällen des sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoßes gelingt es dann häufig, die vorwerfbare Rotlichtzeit auf einen Wert unterhalb der magischen Grenze von einer Sekunde zu drücken und damit die Verhängung eines Fahrverbots zu verhindern“. 

3.) Zu kurze Gelblichtphase

In bestimmten Verwaltungsvorschriften ist abhängig von der vor Ort zulässigen Höchstgeschwindigkeit geregelt, wie lange die Gelblichtphase mindestens sein muss, bevor eine Ampel auf rot umschalten darf. Damit soll für die Verkehrsteilnehmer unabhängig von der Ortskenntnis eine verlässliche Einschätzung bei der Annäherung an Ampelkreuzungen geschaffen werden. Bei zulässigen 50 km/h muss die Gelblichtphase mindestens 3 Sekunden betragen, bei 60 km/h mindestens 4 Sekunden und bei 70 km/h mindestens 5 Sekunden. „Werden diese Verwaltungsvorgaben nachweislich unterschritten, so kann sich dies mäßigend auf die vorgeworfene Rotlichtdauer auswirken und in gravierenden Fällen dazu führen, dass die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr zu rechtfertigen ist“, erklärt Dr. Sven Hufnagel. 

„Auch wenn man meinen sollte, so etwas könne nicht passieren, habe ich es inzwischen dreimal erlebt, dass vor Ort aufgrund einer Veränderung der Beschilderung eine höhere Geschwindigkeit zulässig war, als scheinbar noch zu früheren Zeiten“, berichtet der von seinen Mandanten mit dem Spitznamen „Blitzer-Engel“ versehene Anwalt weiter. „Wenn dies unbeachtet bleibt, wird auch die Dauer der Gelblichtphase nicht an das höhere Geschwindigkeitsniveau angepasst. Auch dies hat zur Folge, dass der Vorwurf des Rotlichtverstoßes nach unten korrigiert werden muss oder nur noch ein sogenannter Haltelinienverstoß übrigbleibt, der mit einem kleinen Verwarnungsgeld ohne Punktefolge belegt ist.“

Der anwaltliche Verteidiger kann derartige Fehlerquellen durch Einholung eines Beschilderungs- und eines Ampelphasenplans überprüfen. 

Selbst wenn aber an sich die richtige Gelblichtdauer hinterlegt ist, bedeutet dies nicht zwingend, dass die Gelbphase tatsächlich exakt so lange wie vorgegeben ist. Selbst bei modernen und geeichten Anlagen treten Schwankungen um bis zu 5 Prozent auf und bei älteren Anlagen können es sogar bis zu 0,5 Sekunden sein, ist aus Sachverständigenkreisen zu vernehmen (vgl. u. a. Beck/Löhle/Kärger/Schmedding/Siegert, Fehlerquellen bei polizeilichen Messverfahren, 11. Auflage, Seite 442, Rn.7). Es erklärt sich von selbst, dass auch dadurch mancher Rotlichtverstoß gänzlich anders zu bewerten ist. 

4.) Falsche Installation des Messgeräts / keine ordnungsgemäße Eichung

Im Jahr 2018 fiel zuerst in Düsseldorf und direkt anschließend in einer Vielzahl über das Bundesgebiet verteilter sonstiger Städte und Gemeinden auf, dass bei der Installation der Induktionsschleifen von Rotlicht-Überwachungsanlagen die Abstandsvorgaben nicht berücksichtigt wurden. Betroffen war stets das Gerät der Fa. Jenoptik Robot vom Typ Traffipax TraffiPhot III. Hierüber haben wir bereits an anderer Stelle ausführlich berichtet (vgl. „Blitzer-Skandal in Düsseldorf (2018): Rotlicht-Überwachungen an Ampeln ohne Zulassung“; „Der bundesweite Ampel-Skandal – Neues von den Blitzern aus Düsseldorf & Co“; „Ampel-Blitzer-Skandal: Woran erkannt man, dass man betroffen ist?“).

Dazu wieder Dr. Sven Hufnagel: „Aus meiner Sicht hat die Eichung, bei der derartige Installations-Fehler offensichtlich und gar flächendeckend nicht aufgefallen sind, ihre Wirkung verloren. Dies kann zur Einstellung der laufenden Bußgeldverfahren führen oder zur Annahme eines erhöhten Toleranzabzugs“. 

Ob und gegebenenfalls wie sich derartige Installationsfehler auswirken, muss stets im Einzelfall gutachterlich geprüft werden. Betroffene Behörden erklären gerne ausweichend, dass der Installationsfehler zwar eingeräumt werden müsse, sich aber auf die Messungen nicht ausgewirkt habe. „Ich halte derartig pauschale Aussagen für unsinnig. Es hat schließlich seinen Grund, warum es bestimmte Vorgaben zu den Abständen von Induktionsschleifen zueinander gibt. Letztlich soll damit verhindert werden, dass es beim Überfahren eines Magnetfeldes auf der einen Spur auch zu Scheinmessungen auf der anderen Spur kommt. Gäbe es diese Gefahr nicht, dann bräuchte man auch keine verbindliche und damit verpflichtende Regelung über derartige Abstandsvorgaben“, kontert der Anwalt. 

„Gerade der Ampel-Blitzer-Skandal des Jahres 2018 lässt daher stets die Überprüfung der Abstände der Induktionsschleifen an der Messstelle als sinnvoll erscheinen. Hierfür arbeiten wir mit spezialisierten Sachverständigen zusammen, die zugleich auf eine große Datenbank für alle Messstellen zurückgreifen können und häufig noch andere Fehler einer Messstelle aufdecken“, lässt Dr. Hufnagel weiter wissen. 

5.) Fahrer-Identifikation ist nicht möglich

Abhängig von der Qualität der Lichtbilder, die von der Messanlage gefertigt werden, stellt sich immer auch die Frage, ob der Fahrer eines Fahrzeugs denn überhaupt als Verantwortlicher des vorgeworfenen Rotlichtverstoßes identifiziert werden kann. Dabei ist das Bild nicht nur auf Quantität, sondern auch auf Qualität hin zu überprüfen. „Vereinfacht ausgedrückt muss geprüft werden, wie viele charakteristische Merkmale des Gesichts erkennbar und nicht beispielsweise durch Schatten des Innenspiegels oder der Sonnenblende überblendet sind. Ebenso wichtig ist aber die Kontrastschärfe, Helligkeit und Auflösung des Bildes“, erklärt Dr. Hufnagel zu der komplizierten Materie der Identitätsfeststellung. 

„Wir haben schon in vielen Mandaten mittels Sachverständigengutachten nachgewiesen, dass das von der Überwachungsanlage gefertigte Fahrerlichtbild nicht zu einer Identifikation des Fahrzeugführers geeignet ist, weshalb es zur Verfahrenseinstellung kam. Dies gilt freilich nicht nur für Rotlicht-Überwachungen, sondern auch für Geschwindigkeits- oder Abstandsmessungen“, führt der Verkehrsjurist aus. 

In der Regel ist daher anzuraten, dass beim Vorwurf von Verkehrsordnungswidrigkeiten allgemein die Fahrereigenschaft nicht vorschnell eingeräumt wird und damit möglicherweise wertvolle Verteidigungschancen vergeben werden. 

Zusammenfassung:

Wem ein Rotlichtverstoß vorgeworfen wird, dem drohen im besten Fall 90 € Bußgeld und der Eintrag eines Punktes im Fahreignungsregister mit einer Tilgungsdauer von 2,5 Jahren. Kommt eine Gefährdung anderer hinzu oder soll die Ampel beim Überfahren der Haltelinie bereits mehr als eine Sekunde Rotlicht gezeigt haben, verdoppeln sich nicht nur die Punktzahl und die Tilgungsdauer, sondern es kommt zu einem ohnehin deutlich angewachsenen Bußgeld auch noch ein Fahrverbot von einmonatiger Dauer hinzu. Für Wiederholungstäter ebenso wie für Führerschein-Neulinge drohen zusätzliche Konsequenzen (Ermahnungen/Verwarnungen/Fahrerlaubnis-Entziehung bei 4 / 6 / 8 Punkten bzw. Verlängerung der Probezeit und ein teures Aufbauseminar). 

Dr. Sven Hufnagel von der Kanzlei Dr. Hufnagel Rechtsanwälte in Aschaffenburg ist seit 2003 als Rechtsanwalt zugelassen und seit 2007 Fachanwalt für Verkehrsrecht. Er ist auf die Verteidigung in Bußgeldsachen und Verkehrsstrafsachen spezialisiert und verteidigt bundesweit vor allen Verwaltungsbehörden und Gerichten, um Betroffenen den Führerschein zu erhalten. Im Focus-Spezial für die Jahre 2015, 2016 und 2017 wird er als einer von Deutschlands „Top-Anwälten im Verkehrsrecht“ bezeichnet. Für die Presse steht er regelmäßig als Interviewpartner zur Verfügung. Weitere Informationen über ihn und seine umfassende Tätigkeit im Zusammenhang mit dem „Kölner Blitzer-Gate“, aber auch über den bundesweiten Ampel-Blitzer-Skandal finden Sie auf unserer Website www.fahrverbot-rechtsanwalt.de und in der von uns bei Facebook gegründeten Gruppe „Blitzer-Opfer – Ampel-Skandal in Düsseldorf und dem Rest von Deutschland“.


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